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DRESDEN/ Semperoper: FIDELIO

06.07.2012 | KRITIKEN, Oper

Dresden Semperoper: “FIDELIO“ – 5.7. Wiederaufnahme: 17.6.2012


Foto: Mathias Creutziger

Trotz heftigem Gewitter, Sturm und Wolkenbruch war das Publikum gekommen und füllte das Haus bei der 5. Vorstellung der Wiederaufnahme und 120. Vorstellung seit der Premiere (7.10.1989) bis auf den letzten Platz. Christine Mielitz hatte 1989 bei ihrer Inszenierung die Handlung als Auftakt zur politischen Wende in ein Gefängnis, das dem der Staatssicherheit der DDR sehr ähnelte, verlegt. Der Stacheldraht, der die Gefangenen selbst bei ihrer von Fidelio/Leonore erwirkten „Verschnaufpause“ im Gefängnishof „an freier Luft“ umgibt, war dem der deutsch-deutschen Grenze sehr ähnlich. Zusammen mit Bühnenbild und Kostümen (Peter Heilein) macht diese Inszenierung noch immer – und immer wieder – betroffen und hat nichts von ihrer beklemmenden Wirkung – selbst auf auswärtige Besucher – eingebüßt.

Möglicherweise durch die hohe Luftfeuchtigkeit hatten die Hörner am Beginn der Ouvertüre leichte Probleme, was zwar bei der sonst gewohnten hohen Bläserqualität der Sächsischen Staatskapelle Dresden etwas auf-, aber nicht sehr ins Gewicht fiel, denn sie wussten dieses Problem sehr gut „abzufangen“ und spielten dann im weiteren Verlauf der Aufführung sehr klar, dezent, mit reinem, warmem Ton und einem sehr schönen Solo. Unter der Leitung von John Fiore musizierte die Kapelle nicht nur sehr zuverlässig, sondern auch mit viel Rücksicht auf die Sänger. Sie bildete wie so oft das klangschöne und sichere Fundament der gesamten Aufführung.

Evelyn Herlitzius ist bekanntlich eine großartige Wagner-und Strauss-Sängerin. Bei Beethoven muss man sich an Stimme und Timbre erst gewöhnen, aber sie schaffte es, alles in ihren Bann zu ziehen. Als Leonore war sie in allen wichtigen und schwierigen Situationen der Handlung immer präsent, sang mit sehr guter Textverständlichkeit und spielte voller Emotion und Hingabe an ihre Rolle. Sie war zu Recht die dominanteste Sängerpersönlichkeit an diesem Abend und stellte ihren gedemütigten Gatten“ sängerisch und darstellerisch „in den Schatten“. Jürgen Müller (anstelle von Gary Lehmann) konnte zwar die „Schwäche“ des lange schon in Haft befindlichen Florestan überzeugend (bis übertrieben) darstellen, ließ aber stimmlich manches zu wünschen übrig, nicht nur in der Höhe.

Eher glaubhaft wirkte da hingegen Matthias Henneberg, der einem brutalen, selbstsüchtigen Pizarro mit äußerer Härte und innerer Unsicherheit, die er zu verbergen sucht, kraftvoll seine Stimme leiht und ihn als skrupellosen, anmaßenden, innerlich aber schwachen und selbstsüchtigen, damals typischen, Karrieristen erscheinen lässt.

Den Gegenpol bildete Georg Zeppenfeld als Rocco mit seiner sehr klangvollen, warmen Stimme und seiner guten Gesangstechnik, bei der jeder Ton und jedes Wort immer klar verständlich isst. Wenn er vielleicht auch für die väterliche Rolle etwas jung wirkt (was Aufgabe der Maske gewesen wäre), konnte er doch durch seine Stimme der Rolle viel Sinn und Wohlwollen verleihen und in Quartett und Terzett Ausgeglichenheit und Klangvolumen einbringen, was diese kleinen Szenen zu besonderen Episoden werden ließ. Er war der ruhende, humanistische Pol in diesem tristen, trostlosen Gefängnis voller Dramatik und innerer Spannungen, nicht nur bei den Häftlingen, sondern auch bei den dort Beschäftigten.

Carolina Ullrich setzte als Marzelline ihre schöne, klare Stimme ein, konnte sich aber gegen den stimmkräftigeren, seine Rolle sehr plausibel verkörpernden Jaquino von Timothy Oliver nicht immer durchsetzen.

Christoph Pohl verfügt über eine ausgesprochen schöne Stimme, sang exakt und mit guter Diktion. Als Minister hätte man sich aber mehr Ausstrahlung und Würde gewünscht. Er erschien hier eher als üblicher Politiker.

Auch die kleineren Solorollen sollten gut besetzt sein, denn sie sind nicht unwichtig. In dieser Aufführung konnte der erste Gefangene nicht überzeugen und noch weniger der zweite.

Der Chor der Sächsischen Staatsoper und der Sinfoniechor Dresden aber sangen qualitätvoll, sowohl als Gefangenenchor mit einem bewundernswert einheitlichen, großen Crescendo, als auch als gesamter gemischter Chor in der befreienden Schlussszene (Einstudierung: Pablo Assante/Christof Bauer).

 

Ingrid Gerk

 

 

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