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DRESDEN/ Semperoper: DIE ZAUBERFLÖTE – verzaubert und aus Sicht eines Kindes

19.09.2021 | Oper international

Dresden / Semperoper: VERZAUBERTE „ZAUBERFLÖTE“ AUS DER SICHT EINES KINDES – 17.09.2021

Nach der Premiere (1.11.2020) konnte – pandemiebedingt – jetzt erst die (ausverkaufte) 9. Vorstellung der „Zauberflöte“ in der verkürzten Fassung der Neuinszenierung von Josef E. Köpplinger stattfinden, die mit Sternen-Umrahmung, eingeblendeten „Mondlandschaften“ und Bildern von extremen Gegenden der Erde, großen Himmelskörpern, sich langsam bewegenden Sonnenstrahlen (Bühnenbild und Video: Walter Vogelweider), viel Blitz und Donner, Neonröhren, seltsamen, gigantischen Gestellen als Bühnenaufbauten, akustischen Effekten wie „zustimmenden Chören“ aus den Rängen wie in totalitären Regimen und natürlich „ein bisschen“ Gewalt von schwarzen Gesellen, die auch als Bühnenarbeiter für die Umbauten auf offener Szene fungieren und dem Monostatus statt der verordneten „77 Sohlenstreich“ (viel zu) lange das Messer an die Kehle setzen, erfreulich von den gegenwärtigen Inszenierungs-Klischees abweicht. Er lässt die Handlung aus der naiven Sicht eines Kindes ablaufen, das sich in eine zauberhafte Welt der Erwachsenen wie in einem Märchenbuch hineinträumt.

Wegen Corona-Maßnahmen war (wie bisher) der Zuschauerraum nur lückenhaft besetzt. Für Irritationen sorgte eine kleine „stumme Szene“ in der Pause, als Klein-Tamino im Lichtkegel vor dem Vorhang saß und aß und sich lange, lange die Türen des Zuschauerraumes nicht öffneten – Regieabsicht oder Panne?

Seit den ersten Aufführungen vor der Sommerpause hat sich einiges geändert. Der Handlungs-Ablauf ist allgemein „flüssiger“ geworden. Viele Rollen sind anders besetzt. Georg Zeppenfeld hat jetzt seine Paraderolle, den Sarastro übernommen und sang die Arien mit bewundernswerter, bei ihm gewohnter Exaktheit, Stimm-Präsenz und Würde. Julia Sitkovetsky meisterte, zunächst wenig ausgeglichen und mit akzentbelasteter Sprache, dann doch die schwierigen Koloraturen ihrer beiden Arien mit Sicherheit und glasklarer Kühle, die zu einer „nächtlichen Königin“ passt.

Ihre drei Damen waren mit Ute Selbig, Anna Kudriashova-Stepanets und Christa Mayer sehr gut besetzt. Als Pamina hatte Mariya Taniguchi in ihrem, aus der Rolle fallenden Outfit, pink-haarig, in altmodischem weißen Kinderkleid und schwarzen Stiefeln inmitten der, in einem Mix aus verschiedenen Stilen, wie den an Barock- und Mozartzeit angenäherten, Kostümen (Dagmar Morell) für die Königin und ihre Damen und zeitlos vornehmem Outfit des Sarastro-Kreises, a priori beim Publikum keine guten Karten. Sie war keine sanfte, liebevolle Pamina, beeindruckte gelegentlich mit einem schönen Pianissimo, sang aber meist übermäßig laut und mit unnatürlich schriller Stimme.

Der von ihr geliebte (erwachsene) Tamino hatte in Beomjin Kim vor allem gesanglich einen würdigen Vertreter. In Sarastros Gefolge vermochte Martin-Jan Nijhof trotz übertrieben greisenhaft dargestellter äußerer Form. einen würdigen, altersweisen Sprecher darzustellen. Mateusz Hoedt gab dem ersten Priester Stimme und Gestalt und der immer zuverlässige Gerald Hupach dem zweiten Priester. In seiner, von Haus aus negativ angelegten, Rolle behauptete sich Simeon Esper gesanglich, wenn auch nicht sonderlich textverständlich. Wie immer kein Genuss war hingegen der eigentlich im wahrsten Sinne des Wortes „himmlisch“ komponierte Gesang der beiden Geharnischten, den Mozart aus einer Bach-Kantate entlehnt hat, „gesungen“ von Jürgen Müller und Lawson Anderson.

Bliebe da noch die beim Publikum immer beliebteste Gestalt des Papageno, in dessen Gestalt Christoph Pohl mit seinem lebhaften und niveauvollen Spiel, schöner Stimme und gutem Gesang gleich bei seinem ersten Auftritt die, in regietreuer Zurückhaltung agierende, Szene „aufmischte“. In schöner Steigerung, auch wenn ihm statt „Götterwein“ eine große und eine noch größere Keramik-Flasche mit Kräuterlikör (Reklame?) entgegengeschoben wird, belebt er immer das Bild bis zur witzigen „Familien“-Szene mit Alice Rossi (Junges Ensemble) als Papagena und vielen, vielen Garnknäuel-Eier-Kindern.

Unter der Leitung von Michael Balke bot die Sächsische Staatskapelle Dresden wie immer das Fundament für Sängerinnen und Sänger und den zuverlässig singenden Sächsischen Staatsopernchor Dresden (Jonathan Becker), dessen Damen im Rahmen der Gleichberechtigung nun auch Zugang zum Chor der Eingeweihten haben, von dessen Mitgliedern sich beim Schlussapplaus einige als „Matronen“ „outeten“.

Warum immer wieder W. A. Mozarts  „Zauberflöte“? Was macht sie so attraktiv? Warum lockt sie immer wieder die Zuschauer ins Opernhaus? Es ist nicht nur die zauberhafte, bunte Welt, die da auf der Bühne abläuft und das Publikum anzieht, sondern vor allem die Musik. Da muss nicht viel an der Handlung „geschraubt“ werden, um das Publikum (oder die Fachwelt) zu interessieren. Im Gegenteil, jede willkürliche Interpretation (oder Fehlinterpretation) nimmt dieser Oper etwas von ihrem Zauber. Der moderne (aufgeklärte) Besucher ist durchaus in der Lage, das Libretto aus seiner Entstehungszeit, wo noch eine andere Lebensauffassung, Ideale und Sitten herrschten, zu verstehen und nicht sehr ernst zu nehmen. Da muss nicht kleinlich an manchen Formulierungen gekrittelt werden.

Ingrid Gerk

 

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