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DRESDEN/ Semperoper: DAS RHEINGOLD und DIE WALKÜRE aus dem 2. Durchlauf „Der Ring des Nibelungen“ unter Christian Thielemann

02.02.2018 | Oper

Dresden / Semperoper: RICHARD WAGNER: „RHEINGOLD“ UND „WALKÜRE“ AUS DEM 2. KOMPLETTEN „RING DES NIBELUNGEN“ VON UNTER CHRISTIAN THIELEMANN –  29./ 30.1.2018

 Der komplette „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagners unter der musikalischen Leitung von Christian Thielemann ging nun in die zweite und leider auch schon wieder letzte „Runde“, was bei der gebotenen Qualität sehr schade ist. Die nur zweimalige Aufführung des gesamten „Ringes“ erhöht zwar durch ihren „Seltenheitswert“ die Besonderheit dieses Ereignisses, weckt aber bei vielen Musikfreunden, die nicht zu den Glücklich zählten, dabei gewesen zu sein, noch immer Sehnsüchte danach. Die Nachfrage war sehr groß, auch international, und würde es bei weiteren Aufführungen erst recht sein.

Rief schon der erste Zyklus bei den „aus aller Welt“ angereisten Wagnerfreunden Ovationen hervor, so tat es erst recht der zweite, bei dem naturgemäß manches noch ausgeglichener war und manche Glanzleistung noch gesteigert und einiges aus den Erfahrungen des ersten Zyklus verbessert wurde.

Die Inszenierung von Willy Decker aus dem Jahr 2001, eine Kooperation mit dem Teatro Real Madrid, beschränkt sich auf die damals immer und überall verwendeten Stühle, massenhaft in wellenförmigen Reihen angeordnet, guckkastenartige Bühneneinbauten, große dicke Pfeile, öfters auf- und zugezogene Vorhänge und eine große, wie eine überdimensionale Sonne aufgehende und versinkende (Welt-)Kugel, die später auch als „Walküren-Felsen“ fungiert. Decker verbindet aber alles, oft durch raffinierte Beleuchtung gut in Szene gesetzt, zu einem stimmigen Ganzen.

Die Kostüme von Wolfgang Gussmann und Frauke Schernau bevorzugen wie üblich, Mäntel im Militärschnitt, militanten Stil für die Walküren, schwarze Eleganz für Fricka, unglückliches Weiß für Erda und viel, viel Schwarz.

Was bei den beiden ersten Opern der zweiten “Runde“ besonders auffiel, war die kongeniale Übereinstimmung zwischen Thielemann und der Sächsischen Staatskapelle Dresden, die hier einmal mehr zu Wagners „Wunderharfe“ wurde und unter ihrem Chefdirigenten alles an dieser Stelle schon einmal Dagewesene übertraf. Hier war alles im Fluss. Beide Seiten widmeten sich ganz der Musik auf gleicher Wellenlänge, wie „ein Herz und eine Seele“, musizierten in ständiger Übereinstimmung der Auffassung und beflügelten sich gegenseitig. Was der Chef erdachte, setzten die Musiker in genialer Weise sowohl technisch, als auch gestalterisch um und übertrafen noch alle Erwartungen.

Allein die nicht nur äußerst sauberen, sondern auch noch klangschönen Hörner, die das „Rheingold“ eröffneten und einen Zauber entfalteten, den weitere Bläser und schließlich die Streicher in genialer Weise aufnahmen und fortsetzten, ließen Großes erwarten, das bis zum Ende die gesamte Oper durchzog und mit dem zarten Klang der sechs Harfen endete, die, zwei auf der Bühne und je zwei in den beiden Proszenien postiert waren, den plastischen Raumeindruck noch erhöhten. Da stimmte einfach alles, jede Instrumentengruppe, jedes kleine Solo war liebevoll und perfekt integriert oder wuchs aus dem Orchesterklang heraus, der seitens der Pauke in idealer Weise unterstrichen wurde. Die gesamte Aufführung ging vom Orchestergraben aus, in dem die Staatskapelle einfach „göttlich“ muszierte.

Die Solisten wurden von dem Klangteppich getragen und trugen ihrerseits zu einer außergewöhnlichen Aufführung bei. Obwohl Wotan hier noch ganz der gebietende Gott ist, bot der schweizerisch-ukrainische Bass Vitalij Kowaljow, wenn auch in der Darstellung eher ungezwungen menschlich-natürlich und weniger göttlich, umso mehr bei seinen, wenn auch kurzen sängerischen Auftritten mit seiner wunderbar klingenden, profunden Stimme eine Glanzleistung. Ihm zur Seite war Christa Mayer mit ihrer schönen Stimme als Fricka eine ebenbürtige „Gemahlin“. Sie singt vor allem Wagner mit allen Tugenden einer guten Sängerin, ohne jemals ins „Schreien“ zu geraten.

Eine ebenfalls beeindruckende, gesanglich „abgerundete“ Leistung bot Janina Baechle als Erda mit ebenfalls sehr gut klingender Stimme. Bei ihrem weißen Gewand wäre allerdings die Kostümabteilung gefragt gewesen. Am besten wirkte sie hinter dem durchsichtigen schwarzen Vorhang, der öfter auf- und zugezogen wurde, u. a. bei ihren ermahnenden Worten zu Wotan und zurück.

Einen „echten“ Loge, agil, immer präsent und in Aktion, mit einer gewissen geschmeidigen „Eleganz“ die Fäden der Handlung ziehend, gestaltete Kurt Streit mit viel Vitalität, schlanker, sehr klarer Stimme und besonders guter Textverständlichkeit.

Gerhard Siegel war ein mehr als überzeugender, gut singender Mime mit viel Charakterzeichnung, der auch mit einem ausdrucksvollen Piano aufwarten konnte. Albert Dohmen überzeugte als exakter Gegenspieler Alberich mit nüchternerer Stimme, die zu seiner Rolle als eiskalt kalkulierender geld- bzw. goldgieriger „Unternehmer“ passte. Ein Sonderlob verdient hier die Komparserie, die schwarz gekleidet, eine emsig dahinwuselnde unterwürfige, geknechtete Masse von Arbeitskreaturen darstellt.

Die beiden Riesen, Georg Zeppenfeld als Fasold und Karl-Heinz Lehner als Fafner ergänzten die Reihe der gut singenden und im Rahmen der Regie agierenden Solisten.

Sehr beeindruckend fügte sich am Ende der wehmütige Gesang der zu Beginn übermütigen Rheintöchter Christiane Kohl (Woglinde), Sabrina Kögel (Wellgunde) und Simone Schröder (Flosshilde), die ihr Rheingold zurücksehnen, in das Gesamtgeschehen einer „Rheingold“-Aufführung ein, die eine neue Sicht eröffnete und auch für routinierte „Ring“-Besucher neue Perspektiven eröffnete. Man hatte unwillkürlich den Eindruck, Wagners Intentionen neu entdeckt zu haben, um zum Kern der Musik im Zusammenwirken mit der Handlung noch weiter vorzudringen.

Was „Das Rheingold“ musikalisch an lyrischen Feinheiten, romantischer Assoziation zwischen Natur und menschlicher Gesellschaft, Intrigen und Kampf ums Gold bot, das setzten Thielemann und die Kapelle bei der „Walküre“ in höchste Dramatik um. Kowaljows stimmliche Qualitäten konnten hier noch mehr Geltung erreichen. Georg Zeppenfeld wechselte von der Gestalt des plumpen Riesen zum eleganten, aalglatten, beinahe fast höflichen Hunding, dessen kalte Grausamkeit – entsprechend Regie – allmählich hinter einer vornehmen Maske hervorkommt.

Elena Pankratowa war stimmlich eine wunderbare Sieglinde und Peter Seiffert ein akzeptabler Siegmund. Christa Mayer entfaltete sich weiter als stimmlich und darstellerisch überzeugende und beeindruckende Fricka. Stimmgewaltig verkörperte Petra Lang die Brünnhilde mit sicherer Höhe, kraftvollem Forte, aber auch schönem Piano, der ihre Walküren-Schwestern Christiane Kohl als Helmwiege, Johanna Winkel (Gerhilde), Brit-Tone Müllertz (Ortlinde), Irmgard Vilsmaier (Waltraute), Julia Rutigliano (Siegrune), Simone Schröder (Roßweiße), Sabrina Kögel (Grimgerde) und Katharina Magiera (Schwertleite) auch stimmlich in „gebührendem“ Abstand folgten.

Bei diesen beiden Aufführungen bestimmten Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle äußerst positiv das Gesamtgeschehen. Thielemann hielt die Fäden in der Hand und „bescherte“ musikalische Sternstunden, die einmal mehr deutlich machten, dass Wagner auch Romantiker war, mehr als man gemeinhin annimmt. Mit diesen Aufführungen wurden neue Maßstäbe hinsichtlich Intensität und Klarheit der Interpretation gesetzt, die eine neue Sicht auf Wagner „Ring“ eröffneten.

Ingrid Gerk

 

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