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Dresden / Semperoper: 7. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT CHRISTIAN THIELEMANN UND RADU LUPU

Dresden / Semperoper: 7. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT CHRISTIAN THIELEMANN UND RADU LUPU – 4. 3. 2014

Unbenannt
Radu Lupu. Foto: Sächsische Staatskapelle
 

Das 7. Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden wurde, gestaltet von Christian Thielemann, Radu Lupu und der Kapelle zu einem Ereignis, einem Konzert der Sonderklasse, bei dem selbst die Skeptiker und Kritiker nur noch schweigen, genießen und schließlich begeistert applaudieren konnten.

 Bereits die ersten Takte von Franz Liszts Symphonischer Dichtung Nr. 4 für Orchester mit dem Titel „Orpheus“ ließen aufhorchen und Großes erwarten. In einer groß angelegten Gesamtkonzeption nahm Thielemann mit oft sehr sparsamen Gesten Einfluss auf das Orchestergeschehen, bei dem beinahe jedes einzelne Instrument in seiner jeweiligen Konstellation wahrzunehmen war, einschließlich der beiden Harfen, die die Assoziation an die griechische Sagengestalt wachriefen. Mit einem wunderbaren, großen Decrescendo klang diese Tondichtung schließlich langsam aus.

 Eine weitere Steigerung erfuhr das Konzert durch Ludwig van Beethovens „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G Dur op. 58 mit Radu Lupu am Flügel, dem Senior der bedeutendsten Pianisten in unserer Zeit und Capell-Virtuos der Staatskapelle in dieser Saison. Er wird demnächst mit Thielemann und der Staatskapelle auf Kapelltournee nach Frankfurt (Main), Wien und Baden-Baden gehen und außerdem eines seiner seltenen Klavier-Recitals (16.4. – Semperoper) geben.

 Äußerlich völlig ruhig und unspektakulär und doch so eindrucksvoll, entfaltete sich unter seinen Händen ein in jeder Phase wunderbar klingender Anschlag mit einer Fülle an Klangfarben und Nuancen, mühelos perlenden Trillern und kleinen Verzierungen. Er versteht die hohe Kunst des kultivierten Anschlages, mit dem er einen „runden Ton“ erzeugt, kraftvoll und feinnervig, ohne jede Härte im Fortissimo und mit einem Pianissimo, das noch bis in den letzten Winkel des Raumes zu hören ist.

 Welch feine, differenzierte Anschlagskunst und welch faszinierender Ausdruck! Ganz dem Charakter der Musik Beethovens auf der Spur, drang er mit tiefer Ernsthaftigkeit bis in die geistigen Tiefen des Werkes vor und ließ seinen Part in einer brillanten Kadenz „gipfeln“. Ohne zu übertreiben, hatte man den Eindruck der Authentizität mit Beethoven und seinem Klavierkonzert. Lupu und die Kapelle, die auf Thielemanns leiseste Bewegung reagierte, waren völlig konform, ein Geist und ein Gestaltungswille. Es war Beethoven vom Feinsten und Besten.

 Im Kontrast dazu stand Richard Strauss‘ „Ein Heldenleben“ (op. 40). Über den Inhalt der Tondichtung für großes Orchester wurde und wird viel gestritten. Die Meinungen gehen auseinander, ob sich nun Strauss in „Selbstbeweihräucherung“ als „Held“ gesehen hat, oder, den Titel allzu wörtlich nehmend, allgemein das Leben eines Helden gestalten wollte, was jedoch seinem Naturell widersprechen dürfte, denn erstens war damals die „romantisierende „Heldenzeit“ (vgl. „Guntram“) längst vorbei und zweitens äußerte er seinem Freund Romain Rolland gegenüber: „Ich bin kein Held. Mir fehlt die nötige Kraft; ich bin nicht für die Schlacht gemacht; ich ziehe es vor, mich zurückzuziehen, Ruhe und Frieden zu genießen …“.

 Im Zweifelsfalle sollte man die Musik „sprechen“ lassen. Da wird alles gesagt, zumal in einer solch klaren Interpretation wie bei diesem Konzert. Da schwang die Selbstironie nicht nur im Titel mit. Strauss fühlte sich als „Held“ auf geistigem Gebiet und „als ebenso interessanten Gegenstand der Forschung wie Nero oder Napoleon“, wie er in einem Kommentar – natürlich humorvoll – zum Besten gab. Trotz der „Widrigkeiten“ des Lebens, der immer wieder „giftigen“ und „gefährlichen“ Angriffe der Kritiker, die seine Arbeit zu „hemmen“ und ihn in seinem Streben zu irritieren drohten, und seiner zunächst sehr „gestrengen“ Gattin, die „Ordnung“ in sein Leben brachte, entwickelt sich der „Held“ zum „Durchreißer“ und siegt schließlich trotz aller „Gegenwehr“ und Angriffe, nicht zuletzt mit Hilfe seiner schließlich doch zärtlichen Gefährtin, die sich ganz an seine Seite stellt und den bösartigen, „furchterregenden“ Kampf auf ihre Art mit Spott und Ironie zum Verstummen bringt.

 Köstlich, wie hier erst von der Flöte, dann von Holzbläsern und dem tiefen Blech das chromatische und atonale „Quietschen“ und „Knurren“ der Gegner mit ihren aufdringlichen Kleinlichkeiten, symbolisiert wurde, mit einem „neckischen“ musikalischen „Schwänzchen“ am Ende. Man vermutet sogar, dass sich das ominöse viertönige Leitmotiv von Tenor- und Basstuba in Quintparallelen (was nach streng klassischen Kompositionsregeln „verpönt“ war), auf den Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick bezieht, der auch gegen Richard Wagner „zu Felde“ zog, sonst aber ein gesundes Urteilsvermögen besaß.

 Das Thema des „Helden“ brachten die hervorragenden Trompeten zum Klingen und das von „des Helden Gefährtin“ die sehr sichere, sehr schöne Solo-Violine der 1. Konzertmeisterin der Staatskapelle, Yuki Manuela Janke, die die „zarte Melodie“ in einem ersten Erscheinen des Themas, einer langen, schönen Kadenz und schließlich, völlig konform mit dem Orchester, alles „überstrahlend“ nach dem „Sieg“ sehr eindrucksvoll und in hoher Qualität zu Gehör brachte.

 Die Spannung ließ auch über die Aufführungsdauer von ca. 50 Minuten (Nonstop) nicht nach. Ehrlich gesagt, das „Heldenleben“ habe ich schon oft gehört, aber noch nie so plastisch, so klar, noch nie so deutlich ironisch die Kritiker herausgehört und noch nie das Werk in seinem Inhalt so tief emotional ausgelotet und die heftigen Forte-Passagen der „entfesselten Gewalten“, die den Helden, der sich immer wieder durchsetzt, zu verschlingen drohen, trotz aller Wucht so durchsichtig bzw. durchhörbar und mit einem solch schönen, nicht vom Orchester zugedeckten, Violinsolo bei atemloser Stille im Opernhaus erlebt. Das empfanden auch junge Leute, die sich noch nie von einem „klassischen“ Konzert so angesprochen gefühlt haben wie an diesem Abend.

 Diese Interpretation machte dem Werk alle Ehre. Man kann darunter verstehen, was man will, Held oder Ego, es ist ein wunderbares Werk, aus meiner Sicht eine herrliche Selbstironie im Getümmel des Lebens, die natürlich auch ins Allgemeine überhöht werden kann.

 Mit den wunderbaren, klangvollen lyrischen Passagen (eine Spezialität der Kapelle) a la Liszt, wenn der Held gesiegt hat und wieder Ruhe findet, sein kompositorisches Schaffen unbeirrt fortzusetzen, schloss sich der Kreis zum Beginn des Programmes und Liszts Tondichtung.

 Thielemanns Verdienst besteht neben einer möglichst exakten und werkgerechten Wiedergabe und dem Herausarbeiten der Klangschönheit der Kapelle mit ihren ausgezeichneten Instrumentalsolisten, vor allem auch in einer geistigen Durchdringung der aufgeführten Werke, die ihresgleichen sucht.

 Ingrid Gerk

 

 

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