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DRESDEN/ Semperoper: 6. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN

Abschluss des Bruckner-Zyklus unter Thielemann

29.01.2019 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: 6. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – ABSCHLUSS DES BRUCKNER-ZYKLUS UNTER CHRISTIAN THIELEMANN – 28.1.2019


Frank Peter Zimmermann und die Sächsische Staatskapelle unter Thielemann mit dem Violinkonzert von Mendelssohn-Bartholdi. Foto: Semperoper

Mit einer grandiosen Aufführung der „Symphonie Nr. 2 c‑Moll“ (WAB 102) im 6. Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden vollendeten Chefdirigent Christian Thielemann und die Kapelle ihren Bruckner-Zyklus, der in der vergangenen Saison begann und seit der Aufführung der ersten Bruckner-Symphonie Künstler und Publikum gleichermaßen beeindruckte. Bevor nun als letzte Symphonie dieser Reihe Bruckners „Zweite“ mit ihren gewaltigen Dimensionen erklang, wandten sich Dirigent und Orchester einer ganz anderen Klangwelt zu, dem „Konzert für Violine und Orchester e‑Moll (op. 64) von Felix-Mendelssohn-Bartholdy mit Capell-Virtuos Frank-Peter Zimmermann als Solist.

Das Symphoniekonzert fand wie immer an drei aufeinanderfolgenden Tagen statt (26., 27., 28.2.) und hinterließ (verständlicherweise) etwas unterschiedliche Eindrücke. Im letzten Konzert (28.1.) wurden noch einmal alle Kräfte gebündelt, so dass es den nachhaltigsten Eindruck hinterließ und die bevorstehende Konzertreise mit gleichem Programm nach Wien, Baden-Baden, Frankfurt (mit dem Violinkonzert von Robert Schumann statt Mendelssohn) und Hamburg in hellstem Licht erscheinen ließ. An diesem Abend waren alle Beteiligten auf gleicher Wellenlänge ganz im Dienst der aufgeführten Werke.

Mendelssohns Violinkonzert wurde von Solist und Orchester mit bewundernswerter Leichtigkeit musiziert. Zimmermann brillierte mit weichem, geschmeidigem Strich, schlanker Tongebung, großer Kantilene, sehr feiner, sensibler Kadenz (original Mendelssohn) und leisesten Pianissimi, die noch im entferntesten Winkel in ihrer verhauchenden Stille zu hören waren. Die Kapelle brachte mit ihren feinsinnigen Streichern und sehr sensiblen, klangschönen Bläsern ihren hinreißenden Klang ein, der besonders in lyrischen Passagen zur Geltung kommt.

Solist und Orchester verstanden sich „blind“ in völliger Übereinstimmung, so dass auch die publikumswirksamen Gesten des Solisten, wie sie heutzutage üblich sind (bei Zimmermann in dezenter Weise), eigentlich nicht nötig waren. Thielemann ließ ihm und der Kapelle freie Entfaltungsmöglichkeiten und nahm nur vorsichtig, aber dennoch spürbar Einfluss hinsichtlich einer klaren Struktur. Da hörte jeder der Beteiligten auf den anderen und reagierte nur im Sinne einer idealen gemeinsamen Wiedergabe dieses Violinkonzertes. Als besonders schönes Detail, wie es so wohl kaum sonst zu hören ist, nahm das Fagott im Übergang vom „Allegro“ (1. Satz) zum „Andante“ (2. Satz) die zarten, sensiblen Linien auf und führte sie „singend“ weiter.

Die Bravos, die am Ende durch den Zuschauerraum gingen, waren ganz im Sinne aller Anwesenden. Da das begeisterte Publikum unbedingt noch mehr hören wollte, entschied sich Zimmermann an diesem Abend für eine (im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen) polyphone Zugabe für Violine solo in sehr individueller, (sehr) freier Interpretation und verhaltener Leidenschaft bei sehr zügigem Tempo.

In eine ganz andere geistig-musikalische Welt führte danach Bruckners „Zweite“. Thielemann, der sich wie kaum ein anderer in diese Gedankenwelt mit äußerster Konzentration bis an die Grenzen – auch die persönlichen physischen – hineinversenkt, spürte Bruckners Intentionen mit der Kapelle akribisch mit allen Feinheiten und Nuancen bis ins letzte Detail im Wechsel zwischen lautstarker Euphorie und sehr feinen, klangschönen Passagen nach. Polarisierend ergaben sich folgerichtig in fließenden Übergängen zwei gegensätzliche und doch zusammengehörige Welten: riesige Klangballungen, die sich folgerichtig aus gewaltigem Crescendo bis zu monumentaler Kraftentfaltung in konformem Zusammenwirken aller beteiligten Instrumente mit sehr gutem Gesamtklang des Orchesters ergaben und in langem, feinem Decrescendo sich aufbauende transparente, sehr klangvolle Passagen, eine „Spezialität“ der Sächsischen Staatskapelle, die mit bestechendem Feingefühl eine beschaulichere Stimmung wie einen verklärenden Blick in „himmlische“ Ideallandschaften assoziierten. Auch hier fielen wieder die besonders feinen Bläser auf.

Thielemanns Engagement lässt Bruckners Musik in ihrer ganzen Tiefe und Tragweite erleben. Die Kapelle folgte ihrem Maestro in jeder Phase mit faszinierender Genauigkeit. Da stimmte einfach alles, jeder Satz, jede Passage, jeder Takt und jeder Ton bis ins feinste Detail und selbst die als Gestaltungselemente mitwirkenden Pausen.

Diese Aufführung der „2. Symphonie“ war ein grandioser, ein würdiger Abschluss des gesamten Bruckner-Zyklus, der jede seiner Symphonien mit Intensität erschloss. Es war eines jener außergewöhnlichen Konzerte, die das Glücksgefühl, etwas Großartiges miterlebt zu haben, hinterlassen.

 Ingrid Gerk

 

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