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DRESDEN/ Semperoper: 4. AUFFÜHRUNGSABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN ZUM 150. GEBURTSTAG VON RICHARD STRAUSS

Dresden / Semperoper: 4. AUFFÜHRUNGSABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN ZUM 150. GEBURTSTAG VON RICHARD STRAUSS 15.5.2014

 Christian Thielemann ist zwar schon lange in Dresden „angekommen“, aber jetzt leitete  er erstmals einen Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle Dresden mit selten gespielten Instrumentalwerken des diesjährigen Jubilars Richard Strauss, der sehr enge Beziehungen zu Dresden und der Kapelle pflegte. Diese Beziehung erstreckte sich nicht nur auf die Uraufführung von 9 seiner 11 Opern unter seinem „allertreuestem  Leibdirigent“ Ernst von Schuch, dessen Todestag sich am 10.5. dieses Jahres zum 100. Male jährt und an den im Stadtmuseum mit einer Ausstellung erinnert wird.

 Der 4. Aufführungsabend bildete den Auftakt zu einer Reihe von Konzerten, mit denen die Staatskapelle unter der Leitung von Christian Thielemann den 150. Geburtstag von Richard Strauss würdigt. Am 8. und 9.6. erklingen im 11. Symphoniekonzert die »Alpensinfonie« und »Letzte Lieder« mit Anja Harteros (u. a. »Malven« in der Orchestrierung von Wolfgang Rihm) und am 11.6., dem eigentlichen Geburtstag Auszüge aus allen 9 Dresdner Uraufführungsopern mit Christine Goerke, Anja Harteros und Camilla Nylund.

 Der Grundstein für die jetzige „Strauss-Pflege“ und Freundschaft des Komponisten zu Dresden wurde durch den „Tonkünstler-Verein zu Dresden“, aus dem die „Kammermusik der Sächsischen Staatskapelle“ hervorgegangen ist, gelegt, als 13 Mitglieder der Kapelle 1882 die „Serenade Es‑Dur (op. 7) für 13 Blasinstrumente“ des 17jährigen Gymnasiasten Richard Strauss aufführten. Danach war dieser dem Tonkünstler-Verein sehr verbunden. 1883 trat er persönlich als Pianist auf und später als Dirigent und führte u. a. seine „Cellosonate (op. 6) auf. 1904 wurde er dann zum Ehrenmitglied ernannt. Im „schönen (Dresdner) Tonkünstlerverein … (hat) so ziemlich meine öffentliche Laufbahn begonnen“, der als „eine der ersten Kunststätten … ihre gastlichen Pforten geöffnet hat“, bekannte er später.

 Diese einstige Aufführung wurde nun nach langer Zeit wiederholt und erfreute die überaus zahlreich erschienenen Musik- und Strauss-Liebhaber. Die Serenade ist noch ganz an der Klassik, vor allem an Mozart, orientiert, aber schon in „romantisches Licht getaucht“ und voller Überraschungen. Es war Bläsermusik vom Feinsten, bei der die sehr ansprechende Komposition, die bereits die Genialität eines Genies erkennen lässt, durch die makellose Wiedergabe der Kapellmusiker, von allen Beteiligten sehr sauber geblasen, kongenial untereinander abgestimmt und mit den berühmten Feinheiten der Kapelle ausgeführt, in all ihrer musikalischen Schönheit zur Geltung kam. Thielemann ließ die Musiker vor allem in ihrer speziellen Musizierweise gewähren und gab mit dezenten Gesten nur leise Andeutungen zu noch weiterer Verfeinerung.

 An reinen Orchesterwerken widmete Strauss der Kapelle nicht nur die „Alpensinfonie„, sondern vertraute dem Tonkünstler-Verein zu seinem 90jährigen Bestehen in Dankbarkeit auch die 62 Jahre später komponierte „Sonatine Nr. 1 F‑Dur für 16 Blasinstrumente“ »Aus der Werkstatt des Invaliden« an, ein Spätwerk, das er im Alter nach vorausgegangenen Krankheiten komponierte und in seiner Selbstironie als „Handgelenksübung“ bezeichnete, „damit das vom Taktstock befreite rechte Handgelenk nicht vorzeitig einschläft“, als eine „Schreibtischvergnügung“ zum „Zeitvertreib“, „da man nicht den ganzen Tag Wieland lesen oder Skatspielen kann“.

 Es ist aber wesentlich mehr. Vom zeitlichen Umfang her hat diese äußerst selten aufgeführte „Sonatine“ fast symphonischen Charakter. Dass sie so selten aufgeführt wird, mag auch daran liegen, dass sie von Strauss dem Tonkünstler-Verein ausdrücklich zur alleinigen Aufführung gewidmet wurde und er selbst eine Rundfunkübertragung aus diesem Grunde ablehnte. Trotz des dramatischen Weltgeschehens der Entstehungszeit 1944/45 ist sie von überwiegend heiterem Charakter, eine „Werkstattändelei“, wie er es nannte. Es mag seinem Naturell entsprochen haben, dass er sich mit dieser relativ heiteren „Werkstattarbeit“ vom entsetzlichen Weltgeschehen ablenken und für sich einen Gegenpol suchen wollte. Die Nähe zum „Rosenkavalier„, „Till Eulenspiegel“ sowie seinen späten Opern ist unverkennbar.

 16 Kapell-Musiker erwiesen sich hier als ein Wunder an Kondition und Konzentration, exzellenter Tongebung, „handwerklichem“ Können und musikalischem Verständnis, ganz der Musikerpersönlichkeit Richard Strauss verhaftet. Es war ein Musizieren auf höchstem Niveau, ohne jeden „Fehl und Tadel“, durchsichtig und klangschön, abwechslungsreich und mit einem besonderen Gespür für Strauss. Nicht umsonst bedankte sich Thielemann bei jedem einzelnen Musiker mit der Hand und stellte sich während des begeisterten Beifalls unter die Musiker als „Erster unter Gleichen“.

 Der reinen Bläsermusik wurden mit den „Metamorphosen“ (o.op. 142) reine Streicherklänge entgegen gesetzt. Obwohl das Werk kurz vor Kriegsende (2.4.1945) vollendet wurde, als Deutschland in Trümmern lag, alle seine Wirkungsstätten, die Opernhäuser und Konzertsäle seiner erfolgreichen Opern- und Konzertaufführungen zerstört waren und damit sein künstlerisches Leben, stellt das Werk kein Entsetzen, keinen Aufschrei dar, sondern seine persönliche Erschütterung, ein ruheloses Suchen ohne zu finden, ein steter Übergang von einer Harmonie in die andere in immerfort währenden Verwandlungen der musikalischen Gedanken. Dieses enge Verschmelzen der Streicherstimmen in einer düsteren Situation boten die Streicher der Sächsischen Staatskapelle in bewundernswerter Eindringlichkeit und Harmonie – erschütternde Trauer in Schönheit. In dieser Vollendung und Hingabe zelebriert, hatten die Worte „in memoriam“, die Strauss in sein Manuskript schrieb eindringliche Bedeutung. Die Ergriffenheit von Musikern und Zuhörern äußerte sich in einem langen „beredten“ Schweigen. Hier wurde die Musik zur deutlichen Sprache, die bewusst oder unbewusst verstanden wurde.

 Mit reiner Bläsermusik und reiner Streichermusik vom Feinsten ehrte die „Kammermusik der Sächsischen Staatskapelle“ im Jubiläumsjahr den ihr zu Lebzeiten eng verbundenen Komponisten und traditionell mit seinen Werken immer gegenwärtigen Komponisten Richard Strauss.

 Das Konzert wurde durch MDR Figaro aufgezeichnet. Sendetermin: 27.5., 20.05 Uhr.

 Ingrid Gerk

 

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