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DRESDEN/ Semperoper: 3. AUFFÜHRUNGSABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN

Dresden / Semperoper: 3. AUFFÜHRUNGSABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN 29. 4. 2014

 Traum eines jeden Geigers ist es, auf einer Stradivari zu spielen. Im Besitz der Sächsischen Staatskapelle Dresden gab eine, übriggeblieben von 12 Geigen, die Stradivari eigens für die damalige Dresdner Hofapelle gebaut hatte, dem damals europaweit gerühmten Orchester, aus dem die Sächsische Staatskapelle hervorgegangen ist. Aber auch dieses letzte Instrument hatte ein trauriges Schicksal, vor 100 Jahren setzte sich jemand ausgerechnet auf diese Violine, wodurch sie in viele „Einzelteile“ zerfiel und völlig unbrauchbar wurde. Jetzt wurde sie in mühevoller Kleinarbeit akribisch restauriert und bei diesem Aufführungsabend von Kai Vogler, einem der 1. Konzertmeister der Sächsischen Staatskapelle gespielt. Er hat die Rekonstruktion betreut und schien mit dem Instrument verwachsen zu sein. Ihm gelang es, bei Antonin Dvoráks „Romanze für Violine und Orchester f-Moll“ (op. 11) diesem Instrument die Töne zu entlocken, die das Einmalige, das „gewisse Etwas“, dieser Instrumente ausmachen und „zu Herzen gehen“, bewusst oder unbewusst. Er hatte sich aufs Romantische verlegt und mit viel Bedacht und geschmeidigem Ton die Violine aufs Schönste zum Klingen gebracht.

 Nach der mit Hingabe gespielten Einleitung verfiel das, von der südkoreanischen Cellistin und Dirigentin Han-Na Chang geleitete, Orchester in ungewohnte Nüchternheit und mitunter sogar Härte, die nicht so ganz zu dieser Romanze passen wollte. Nur manchmal kam der gewohnte hingebungsvolle Klang der Kapelle wieder durch.

 Han-Na Chang gab mit diesem Aufführungsabend ihr dirigentisches Debüt bei der Sächsischen Staatskapelle, nachdem sie schon mehrfach mit der Kapelle als Cellistin mit Haydn, Schumann und Dutilleux gastiert hatte. Seit 2013 leitet sie als Musikdirektorin das Oatar Philharmonic Orchestra an der arabischen Ostküste und ist Erste Gastdirigentin beim Trondheim Symfoniorkester.

 W. A. Mozarts Symphonie g‑Moll(KV 183) schien ihr emotional fremd zu sein. Mit forschem Tempo orientierte sie beim 1. Satz auf strenge Sachlichkeit, die ein Vertiefen in Mozarts Wesensart, ein Ausspielen der liebenswerten Details, denen die Kapelle hin und wieder doch auf der Spur war, nur selten zuließ. Den 2. Satz im Kontrast zum 1. Satz nur elegisch zu spielen, traf den eigentlichen Charakter des Werke auch nicht wirklich, obwohl die Musiker schon fast zu ihrer gewohnten qualitätsvollen Spielweise zurückfanden. Erst beim 3. Satz setzten sie sich mit ihrer gewohnten Musizierweise durch. Die gut aufeinander eingespielten Musiker versuchten mit ihrer Musikalität und ihrem Klangsinn Mozart dennoch gerecht zu werden, und es gab eine relativ schöne Bläserpassage.

 Die Musiker spielten zwar weitgehend in gewohnter Weise Mozart mit seiner Ausdrucks- und Gefühlstiefe, aber es fehlte die große Linie durch das Dirigat. Han-Na Chang hat offenbar noch kein besonderes Verhältnis zu Mozart gefunden und wollte das Werk durch Tempo und Strenge „reformieren“. Offenbar hatte sie die Symphonie noch nicht so recht verstanden und deshalb ziemlich „lieblos“ dirigiert. Das war besonders schade, weil neben Richard Wagner und Richard Strauss auch Mozart eine der Spezialitäten der Kapelle ist. Mozart ist kein, sich traditionell in den Konzertprogrammen haltender, schöngeistiger „Unterhaltungskomponist“, sondern ein ganz Großer der Musik!

 Es ist leider ein sich immer mehr ausbreitender Irrtum, dass Mozarts Musik „mit links“ dirigiert und auf seine liebenswürdige Seite reduziert werden könnte! Mozart kann nicht einfach „heruntergespielt“ werden. Seine Musik ist in ihrer Gedankentiefe doch nicht so leicht zu erfassen und aufzuführen, wie es scheint. Seine Musik bedarf keiner Neuerung, sondern einem Nachspüren der enthaltenen Qualitäten, denn unter einer gefälligen Oberfläche seiner Kompositionen verbergen sich Genialität, Gedanken- und Gefühlstiefe.

 Bei Bela Bartoks „Divertimento für Streichorchester (Sz 113) war Han-Na Chang dann in ihrem Element. Sie schien sich ganz darauf konzentriert zu haben. Hier wurde die Spezifik des Werkes intensiv herausgearbeitet und mit Feingefühl dem Charakter des Werkes in all seinen Facetten nachgespürt. Da öffnete sich eine ethnographisch bedingte Gefühlswelt einer europäischen Region in ihrer Vielfalt, klangen Volkstänze in ihrer fremdartigen Mentalität an, hoben sich zwei, mit Sensibilität gespielte, Kantilenen der Solovioline und Bratsche heraus, spannte sich ein großer musikalischer Bogen mit entsprechender emotionaler Steigerung im groß angelegten Crescendo, bei dem die Musiker trotz angespanntem Tempo ganz unisono, in völliger Übereistimmung spielten und das Stück in einem ebenso großangelegten Decrescendo mit dem leisesten, und doch gut wahrzunehmenden Pianissimo enden ließen. Sie spielten feinnervig und perfektioniert unter Han-Na Changs Leitung, denn das sind die besonderen Qualitäten der Kapelle.

 Ingrid Gerk

 

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