Philipp Zeller, Carlo Goldstein. Foto: Sächsische Staatskapelle
DRITTER UFFÜHRUNGSABEND DER SÄCHSISCHEN STAATKSAPELLE DRESDEN MIT JÜNGEREN KÜNSTLERN UND SELTEN GESPIELTEN WERKEN- 7.5.2018
Der 3. Aufführungsabend der Sächsischen Staatskapelle Dresden in dieser Saison brachte die Begegnung mit zwei besonderen jüngeren Künstlern, dem Dirigenten Carlo Goldstein, der zum 1. Mal in der Semperoper am Pult der Staatskapelle stand, nachdem er 2016 bei den Internationalen Schostakowitsch Tagen in Gohrisch zu erleben war, und dem Solofagottisten der Staatskapelle, Philipp Zeller, sowie drei selten gespielten Werken, einem neueren, bedeutsamen und – sehr zur Freude des Publikums – zwei romantischen „Ohrwürmern“.
Carlo Goldsteins Karriere begann 2009 mit dem Ersten Preis beim Internationalen Dirigentenwettbewerb in Graz. Seitdem macht er die internationale Musikwelt mit Dirigaten von Opern (Verdi) und Konzerten in Spanien (Valencia), Italien (u. a. Brescia), Seoul und Israel auf sich aufmerksam.
Philipp Zellers Karriere – auch als Solist, Kammermusikspieler und Initiator des 2006 gegründeten Trios „Elego“ in der außergewöhnlichen Besetzung Klarinette, Fagott und Klavier – begann ebenfalls mit einem Wettbewerb, dem Deutschen Musikwettbewerb (DMW), dem weitere Preise bei renommierten Wettbewerben folgten. Seit 2009 war er Solofagottist der Dresdner Philharmonie, 2015 wechselte er zur Sächsischen Staatskapelle.
Eröffnet wurde der Aufführungsabend mit der „Kammersymphonie Nr. 1 EDur“ für 15 Soloinstrumente (op. 9) von Arnold Schönberg, ein für die musikalische Moderne richtungweisendes Werk, aber auch sein „Schmerzenskind“, mit dem er gern mehr Erfolg gehabt hätte, der jedoch wegen „schlechter Aufführungen!!“, wie er sich beklagte, ausblieb, obwohl er es zu seinen „allerbesten Sachen“ zählte. „Ich glaubte, dass ich jetzt meinen eigenen persönlichen Kompositionsstil gefunden hätte und erwartete, dass alle Probleme … gelöst wären. So dass ein Weg aus den verwirrenden Problemen gewiesen wäre, in die wir jungen Komponisten durch die harmonischen, formalen, orchestralen und emotionalen Neuerungen Richard Wagners verstrickt waren“ resümierte er und fühlte sich unverstanden.
In dem 22minütigen Stück sucht Schönberg die Distanz zu dem damals vorherrschenden orchestralen Monumentalklang, zu dem aber Goldstein – wie es schien – die kleine Gruppe von Flöte, Oboe, Englischhorn, 2 Klarinetten, Bassklarinette, Fagott, Kontrafagott, 2 Hörnern und Streicher immer wieder animieren wollte, die jedoch mit feinem Gespür – wie es Schönberg vorschwebte, kammermusikalisch – der Struktur des einsätzigen Stückes mit seiner „Mehrsätzigkeit in der Einsätzigkeit“, d. h. den „vier enthaltenen rudimentären Sätzen in einem einzigen großen Satz“, in „komplexem Zusammenspiel“ als „große Polyphonie“, nachspürten und in klangvollen Passagen zu Gehör brachten.
„Das ist merkwürdig: Leidenschaft, das können alle!“ mahnte Schönberg anlässlich einer Aufführung „ Aber Innigkeit, die keusche, höhere Form der Gefühle, scheint den meisten Menschen versagt zu sein“. Er wollte sein Werk keinesfalls leidenschaftlich gespielt wissen, sondern „mit gesteigerter Innigkeit“, und diesen Wunsch erfüllten ihm die Musiker, indem sie in diesem Sinne musizierten.
Carl Maria von Weber schrieb sein „Konzert für Fagott und Orchester F-Dur“ (op. 75) – wie viele seiner von den Solisten der Münchner Hofkapelle heiß begehrten Solokonzerte, zu denen auch die beiden bekannten Klarinettenkonzerte gehören, auch für einen Solisten dieser Kapelle, den Solofagottisten Georg Friedrich Brandt, mit allen Raffinessen an Virtuosität und Klangschattierungen. Jetzt spielte der Solofagottist der Sächsischen Staatskapelle, Philipp Zeller dieses anspruchsvolle Solokonzert mit sichtlicher Musizierfreude, Tonreinheit und Klangschönheit und konnte neben den Besten seines Faches durchaus bestehen.
In einer breit gefächerten Ausdrucksskala zeigte er in virtuosem Spiel alle klanglichen Möglichkeiten seines Instrumentes und seines Könnens, aber auch eine sehr gute Gestaltung. Er arbeitete gewissenhaft alle Feinheiten, bewältigte mit scheinbarer Leichtigkeit den 1. Satz mit dem rhythmisch markant dominierenden Thema, ließ seine Meisterschaft bei der Gestaltung der kantablen Passagen des „Adagio“ (2. Satz) erkennen und bewältigte im abschließenden 3. Satz („Rondo.Allegro“) die großen Intervallsprünge, raschen Figuren und virtuosen Extras mit gutem Klang, Kondition und Kontinuität, was vom Publikum mit vielen Bravos honoriert wurde. Das Orchester begleitete ihn, dezent mitgestaltend.
Goldstein hielt sich zurück, um die besondere Harmonie zwischen Solist und Orchester beim Musizieren auf völlig gleicher Wellenlänge nicht zu „stören“. Die Musiker verstehen sich „blind“ bzw. nach Gehör. Hier waren sie sozusagen „unter sich“. Was bei einer solchen Wiedergabe und Webers eingängiger Melodik sowie seinem gefälligen Kompositionsstil wie selbstverständlich wirkt, setzt jedoch hohes Können voraus.
Die „große Stunde“ war für Goldstein mit der „Symphonie Nr. 3 a Moll“ (op. 56), der »Schottischen« von Felix Mendelssohn Bartholdy gekommen, seiner „vollendetsten Symphonie“ und seiner persönlichsten, die nach einer Reise zu den schottischen Highlands und den verfallenen Orten der Erinnerung an Maria Stuart entstand. Hier verlieh Goldstein seinen Intentionen Ausdruck. Er gestaltete die, von der fremdartigen Landschaft inspirierte Sinfonie – wie in der Partitur vermerkt, ohne große Pausen zwischen den Sätzen – als ein in sich geschlossenes großes „Tongemälde“.
Weniger die Düsternis der Landschaft betonend, als eher das Besondere, das Fremdartige mit seiner Anziehungskraft, verband er den sinfonischen Zyklus zu einer unmittelbar miterlebbaren „Reise“, nahm den 2. Satz mit seiner von der schottischen Folklore inspirierten Melodik und Rhythmik locker beschwingt, den kantablen 3. Satz entsprechend seiner atmosphärischen Stimmung leichter, fast „schwebend“ und den 4. Satz mit seinem Finale ausgelassen-festlich und mit Vehemenz und ließ die Zuhörenden eintauchen in diese Welt von Eindrücken und Gefühlen in fremder Umgebung mit dem Reiz des Andersartigen.
Ingrid Gerk