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DRESDEN: Semperoper: 10. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT HÉLÈNE GRIMAUD UND PAAVO JÄRVI

Dresden / Semperoper: 10. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT HÉLÈNE GRIMAUD UND PAAVO JÄRVI 13.5.2014

 Die Järvis sind schon beinahe eine „Dirigentendynastie“. Nachdem der „Stammvater“, Neeme Järvi, schon mehrfach am Dirigentenpult der Sächsischen Staatskapelle Dresden stand, leitete nun sein ältester Sohn, Paavo Järvi (der jüngere, Kristjan Järvi, ist Leiter des MDR Sinfonieorchesters in Leipzig), das 10. Symphoniekonzert, bei dem als Besonderheit Mitglieder des, auf Initiative von Claudio Abbado 1986/87 in Wien gegründeten, Gustav Mahler Jugendorchesters (GMJO) im Rahmen einer intensiven Partnerschaft mitwirkten.

 Prominente Solistin des „Konzertes für Klavier und Orchester Nr. 1 d‑Moll(op. 15) von Johannes Brahms war Hélène Grimaud. Mit ihrem Solopart orientierte die zierliche, charmante Pianistin vor allem im 1. und 3. Satz sehr auf Virtuosität, Schnelligkeit und Kraft, weniger auf ein Ausschwingen der musikalischen Linien und Gedanken. Ihre Technik ist frappierend, die Treffsicherheit und enorme Geläufigkeit ihrer schlanken Finger bewundernswert, ihr Spiel beeindruckend, aber ihr Anschlag nicht ohne Härten, wodurch manch schöne Kantilene, die trotz aller Aufgewühltheit der Musik auch in diesem „Klavierkonzert“ vorhanden ist, und die Sensibilität des Klavierparts in den Hintergrund gerieten. Im 2. Satz legte sie bewusst Wert auf einen weicheren Anschlag und lyrische Passagen. Trotz aller Vehemenz und Virtuosität blieb aber in allem eine bewundernswerte Klarheit erhalten. Die Grimaud beeindruckte vor allem durch ihre sichere Technik und nicht zuletzt ihren Charme und ihre sympathische Persönlichkeit.

 Bei dem, für ein Klavierkonzert ungewohnt sinfonisch, am Beginn fast apokalyptisch anmutenden, Orchester mit seiner zerklüfteten Gedankenwelt setzte Järvi, entsprechend einem gegenwärtig üblichen Trend auf dominierenden Paukeneinsatz, und auch später bestimmten oft, von der Pauke gesetzte, Akzente und dumpfes „Paukengrollen“ das musikalische Geschehen. Trotz allem aber wurde durch Geschick und musikalisches Verständnis des Paukisten „das Ohr nie beleidigt“, wie es Mozart ausgedrückt hätte. Die ersten Violinen setzten mit Leidenschaft und Hingabe ein und widmeten sich dem ureigenen Charakter dieses Klavierkonzertes. Allein, wie die sehr feinen Bläser konform mit dem Orchester eine Passage prägten, beeindruckte nachhaltig.

 Es ist immer wieder zu beobachten, dass sich viele Dirigenten vorrangig auf neuere Komponisten konzentrieren und bei Werken der Klassik und Romantik zwar auf die Erfahrung des Orchesters bauen, aber durch Tempo und Paukenlastigkeit diese Werke „aufzufrischen“ meinen. Die Musiker der Sächsischen Staatskapelle verstanden Brahms‘ in seinem musikalischen Anliegen. Sie ergriffen ihrerseits die Situation, um mit ihren speziellen Fähigkeiten dem Werk Wärme und Klangschönheit zu verleihen.

 Es war eine ungewohnte, in ihrer Art durchaus auch reizvolle Wiedergabe. Vielleicht bestand bei dieser Aufführung der Reiz gerade im Kontrast zwischen der kühleren Virtuosität der Solistin und dem hingebungsvollen Gestalten des Orchesters, dessen Mitglieder mit ihrem technischen Können, tiefem musikalischem Empfinden und Werkverständnis dem Brahms’schen Duktus sehr nahe kamen.

 Ganz anders verhielt es sich bei Béla Bartóks Konzert für Orchester(Sz 116). Hier wurde Järvis Werkvorstellung deutlich. Hier hatte er „die Fäden in der Hand“ und spannte große Bögen um das gesamte Werk. Bereits der Anfang wurde regelrecht „zelebriert“. Die Kapelle brachte sich mit ihren großartigen Fähigkeiten ein, um das Werk in Gänze zu gestalten und trotzdem alle Passagen und Details feinsinnig auszuloten. Allein wie die Soloinstrumente und ganze Instrumentengruppen, wie Bratsche, Tuba, Violoncello, Flöte, Oboe, Fagott, Trompete, Horn, usw., die in diesem Konzert solistisch hervortreten, herauszuhören waren und aufs Schönste in die Gesamtkonzeption integriert wurden, war beeindruckend. Pauke und Schlagwerk waren hier besonders einfühlsam eingesetzt, und die besonders engagierten Ersten Geigen spielten mit Finesse.

 Die volkstümlichen Melodien, die Bartok zu Tausenden von Bauern in Osteuropa und sogar von Beduinen mittels Phonografen gesammelt und in sein kompositorisches Schaffen aufgenommen hat, traten in ihrer künstlerischen Überhöhung sehr plastisch hervor. Trotz des großen Orchesters war diese Aufführung in jeder Phase von Durchsichtigkeit und Klarheit geprägt. Man lernte dieses „Konzert“ in all seiner Vielseitigkeit kennen und wirklich verstehen. Es gab ausgelassen temperamentvolle Tänze in düsterem Bogen, vergleichbar Bartóks Oper „Herzog Blaubarts Burg„, feinstes Pianissimo und einen triumphalen Schluss, aber vor allem eine sehr gute Gesamtkonzeption.

 Ingrid Gerk

 

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