Dresden, Moritzburg und Umgebung / STREIFLICHTER VOM MORITZBURG FESTIVAL – 6. – 21.8.2016
In diesem Jahr findet das Festival für Kammermusik in dem idyllischen Ort Moritzburg bei Dresden unter der künstlerischen Leitung des international bekannten und sehr geschätzten Cellisten Jan Vogler bereits zum 23. Mal statt. Es wurde 1993 von ihm und zwei seiner Freunde und damaligen Kollegen der Sächsischen Staatskapelle Dresden nach dem Vorbild des Marlboro Festivals (USA) ins Leben gerufen, um der Kammermusik, die bis dahin – vor allem unter jungen Musikern – eher ein Schattendasein führte, ein Podium zu geben.
Der reizvolle, 15 km nordwestlich von Dresden inmitten einer weitläufigen Teichlandschaft gelegene Ort Moritzburg mit seinem auf einer Insel im größten dieser Seen gelegenen Barockschloss, der in Sichtachse zum Schloss gelegenen und im Baustil harmonisch angepassten Jugendstil-Kirche sowie dem reizvollen Fasanenschlösschen mit seiner Miniaturhofhaltung ist geradezu prädestiniert für eine inspirierende Verbindung von Musik, Architektur, Natur und Bildender Kunst.
Es werden aber auch ungewöhnliche und weiter entfernte Veranstaltungsorte wie die Gläserne Manufaktur von Volkswagen für das Eröffnungskonzert mit Orchesterwerken – in diesem Jahr von G. Rossini, J. Brahms und R. Schumann unter der Leitung von Josep Caballé-Domenech – und die Flugzeugwerft in Dresden für eine Orchesterwerkstatt, das König-Albert-Theater in Bad Elster und die historische Dorfkirche im nahe gelegenen Ort Steinbach für das Konzert „Mostly Bach“ mit und um J. S. Bach mit einbezogen, denn das Festival, das sich inzwischen zum renommiertesten Kammermusik-Festival Deutschlands mit großer internationaler Ausstrahlung entwickelt hat, wächst und verzweigt sich immer weiter. Es bietet vor allem jungen, talentierten Musikern die Möglichkeit, gemeinsam mit älteren, erfahrenen Instrumentalisten zu proben und die gemeinsam erarbeiteten Programme einem interessierten Publikum vorzustellen.
Aus der Fülle der Veranstaltungen mit erlesener Orchester- und Kammermusik in Konzerten, teils mit vorangestellten Porträtkonzerten, einer „Langen Nacht der Kammermusik“, einem Konzert mit anschließendem Gala-Diner, „Musik-Picknick“, Komponistengesprächen und öffentlichen Proben seien hier „stellvertretend“ drei näher betrachtet. z. B. das traditionelle „PROSCHWITZER MUSIK- PICKNICK“ (7.8.), das bei schönem Wetter immer Open Air, bei Regen im Proschwitzer Schloss stattfindet und dem musikalischen Nachwuchs im Rahnen der Moritzburg Festival Akademie, die in diesem Jahr auf ihr 10jähriges Bestehen zurückblicken kann, eine attraktive Plattform bietet. Dafür stellt alljährlich Prinz zur Lippe die Wiese (oder die Bel Etage des Schlosses) seines, inmitten von Weinbergen idyllisch gelegenen, Schloss-Areals in Proschwitz (Ortsteil von Meißen) zur Verfügung.
Durch seine Initiative wurden Schloss, Park, Weinberge und das einzige, noch existierende private Weingut Sachsens aus einem desolaten Zustand – nach Enteignung und jahrzehntelanger Fremdnutzung – wieder zu einer stilvollen, sehr ansprechenden privaten Anlage, die auch Besuchern offensteht. Das Schloss im Neobarockstil, die Weinberge mit Blick auf Meißen und der Park mit seiner wieder neu erstandenen geometrisch-französischen Gartenanlage im Stil des frühen 18. Jh., einer überlebensgroßen Sandsteinfigur eines gerüsteten Kriegers aus dem 17. Jh., vermutlich ein Geschenk aus Fontainebleau (welchem Musikfreund kommt da nicht Verdis „Don Carlo“ in den Sinn) und einem mittelalterlichen Weinkeller bilden alljährlich den stimmungsvollen Rahmen für das Konzert am Sonntagvormittag.
Die Moritzburg Festival Akademie ist nicht nur ein Treffpunkt junger talentierter Künstler aus aller Welt zwecks gemeinsamen Musizierens, sondern auch eine Talenteschmiede mit viel Gespür bei der Auswahl außergewöhnlicher Begabungen. Zwei junge Geiger, die in den vergangenen Jahren bei der Moritzburg Festival Akademie als 1. Konzertmeister des Festival Orchesters fungierten sind jetzt bei den berühmtesten Orchestern der Welt engagiert. Der junge amerikanische Geiger Noah Bendix-Balgley, der 2008 als Konzertmeister des Moritzburg Festival Orchesters fungierte, ist seit 2014 Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, und der 27jährige kanadische Geiger Nikki Chooi, der 2014 Konzertmeister des Festival Orchesters war, ist seit 1.8.2016 Konzertmeister der Metropolitan Opera New York.
In diesem Jahr war das Programm der jungen Musiker auf Bläsermusik fokusiert, da diese für Open Air im Park besonders geeignet erscheint, aber die Tontechnik war so gut, dass auch bei reiner Streichermusik keine Wünsche offenblieben. Bei strahlendem Sonnenschein und nur kleinen Wölkchen am blauen Himmel, versuchte der Wind trotzdem mit den (Noten-)Blättern zu spielen, aber die Musiker hatten vorgesorgt. Die Stimmung war heiter und gelöst, aber auch konzentriert bei Ausführenden und Publikum, das dann ganz zwanglos auf der Wiese sitzt (oder liegt).
Als Auftakt spielten eine (sehr) junge Trompeterin und ein ebenso junger Trompeter 2 volkstümliche „Trompet Duets“ von Jean-Baptiste Arban (1825-1889), u. a. nach Donizettis „L’elisir d’amore“ , von denen später aus der gleichen Sammlung in gleicher Besetzung noch zwei weitere „Trompet Duets“ u. a. mit der berühmten „Last Rose of Summer“ folgten. Es war erstaunlich, was diese beiden jungen Trompeter schon leisteten. Da waren ein noch nicht so ganz geschmeidiger Ton und ein paar kleine, aufregungsbedingte „Kiekser“ verzeihlich. „Früh übt sich, was ein Meister werden will“.
Virtuos ging es dann bei der „Summer Music“, dem Bläserquintett op. 31 für Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn von Samuel Barber (1910-1981) zu. Die (sehr) moderne Musik mit ihren „schrägen Harmonien“ war etwas für die jungen Musiker. Sie spielten mit viel Begeisterung wie gefordert „Slow and indolent – with motion“.
Bei W. A. Mozarts „Divertimento D-Dur (KV 136 (125a) kamen die Streicher in klassischer Besetzung (1. und 2. Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass) zu ihrem Recht und bildeten einen schönen Kontrast zur Bläsermusik. Lediglich der Kontrabass-Part geriet eine Idee zu dominant.
Zu einem Gegenstück, dem „Bläserquintett Es-Dur (op. 88,2) von Anton Reicha (1770-1836) fanden sich fünf junge Musiker mit Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn zusammen und musizierten in schöner Harmonie. Sie orientierten bereits auf ein gutes Zusammenspiel durch das berühmte „Auf-einander-hören“. Flöte und Oboe gaben den guten Ton an, wobei die Oboistin eine bereits ausgeglichene reife Leistung bot.
Experimentelles und Nachdenkliches enthielt „Opus Number Zoo“, Children’s Play for Wind Quintet von Luciano Berio (1925-2003), bei dem in jedem der 4 ätze eine nachdenkliche „tierische“ Geschichte erzählt wird, was den Ausführenden schon bei der Probe viel Spaß gemacht hat, ihnen aber auch einiges abverlangte. Jeder hatte ein- oder mehrmals Text (in englischer Sprache) zu sprechen und unmittelbar danach zu seinem Blasinstrument zu greifen und zu spielen!
Danach fanden sich 4 junge Musiker in klassischer Quartett-Besetzung zu einer erstaunlich konformen und reifen Interpretation des „Streichquartetts Nr. 3 A-Dur (op. 73) von Dmitri Schostakowitsch zusammen.
Zum Abschluss versammelten sich 8 Bläser, von denen einige schon ihr Können bei den vorherigen Stücken unter Beweis gestellt hatten, zum „Bläseroktett Es-Dur ‚Parthia‘ (op. 103) von Ludwig van Beethoven.
Unter der Leitung der Violinistin Mira Wang„, die bei einigen Konzerten immer auch selbst zur Violine greift, hat sich die Moritzburg Festival Akademie innerhalb kurzer Zeit zu einer internationalen, innovativen und kreativen musikalischen Werkstatt und einem der wichtigsten Nachwuchs-Projekte Deutschlands entwickelt. Die jungen Künstler kommen aus 19 verschiedenen Ländern und von den verschiedensten „Schulen“ – etwa 55 % aus Europa, 30 % vom amerikanischen Kontinent und 15 % aus Asien – und trotzdem „sitzt“ das Programm oft schon nach der 2. Probe.
Zur Tradition gehören auch die 30minütigen, einem Konzert vorangestellten, Porträtkonzerte, in denen sich ein Musiker (oder zwei) des nachfolgenden Konzertes mit seinem Instrument vorstellt und Proben seines vielseitigen Könnens gibt. In einem „PORTRÄTKONZERT“ (13.8.) in der Moritzburger Kirche hat der Bratschist Lawrence Power nicht, wie sonst üblich, einige Worte zu seinem Instrument oder den Stücken, die er spielt, gesprochen, sondern sein Können für sich sprechen lassen.
„Nomern est omen“ schien er mit seinem Auftritt zu bekräftigen, denn mit „Power“ gestaltete er das kurze, auf der pentatonischen Tonfolge von 2 Takten des Anfangs von Béla Bartóks „Violakonzert“ beruhenden Stückes von Esa Pekka Salonen, das er 2015 in der Londoner Wigmore Hall uraufgeführt hat. Mit gekonnten, klangvollen Doppelgriffen, eindrucksvollem Glissando, sehr feinem Pianissimo, virtuosen Effekten, kurz, mit seinem enormen technischen Können, aber auch sehr schöner, warmer Tongebung und „durchsichtiger“ Gestaltung, die zuweilen auch an die Interpretation der Bachschen „Solosonaten und -suiten“ erinnerte, meisterte er die komplexen Harmonien, präsentierte er souverän und effektvoll aus einer ungewöhnlich zusammengestellten „Sammlung“ von zahlreichen Notenblättern den gesamten Umfang an Möglichkeiten der Viola, die Salonen in seiner ungewöhnlichen „Miniatur“ erkundet.
Nicht minder virtuos widmete er sich zusammen mit Antti Siirala, einem adäquaten Mitgestalter am Flügel, der sich perfekt anzupassen vermag, den „8 Stücken aus ‚Romeo und Julia‘ “ von Sergej Prokofjew in einem Arrangement für Viola und Klavier (Wadim Borisowski) und spürte auch der anklingenden Balletthandlung nach. Mit wohlklingendem, ausgeglichenem und vielgestaltigem Viola-Ton und einfühlsamem Klavier gestalteten beide mitreißend, in musikalischem und geistigem „Gleichklang“ mit viel gebändigtem Temperament dieses interessante Arrangement.
Im anschließenden „KONZERT“ (13.8.) wirkte Lawrence Power als Kammermusikspieler mit. Zunächst brachten Kai Vogler, Violine, Antti Siirala, Klavier und Narek Kakhnazaryan, Violoncello das „Klaviertrio g-Moll (op. 15) von Bedrich Smetana zu Gehör, das geprägt ist von der Trauer des Komponisten um den Tod seiner kleinen Tochter. Der Cellist vertiefte sich mit klangvoll singendem Ton in diese menschlich bewegende, gefühlvolle geistige Welt. Der Gesamteindruck der Interpretation durch die drei Musiker schien jedoch weniger auf Smetanas Mentalität und die im Stück enthaltenen Emotionen mit ihren zuweilen pathetischen, zuweilen sanften Klängen orientiert zu sein, was verständlicherweise in der Kürze der Probenzeit auch nicht zu erwarten war, sondern zweckmäßigerweise zunächst auf die ausführungstechnische Seite, ein perfektes Zusammenspiel – und auch Virtuosität, die schließlich in einer vehementen Steigerung den trotz allem positiv-optimistischen Schluss beinahe „überborden“ ließ.
Es ist immer wieder erstaunlich, mit welch frappierender Technik die Musikerinnen und Musiker aufwarten, so auch Benjamin Beilman, zusammen mit Jan Vogler Solist des Eröffnungskonzertes, und Paul Huang, Violinen, Lawrene Power und Pauline Sachse, Viola sowie Li-Wei Qin und Narek Hakhnazaryan, Violoncello beim „Streichsextett G-Dur“ (op. 36) von Johannes Brahms. Mit jugendlichem Feuereifer, Vehemenz und Enthusiasmus steigerten sie sich bis zu spieltechnischer Perfektion, die beim Publikum ganz besonders ankam. Anders als gewohnt, zeigten sie bewusst oder unbewusst eine andere, eine neue Sicht auf die Werke der Klassik und Romantik, die Sicht ihrer Generation, die auch anregen kann, die bisherigen Hörgewohnheiten zu hinterfragen.
Zwischen den beiden „Klassikern“ stand als erster Beitrag des diesjährigen Composer-in-Residence, des estnischen Komponisten Erkki-Sven Tüür, dessen „Fata Morgana“ auf dem Programm, ein einsätziges, etwa 15minütiges Klaviertrio, mit ausschließlich traditionellen Klängen, für die der Grundton C vom Klavier aus immer wieder als Orientierungspunkt fungiert. Die Tonleiter bildet mit ihrer einfachen Chromatik die Grundlage für schnelle, nur leicht sich verändernde Streicher-Figuren, die an Minimalmusik erinnern. Durch gewagte Intervalle, Quart- und Quintsprünge werden seltene Klänge erzeugt, wodurch der Eindruck einer Naturtonreihe erweckt und somit dem gesamten Stück eine Art Naturklang verliehen wird.
Tüür beschreibt damit „eine Art rauschhafte Vision, die in ihrer emotionalen Intensität mal zunimmt, sich dann wieder zurückzieht, um schließlich neue Traumbilder zu evozieren“. So changiert dieses Stück zwischen Natur und Kunst, nicht überfrachtet, nicht vordergründig – ungewöhnlich, aber vor allem musikalisch und emotional geprägt. Da der Komponist während des Festivals anwesend ist, hätte er Einfluss auf die Ausführung seines Stückes durch Paul Huang, Violine, Narek Hakhnazaryan, Violoncello und Mirjana Rajic, Klavier nehmen können. Dass er es nicht tat, begründete er im „KOMPONISTENGESPRÄCH“ (16.8.) vor dem Konzert, bei dem u. a. auch wieder ein kurzes, intensives Stück von ihm zu hören war. Als Composer-in-Residence stand der Komponist dem Festival-Intendanten Jan Vogler Rede und Antwort (in englischer Sprache, von Jan Vogler auch übersetzt) über seine Beweggründe, Komponist zu werden und sein Verhältnis zur Musik und zum Publikum.
Tüür möchte, dass sich die Ausführenden und das Publikum ein eigenes Bild von seinen Kompositionen machen, um die Vielfalt der interpretatorischen und emotionalen Möglichkeiten auszutesten. Jetzt gibt es keine Schulen, keine Regeln mehr, Musik zu schreiben wie noch in den 60er Jahren des 20. Jh. Die Musik ist frei in ihrer Vielfalt der Formen und Strukturen. Die baltischen Komponisten wie Arvo Pärt oder Pēteris Vasks haben wenig Einfluss auf ihn, er orientiert sich an der europäischen Avantgarde, orientiert auf rhythmische Kraft und komplizierte Konstruktionen und auch auf Atonalität (wobei er in seinen Werke doch immer wieder auch zu Ausgeglichenheit und einer Art Tonalität zurückfindet).
Musik bedeutet für ihn auch Kontakt mit dem Publikum. Er möchte mit seiner Musik die Menschen ansprechen. Sie sollen seine Kompositionen sehr individuell aufnehmen und ihre eigenen Erfahrungen machen.
Seine Neigung zum Komponieren entstand schon als Sieben- bis Achtjähriger am Klavier. Er wollte kein Instrument spielen, aber Musik interessierte ihn sehr. Er ließ sich schließlich in einer Musikschule einschreiben, gründete eine eigene Rockband, deren Sänger er auch war, und lernte durch das ständige Kommen und Gehen der meist 7 Mitglieder der Band und den dadurch entstehenden ständigen Wechsel der Instrumente vom Klavier über Flöte und Violine zu verstehen, was Musik bedeutet.
Im darauffolgenden „KONZERT“ (16.8.) im prunkvollsten Saal des Moritzburger Schlosses, dem Monströsensaal mit seinen wertvollen bemalten Ledertapeten, wurde kontrastierend zwischen zwei Quintetten der Romantik Tüürs „Streichquartett Nr. 2 mit der schillernden Bezeichnung „Lost Prayers“ („Verlorene Gebete“) aufgeführt, ein kurzes, sehr intensives Stück. Tüür schrieb es für den ARD-Wettbewerb, bei dem das Armida-Quartett damit damals den Sonderpreis erhielt.
Ganz anders als die zuvor gehörte „Fata Morgana“ geht es hier um „eine Wolke aus gefrorener Zeit“, einen Ort, wo all die ungehörten Hilferufe zu finden sein könnten. Dennoch schreibt Tüür keine Programmmusik. Seine Musik erscheint wie ein emotionaler Prozess, der mit einem gewaltigen „Missklang“ begann, dem Aufschrei der ungehörten Gebete und Hilferufe, dem weitere, von den Musizierenden harmonisch ausgeführte „Miss-Akkorde“ und schrille Töne, insbesondere bei den Violinen, folgten.
Benjamin Beilman und Chad Hoopes, Violinen, Pauline Sachse, Viola und Floris Mijnders, Violoncello vertieften sich ganz in das Werk und spielten mit Vehemenz, aber auch viel Einfühlungsvermögen, um dem organischen Fluss der Komposition zu folgen. Seinem Sujet zufolge strebt Tüür hier weg von den harmonischen Klängen und schließlich doch wieder zurück zu einer gewissen inneren Ausgeglichenheit. Es war für die Musiker nicht leicht, diese ungewöhnlichen Klänge auf Instrumenten zu erzeugen, die für harmonische Klänge gebaut wurden, aber sie verliehen diesen Klängen einen besonderen Reiz und machten die spezielle Vorstellungswelt des Komponisten erlebbar.
Eröffnet wurde der Abend mit dem „Streichquintett A-Dur“ (op. 18) des 17jährigen Felix Mendelssohn-Bartholdy, bei dem unterschwellig auch schon leise ein wenig von seinem „Sommernachtstraum“ anklingt und das von zwei, für sein gesamtes Werk typischen, Charakteristika geprägt ist, dem filigranen Tonfall, mit dem er die Romantik maßgeblich beeinflusste und seine Vorliebe für sein großes Vorbild J. S. Bach, weshalb hier in fast allen Sätzen die Fuge eine große Rolle spielt.
Chad Hoopes und Mira Wang, Violinen, Richard O’Neill und Kim Kashkashian, Viola und Floris Mijnders, Violoncello interpretierten das Quintett in konformem Zusammenspiel und mit viel Vehemenz in dem nicht allzu großen Raum. Sie betonten weniger die feinsinnige, sensible Seite Mendelssohns, als vielmehr die konstruktive, rationale, wobei aber auch sehr geschmeidige, sehr klangvolle Passagen anklangen und reizvolle (Zwie-)Gespräche zwischen den Instrumenten im komplexen Zusammenspiel an die romantische Seite erinnerten.
Ebenso vehement und mit viel Leidenschaft engagierten sich die Musiker in anderer Besetzung und gutem Zusammenspiel, bei dem mal die eine mal die andere Stimme hervorgehoben wurde und sich wieder in den Gesamtklang einfügte, und mit empfindsamer Leidenschaft, ohne sentimental zu werden, für das „Klavierquintett A-Dur“ (op. 81) von Antonin Dvorák. Es wurde zum Ereignis, geprägt vom dem feinen, singenden, ausdrucksvollen Celloton Jan Voglers, der in entsprechenden Passagen, dem Anliegen des Komponisten nachspürend, behutsam „den Ton angab“, ohne dominant zu sein. Bei seinem schönen, warmen Celloton kam auch die romantisch-gefühlvoll Seite, melodiös nachempfunden, zu ihrem Recht.
Zusammen mit Boris Giltburg, einem sehr versierten und einfühlsamen Pianisten, Chad Hoopes und Kai Vogler, Violinen, und Kim Kashkashian, Viola sorgte er für eine mitreißende Wiedergabe, bei der allgemein weniger die slawische Mentalität, sondern vor allem die europäische Musizierweise im Vordergrund stand.
Dem enthusiastischen Beifall des Publikums konnten die Musiker nicht widerstehen und entschieden sich für eine Zugabe, die Wiederholung des „Scherzo furiant“ aus Dvoráks Klavierquintett, das bei allgemeiner Begeisterung der Ausführenden und Zuhörenden bei der Wiederholung einen noch freieren und gelösteren Eindruck machte.
Bei allen Veranstaltungen war den Ausführenden, Nachwuchs- oder gestandenen Musikern, viel Engagement, Temperament und Enthusiasmus bei Wiedergabe der, mit technischer Perfektion gespielten, Kompositionen anzumerken. Trotz kurzer Probenzeit und immer wieder neuer Zusammensetzung der Kammermusik-Ensembles waren die jungen Musiker aus den verschiedensten Nationen ausnahmslos gut aufeinander eingespielt und präsentierten nicht nur erstaunliche Leistungen, sondern oft auch eine eigene Sicht auf bekannte und weniger bekannte Werke.
Ingrid Gerk