Dresden / Kulturpalast: MARTHA ARGERICH & LILYA ZILBERSTEIN IM PALASTKONZERT DER DRESDNER MUSIKFESTSPIELE – 1.3.2018
Die Dresdner Musikfestspiele (Mai/Juni) sind seit September 2017 nun das ganze Jahr über mit prominenten Künstlern in der neuen, sehr begehrten Konzertreihe mit einzelnen Konzerten, den „Palastkonzerten“ im neuen Konzertsaal des Kulturpalastes, präsent. Sie wurden jetzt mit dem Klavierduo Martha Argerich & Lilya Zilberstein fortgesetzt, zwei kongenialen Partnerinnen, deren Spiel trotz der Entfernung von zwei Tastaturen an zwei verschiedenen Flügeln zu einem gemeinsamen Ganzen verschmilzt.
Die gefeierte Grande Dame der Klaviermusik, die „Löwin am Klavier“, wie sie genannt wird, Martha Argerich, deren Auftritte legendär sind und die zu den bedeutendsten Pianistinnen unserer Zeit zählt, und die gebürtige russische Pianistin, die genau 30 Jahre nachdem Martha Argerich 1957 den 1. Preis beim berühmten „Busoni-Wettbewerb“ in Bozen gewonnen hatte, diesen Preis, der ihre Weltkarriere einleitete, ebenfalls gewann, fanden sich zu einem gleichermaßen virtuosen und leidenschaftlich der Musik verschriebenen Duo zusammen und konzertieren seit nunmehr fast 20 Jahren gemeinsam. Ihre Auftritte sind „ein Garant für unvergessliche musikalische Sternstunden“.
Eine dieser Sternstunden konnte das Publikum jetzt in diesem Palastkonzert mit Werken für Klavierduo erleben. Mit ihrem nicht alltäglichen Programm, das nicht zuletzt aus ihrer Entdeckerfreude resultieren mag und auch im Konzerthaus Wien (5.3.) gegeben wird, führten sie in die Welt des Klaviers des 19., aber emotional vor allem des 20. und 21. Jahrhunderts und steigerten sich von einem ausgewogenen, wohlklingenden Werk, den „Sechs Studien in kanonischer Form“ (op. 56) für Pedalflügel von Robert Schumann über das „Concerto Pathétique“ (S 258) in einer Zwei-Klavier-Version von Franz Liszt bis zu höchster Virtuosität der „Symphonischen Tänze für Orchester (op. 45), ebenfalls in einer Zwei-Klavier-Version, von Sergej Rachmaninow.
Da Schumann seine „Sechs Studien“ für den damals (noch) gebräuchlichen Pedalflügel (oder wahlweise Orgel) schrieb, einen Klaviertyp, der sich nie richtig durchsetzen konnte, gibt es mehrere Bearbeitungen dieser interessanten Stücke, u. a. auch von Clara Schumann. Die beiden Pianistinnen hatten sich für das Arrangement von Claude Debussy entschieden, durch das die damals selten gespielten Stücke bekannt wurden. Debussy hat mit seiner Bearbeitung für zwei Klaviere in einem Geniestreich diese Stücke für die Konzertaufführung zugänglich gemacht und außerdem künstlerisch bereichert. Mit schöner Selbstverständlichkeit verbanden die beiden Künstlerinnen Schumanns, der Romantik verpflichtete, Geisteswelt mit dem modernen Empfinden Debussys und brachten diese Stücke mit schöner Klarheit, Empfindung und Rationalität den Konzertbesuchern in dieser Lesart nahe.
Wie bei Liszt nicht anders zu erwarten, sprühte auch die von ihm arrangierte Zwei-Klavier-Version seines ursprünglich für Klavier solo als „Grosse Concert-Solo“ angelegten „Concerto Pathétique“ mit seinem experimentellen Charakter auf der Suche nach neuen Formen mit komponierten Ecken und Kanten, die Liszt bewusst nicht glättete, voller Virtuosität, die die beiden Künstlerinnen nie vordergründig oder als Selbstzweck, sondern in sehr stilvoller Weise wiedergaben. Ihre pianistischen Fähigkeiten und Fertigkeiten lassen nichts zu wünschen übrig. Sie treffen „blind“, mit traumwandlerischer Sicherheit in jeder, auch noch so virtuosen oder überschwänglichen Situation die schwarzen und weißen Tasten und zaubern in völliger geistiger und spieltechnischer Übereinstimmung gemeinsame meisterhafte Wiedergaben.
Die Virtuosität fand ihren Höhepunkt bei den „Symphonischen Tänzen für Orchester“ (op. 45), die Sergej Rachmaninow 1940 auf Long Island für (sehr) großes Orchester schrieb und deren Aufführung als ungemein anspruchsvoll gilt. Die Version für zwei Klaviere fertigte er fast gleichzeitig an und spielte sie mit Vladimir Horowitz privat, führte sie aber nie öffentlich auf. Nach diesen, von den beiden Künstlerinnen perfekt, virtuos und temperamentvoll gespielten, Tänzen hielt es das Publikum nicht mehr auf den Plätzen. Es erhob sich zu standing ovations, für die sich die beiden Künstlerinnen mit zwei Zugaben bedankten, einer liebenswert-humorvoll gespielten (aus P. I. Tschaikowskys „Nussknacker-Suite“) und einer „gehoben“-jazzigen.
Ingrid Gerk