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DRESDEN/ Kreuzkirche: „WEIHNACHTSORATORIUM – TEIL II“  VON J. S. BACH MIT DEM DRESDNER KREUZCHOR

13.01.2020 | Konzert/Liederabende

Dresden / Kreuzkirche: „WEIHNACHTSORATORIUM – TEIL II“  VON J. S. BACH MIT DEM DRESDNER KREUZCHOR – 11.1.2020

Es wirkt schon beinahe „befremdlich“, nach Weihachten noch über eine Aufführung des „Weihnachtsoratoriums“ zu berichten, obwohl J. S. Bach alle sechs Kantaten dieses Zyklus für die Zeit nach Weihnachten komponiert hat. Der jetzige Publikumsgeschmack hat sich aber dahingehend verschoben, dass die meisten Besucher ausschließlich die Kantaten I – III vor Weihnachten hören und auf die restlichen drei Kantaten ganz verzichten möchten, und andere alle sechs Kantaten schätzen. Dem Publikum entgegenkommend, hat sich inzwischen auch eine (oft bunte) „Mischung“ von Kantaten vor Weihachten etabliert, wobei immer noch die ersten drei favorisiert werden. In der Dresdner Kreuzkirche fand man eine salomonische Lösung, wonach die ersten drei Kantaten vor Weihnachten und die restlichen nach Weihachten aufgeführt werden, und hält auch zweckmäßigerweise daran fest. Die Besucherzahlen gaben dem Recht, denn auch in diesem Jahr lauschten etwa 3000 Menschen den Kantaten IV – VI nach Weihnachten.

Der Dresdner Kreuzchor war gut vorbereitet und verfügt durch die Erfahrungen der älteren Jahrgänge auch über entsprechende Sicherheit. Die acht Tenöre konnten zwar allein über ein gewisses zahlenmäßiges Ungleichgewicht der Stimmgruppen, die auf die allgemeine Entwicklung der Jugendlichen gegenwärtig zurückzuführen ist, bei ihrem „Alleingang“ trotz engagiertem Einsatz nicht hinwegtäuschen, aber diese „kleine Lücke“ wurde bald von der großen Zahl der einsetzenden Sopran- und Altstimmen „kompensiert“. Unter der Leitung von Kreuzkantor Roderich Kreile war bei zeitweise forciertem Tempo mitunter eine leichte „Nervosität“ spürbar, die sich aber bald wieder legte. Allgemein erfüllte der Chor seine Aufgaben gut. Man erwartet an gleicher Stelle immer die gleichen Höchstleistungen, die schon einmal erreicht wurden, aber die Zeiten und Bedingungen ändern sich.

Wie bei fast allen Oratorien- und Passions-Aufführungen des Kreuzchores bildete auch hier die Dresdner Philharmonie mit ihrem Können und reichen Erfahrungen das sehr zuverlässige, erfahrene und klangschöne Fundament. Das mitunter ziemlich rasche Tempo führte selbst bei der so sicheren Philharmonie vorübergehend zu einer kaum merklichen  „Unruhe“, die aber vom Orchester und den Musikern, denen die solistischen Arien-Begleitungen oblagen, gemeistert wurde. Die beiden Solo-Geiger musizierten dennoch sehr sicher und präzise, konnten aber die vorgesehenen Verzierungen nur mehr andeuten aus ausmusizieren. Die beiden Oboen d’amore konnten jedoch wie immer mit ihrer einschmeichelnden Klangschönheit aufwarten.

Die Solo-Trompete, die in diesem Teil des „Weihnachtsoratoriums“ sehr gefordert wird, und die beiden begleitenden Trompeten sorgten für Glanz und einen sehr festlich geprägten Abschluss.  Ein Sonderlob verdient auch die Pauke, die erfreulicherweise nicht dem gegenwärtigen Trend des „Sich-in-den-Vordergrund-spielens“ folgte, sondern dem musikalischen Gefühl und, der eigentlichen Funktion dieses Instrumentes gerecht werdend, die klanglichen Akzente in Übereinstimmung mit dem Orchesterklang setzte, wohl vernehmbar, aber nicht vordergründig (eine lautstarke, vordergründige Pauken-Präsenz überlasse man besser der Pop-Musik).

Das Solisten-Quartett war mit sehr engagierten jungen Sängerinnen und Sängern besetzt. Der für den erkrankten englischen Tenor Hugo Hymas kurzfristig eingesprungene Florian Sievers und der Bassist Matthias Winckhler bestachen durch große Klarheit ihres Gesanges, ausgezeichnete Artikulation und Textdeklamation und gute Gesangstechnik. Sie hatten die Maxime Peter Schreiers, der in dieser Kirche zunächst als Kruzianer mit seinem außergewöhnlichen Knaben-Alt gesungen und später als Tenor und Evangelist hohe Maßstäbe gesetzt hat, verinnerlicht und gestalteten ihre Partie ganz im Sinne dieses unvergessenen Sängers, ausgehend vom Wort, das in Musik umgesetzt, überhöht wird, und doch mit eigenem Gusto. Schreier wollte keine „Imitation“ seiner Interpretation, denn Bachs Musik ist so vielfältig und wandelbar und aus verschiedenen Blickrichtungen deutbar, dass ihr Epigonentum nicht dienlich wäre. Sie muss lebendig bleiben. Die Tenor-Arien sang Sievers locker und mit fast flüchtiger Leichtigkeit, während Winckhler den Rezitativen und der Arie der Basspartie reiche Farbigkeit und Wärme verlieh.

Johanna Winkel sang die Sopran-Partie mit exakter Stimmführung ihrer schlanken, etwas kühleren Stimme, langem Atem und leichten Verzierungen, wenn auch nicht so deutlicher Textverständlichkeit wie die beiden Herren. Bei der bekannten „Echo-Arie“ wurden die Echos in schöner, konformer Übereinstimmung mit der Sopranistin von dem schon sehr sicher und mit schönem, kräftigem Knaben-Sopran einsetzenden Kruzianer Errel Rodzinka gesungen, wenn auch der letzte Ton dann schon leicht andeutete, dass es genug war für die junge Stimme.

Eine innige Liebe verbindet die Mezzosopranistin Sophie Harmsen mit der Alten Musik. Bei ihr lag die Alt-Partie in den besten Händen. Mit ihrer leicht dunkel timbrierten Stimme strahlte sie die Wärme aus, die Bach dieser Partie mit den Empfindungen der Seele zugedacht hat.

Alle Beteiligten waren bestrebt, ihren Aufgaben bestmöglich gerecht zu werden. Es war trotz kleiner Einschränkungen eine ansprechende Aufführung, die auch nach Weihnachten noch begeistern konnte, denn Bachs Musik beeindruckt zu allen Zeiten.

Ingrid Gerk

 

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