Dresden/Frauenkirche: TON KOOPMAN UND DAS AMSTERDAM BAROQUE ORCHESTRA – 19. 10. 2013
Ton Koopman
Ton Koopman, der Altmeister der barocken Aufführungspraxis mit vor Begeisterung sprühender Vitalität, bringt in jedem Konzert seine ursprüngliche Energie mit. Er wirkt ewig jung. Seine Vitalität und sein Gespür, für besondere Publikumswirksamkeit überträgt er auf die Musiker und garantiert damit immer die Begeisterung des Publikums und eine hohe Qualität.
In der Reihe „Mozart im Fokus“ setzte er nicht nur Mozart in den Fokus, sondern auch zwei, ebenso beliebte wie anspruchsvolle Werke zweier Musikerpersönlichkeiten, die Mozarts kompositorisches Schaffen wesentlich beeinflusst haben, J. S. Bach und J. Haydn.
Mit Bachs „Orchestersuite Nr. 3 D‑Dur“ (BWV 1068) machte das Amsterdam Baroque Orchestra seinem Namen als wirkliches Barockorchester alle Ehre. Vital und dynamisch begann das Orchester aus international gefragten Barock-Spezialisten in mittelstarker Besetzung mit der „Ouvertüre“, doch welche Klangfülle! Mit barocker Stufendynamik verliehen sie den Tanzsätzen in raschem Tempo Lebendigkeit und Frische. Das „Air“ gestalteten sie besonders interessant, mit hoher innerer Spannung und großer Harmonie. Sie loteten den Satz in seiner ganzen getragenen Klangschönheit aus.
Kontrast- und abwechslungsreich, mit lebenssprühendem Enthusiasmus, ungekünstelt und natürlich folgten die Sätze „Gavotte I und II“ und „Bourrée“, nicht in vordergründig gewollter Absicht, sondern „aus der Seele“. Obwohl sich bei der abschließenden „Gigue“ das Tempo gerade an der Grenze bewegte, wirkte es dennoch nicht übereilt, sondern „sprühte Funken“.
Mozarts relativ selten zu hörendes „Konzert für Fagott und Orchester B‑Dur (KV 191) wurde dank Wouther Verschuren als Solist mit guter Technik und sehr zuverlässigem, geschmackvollem Spiel zu einem nichtalltäglichen Hörerlebnis. Das Fagott wird relativ selten als Solo-Instrument eingesetzt. Mozarts 3sätziges, 1774 komponiertes, Konzert ist eines der wenigen Solokonzerte für dieses Instrument und das einzige aus der Feder eines großen Meisters der Wiener Klassik, der es meisterhaft verstand , die Stärken dieses Instrumentes mit seinem dunklen, warmen, leicht näselnden Klang hervorzuheben, was Verschuren in schönster Weise in die Praxis umsetzte. Das Orchester begleitete adäquat, einfühlsam und in selbstverständlicher Harmonie mit dem Solisten.
Koopmanns außergewöhnliche Energie und Begeisterung bezieht auch die Musik der Wiener Klassik mit ein, die folgerichtig aus den Wurzeln der Barockmusik entstanden ist. Allerdings passte da der langsame, (zu) lang ausgedehnte und sehr modern improvisiert anmutende „Paukenwirbel“ (als ginge es in den Krieg) als Einleitung zu Haydns „Sinfonie Nr. 103 Es‑Dur“ (Hob. 1:103) nicht dazu, auch wenn sie den Beinamen „Mit dem Paukenwirbel“ trägt. Haydn hatte zwar diesen Paukenwirbel als (kleinen), damals wahrscheinlich ungewohnten und ein wenig Aufsehen erregenden Effekt gedacht, aber wenn schon stilgerecht musiziert wird, sollte sich auch die Pauke in das gesamte Klangbild einfügen. Ihr „blecherner“ Klang, der eher an Feld-, denn an höfische Musik erinnerte, hatte schon bei Bachs „Orchestersuite“ nicht so recht zu der allgemein sehr klangschönen Harmonie passen wollen und mit den Holzbläsern ein seltsames „Tongemisch“ ergeben, das den sonst so guten Gesamteindruck leider etwas schmälerte und auch bei Haydns Sinfonie hin und wieder zu vordergründig ausfiel. Das kann doch weder Bachs noch Haydns Klangvorstellungen entsprochen haben.
Mag man sich diesen Effekt in seiner Sinfonie vielleicht als Vorläufer der pauken- und schlagzeugbetonten neuen Musik denken, so sind doch alle historischen Instrumente letztendlich die Vorgänger der modernen Instrumente und könnten moderne Effekte einfügen. Wenn sich aber ein Orchester zur Aufgabe gestellt hat, im Geiste einer früheren Epoche möglichst „original“ zu musizieren, sollte sich jeder Musiker in die Gesamtkonzeption einfügen. Was nützt stilgerechtes Musizieren des gesamten Orchesters, wenn ein Instrument in freier Entfaltung „aus der Reihe tanzt“. In Barock und Klassik war doch alles sehr diszipliniert und geordnet.
Ansonsten war alles im richtigen Maß. Im Gegensatz zu vielen anderen Kammerorchestern mit Anspruch der historischen Aufführungspraxis hatten bei Koopmann und seinem Orchester auch die langsamen Sätze keine „Längen“. Sie wurden besonders spannungs- und abwechslungsreich und mit sehr schöner Klangdifferenzierung gespielt.
Koopman weiß, was beim Publikum ankommt. In seiner gewinnenden Art leitete er das Orchester mit Sachkenntnis und Charme. Hinzu kommt, dass in der Frauenkirche auch das Auge „mithört“. Schon der Anblick der Musiker vor dem prunkvollen Altar mit der Orgel darüber lässt die Zeit vergessen und in eine „andere Welt“ eintauchen.
Das begeisterte Publikum „erklatschte“ sich 2 Zugaben: die Wiederholung eines humorvollen Satzes aus der Haydn-Sinfonie und zum Abschied das berühmte „Air“ von Bach (aus der „3. Orchestersuite“), bei dem das Orchester noch einmal alle seine Fähigkeiten einsetzte, um dieses Stück sehr getragen und dennoch spannungsreich zu „zelebrieren“ – ein Abschluss und ein Höhepunkt zugleich.
Ingrid Gerk