Dresden/Frauenkirche: MOZART-REQUIEM – 23. 11. 2013
In evangelisch-lutherischen Gegenden finden zum „Totensonntag“ bzw. „Ewigkeitssonntag“, dem letzten Sonntag vor dem 1. Advent, vielerorts Konzerte mit Oratorien und Trauermusiken zum Totengedenken statt. Eine der beliebtesten Totenmessen ist neben dem „Deutsches Requiem“ von Johannes Brahms das „Requiem“ von W. A. Mozart, das durch dessen frühen Tod, die emotionale Wirkung und die mystifizierten Umstände, das ein unbekannter Bote den Auftrag eines anonymen Auftraggebers zu einer Totenmesse überbrachte, besondere Popularität erreichte. Mozart kränkelte zu dieser Zeit und betrachtete es als seine eigene Totenmesse, die er unvollendet hinterließ. Sein Autograf-Fragment wurde dann auch beim Seelenamt für ihn in der Wiener Michaelerkirche gespielt.
Inzwischen sind die Hintergründe geklärt, aber die ergreifende Wirkung dieses Werkes ist unbestritten. Obwohl es nur zu etwa zwei Dritteln von Mozart stammt und von Joseph Eybler und Franz Xaver Süßmayr, die beide an Mozarts Krankenlager gesessen hatten und mit seinem Kompositionsstil vertraut waren, ergänzt wurde, gilt es als eines der besten und ergreifendsten Werke Mozarts. Es wurde und wird immer wieder auch bei Trauerfeiern von berühmten Persönlichkeiten und Musikern aufgeführt, u. a. für C. F. Fasch, Franz Schubert (parallel zum Requiem seines Freundes Kalkbrenner), Robert Schumann, L. v. Beethoven und F. Chopin.
Süßmayr musste die fehlenden Sätze („Sanctus“, „Benedictus“, „Agnus Dei“) und den Schlusssatz) völlig neu komponieren. Er ging sehr ehrfurchtsvoll mit Mozarts Musik um, vermutlich unter Verwendung der Skizzen und „Zettelchen“, die Mozart hinterlassen hatte, vielleicht auch unter Verwendung anderer Kompositionen Mozarts, denn, was hier geschaffen wurde, ähnelt mehr Mozarts als Süßmayrs Kompositionsstil.
Trotz aller Probleme und Zweifel ist dieses „Requiem“ ein ergreifendes Werk, das immer wieder gefangen nimmt. Bei guter Interpretation sind die Brüche kaum zu spüren, da Originalkomposition und Ergänzung ineinander übergehen. Ganz gleich, ob von professionellen oder Laienchören ausgeführt, verfehlt es seine Wirkung nie, da Mozarts geniale Musik, auch wenn sie in manchen Teilen nur angedacht und skizziert war, immer wieder Ausführende wie Zuhörende gleichermaßen in seinen Bann zieht und mitzureißen vermag.
Da das „Requiem“ kürzer als andere Kompositionen dieser Art ist, wurde bei der Aufführung in der Frauenkirche die „Sinfonie C-Dur“ (Hob. 1:56) von Joseph Haydn vorangestellt. Ein Widerspruch? Ja und nein. Haydn und Mozart waren eng befreundet. Wohl niemand verstand Mozarts Kompositionsanliegen so gut wie sein Lehrer und Freund Haydn und umgekehrt. Sie tauschten sich in ihren Kompositionstechniken, Vorstellungen und Gedanken aus und spielten zusammen Streichquartette (mit Vanhal und Ditters von Dittersdorf, zwei bedeutenden Komponisten dieser Zeit).
Haydns Sinfonie ist ein heiteres Werk und wurde auch so vom ensemble frauenkirche in heiterer Frische und Musizierfreude gespielt, vom Cembalo aus vom Kantor der Frauenkirche, Matthias Grünert geleitet. Der letzter Satz wurde, wie vorgeschrieben, im temperamentvollen fortissomo gespielt, was den diesseitigen Charakter der Sinfonie noch unterstrich, aber Leben und Tod liegen nun einmal dicht beieinander.
In einem relativ zügigen Tempo wurde unter Grünerts Leitung auch Mozarts „Requiem“ aufgeführt, dessen erste Takte immer einen unsagbaren Schauer, nicht furchterregend, aber doch bis ins Innerste erschütternd, hervorrufen. Auffallend gut waren bei dieser Aufführung neben dem kleinen, aber gut spielenden Orchester, das wie immer ein sehr gutes, sicheres Fundament bildete, die hervorragende Tuba mit ihrer langen, sehr beeindruckend gespielten Passage, die Trompete mit der entsprechend kürzeren, aber ebenso wichtigen, und nicht zuletzt die ideale Pauke.
Die zweite Säule der Aufführung bildete der Kammerchor der Frauenkirche mit seinen sehr schönen, sehr sicheren und vor allem angenehm klingenden Frauenstimmen, mit denen die ebenfalls sicheren Männerstimmen korrespondierten, beide mit guter Textbehandlung.
Das Solistenquartett war mit Anja Zügner – Sopran, Rahel Haar – Alt, Tobias Hunger – Tenor und Gotthold Schwarz – Bass homogen besetzt, wenn man von einigen expressiven Spitzentönen des jungen Tenors absieht. Sein klarer, heller Tenor dürfte für die Zukunft einiges versprechen. Alle vier, im Oratoriengesang erfahrenen, Solisten sangen stilgerecht und orientierten auf gute solistische Leistungen sowie ein gutes, harmonisches Zusammenwirken.
Ingrid Gerk