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DRESDEN/ Frauenkirche: JUBILÄUMSKONZERT

Dresden/Frauenkirche: „JUBILÄUMSKONZERT“ – 26.10.2013

 Am 31.10.2005, dem „Reformationstag“ der evangelischen Kirche, wurde die Dresdner Frauenkirche nach 12 Jahren intensiver Bauzeit zur Wiederherstellung erneut eingeweiht (die 1. Weihe der imposanten barocken Kuppelkirche fand 1743 statt). Den Auftakt zu den Feierlichkeiten anlässlich des 8. Jahrestages bildete ein Jubiläumskonzert mit dem Blechbläserensemble Ludwig Güttler, dem Sächsischen Volkalensemble, dem Violoncello-Quartett der Sächsischen Staatskapelle Dresden u. a. unter der Leitung von Ludwig Güttler, bei dem es sich Camilla Nylund nicht nehmen ließ, mitzuwirken.

 Das Konzert stand ganz im Zeichen von Martin Luthers Choral „Ein feste Burg …“, dem Inbegriff der Reformation und ein Fixpunkt der evangelischen Kirchenmusik, den auch F. Mendelssohn-Bartholdy in seiner „Reformations-Sinfonie“ (Sinfonie Nr. 5, op. 107)verwendete.

 Dieser Choral erklang jetzt in einem Konzert erstmalig in 6 verschiedenen Bearbeitungen, zunächst vierstimmig von Heinrich Schütz (1585-1672) und Johann Walter (1496-1570), dem Freund und Berater Luthers, dann fünfstimmig von Melchior Frank (1580-1639) und Melchior Vulpius (1560-1650), sechsstimmig und in freierer Bearbeitung in einer „Choralintrada“ von Michael Altenburg (1584-1640) und schließlich neunstimmig für 2 Solotrompeten, Blechbläser und Pauken von Johann Crüger (1598-1662). Das relativ groß besetzte Blechbläserensemble aus Musikern der Sächsischen Staatskapelle Dresden, der Dresdner Philharmonie und dem Gewandhausorchester Leipzig spielte mit großem Engagement, mit festlichem Enthusiasmus und bester Qualität, akribisch „sauber“, homogen und klangschön. Bei Crügers neunstimmiger Variante verbanden sich Blechbläser und Pauken aufs Schönste. Es war ein „Entree“ mit festlichem Glanz und entsprechendem Klangvolumen, das von der Kirchenakustik noch verstärkt wurde. Güttler spielte mit und leitete das Bläserensemble als „primus inter pares“ (Erster unter Gleichen) von seinem Noten-Pult aus.

 Nach dieser „Einstimmung“ leitete er am Dirigentenpult die Uraufführung des Oratoriums „Eine feste Burg“ für Sopran, Bariton, gemischten Chor, große Orgel und eine ungewöhnliche Orchesterbesetzung mit Sopransaxophon, Violoncello-Quartett, Blechbläserensemble, Pauken und Schlagzeug des in Zürich geborenen und seit 1992 in New York City lebenden, weltweit agierenden Komponisten, Saxophonisten und Flötisten Daniel Schnyder (*1961 ), der selbst den Saxophonpart spielte. Er beschäftigt sich gleichermaßen mit Jazz, klassischer und improvisierter Musik. Alle diese Einflüsse verarbeitete er in seinem Oratorium nach Texten der Lutherbibel mit den Teilen: „Ich bin ein Fremdling auf Erden“, „Woher kommt denn die Weisheit“ und „Der Traum“, die bereits eine große Nachdenklichkeit andeuten. In nahtlosen Übergängen gibt es sehr interessante, auch exotische Klangwirkungen und gospelartige Passagen und die unvermeidlichen „chaotischen, schrägen“ Klänge, die von dem unverändert eingeflochtenen Lutherchoral „besänftigt“ werden.

 Bei der großen Bläserbesetzung hatten es die beiden gestandenen Solisten Camilla Nylund, Sopran und Henryk Böhm, Bariton nicht leicht, über Orchester und Chor zu kommen. Die menschlichen Stimmen waren sehr oft und sehr intensiv „im Einsatz“ und immer im Fortissimo, um die sich entsprechend dem Text entwickelnden instrumentalen Linien zum exponierten Höhepunkt zu führen. Dass es beide dennoch bravourös schafften, verdanken sie ihrer kräftigen, tragfähigen Stimme und ihrer reichen Opern- und Konzerterfahrung.

 Es gab leider keine Kantilene im Piano oder Mezzoforte, wo sich die Stimmen in ihrer Schönheit hätten noch wirkungsvoller entfalten können. Was vor allem bei Camilla Nylund scheinbar so mühelos wirkte, mag Anstrengung gekostet haben, aber sie setzte mit ihrer klaren, strahlenden Stimme die Glanzpunkte, die sich der Komponist vorgestellt haben mag. Ihre Stimme verband sich aufs Schönste in Harmonie mit dem Chor, der in der Einstudierung seines Leiters Matthias Jung (der auch selbst im Chor mitsang) seine Aufgabe mit gewohnter Präzision, Intonationsreinheit und Klangschönheit meisterte.

 Vielleicht wäre bei den Bläsern ein wenig weniger Lautstärke mehr gewesen und den Sängern sehr entgegengekommen. Pauken und Schlagwerk fügten sich aber sehr gut in den Gesamtklang ein. Sie waren immer wahrnehmbar, ohne vordergründig zu wirken. Das ist die wirklich große Kunst des Einsatzes dieser Instrumente.

 In einer sehr guten, abwechslungsreichen Programm-Konzeption zu dem zentralen Thema folgten noch „Phanasie für Orgel über den Lutherchoral“ (op. 27), meisterhaft an der großen Frauenkirchenorgel von Friedrich Kircheis dargeboten, und der mit viel Power vorgetragene (und fast etwas grob wirkende) „Choral für konzertierende Orgel und Blechbläser“ von Jean Langlais (1907-1991). Kircheis arbeitete in Regers „Phantasie“ Melodik und die zu seiner Zeit neuartige, „gewagte“ Harmonie in gegen- und miteinander laufenden musikalischen Linien unter Betonung der klangschönen Seite, aber auch starken Kontrasten zwischen monumentalem Fortissimo und sanftem Piano heraus und krönte das Werk mit dem sieghaft-triumphierenden Choral.

 Auf den ersten Blick vielleicht etwas „aus diesem Rahmen gefallen“, aber auf den zweiten doch in mittelbarer Verbindung dazu, boten die vier Cellisten als eigenen Beitrag Richard Wagners „Pilgerchor“ aus dem „Tannhäuser“ in einer Bearbeitung für Violoncello-Quartett. Sie spielen auf vier gleichartigen Instrumenten und verliehen dem Werk mit außergewöhnlich feinen Klangnuancen und in wunderbarerer Abstimmung und Lebendigkeit einen ganz besonderen Reiz. Jede einzelne Stimme war klar und klangschön wahrzunehmen. Durch diese Wiedergabe wurde Wagners Musik noch weiter romantisch „veredelt“. Es war einfach ein vollendeter Hörgenuss. Schließlich ist immer noch Wagner-Jahr und kein Ende.

 Zwei frisch und fröhlich musizierte Motetten von G. A. Homilius (1714-175), von denen die eine zum Schluss noch einmal als Zugabe wiederholt wurde, beschlossen das festliche, gut konzipierte Konzert mit der Uraufführung im Fokus und abwechslungsreichen Beiträgen, die sich zu einem gemeinsamen Ganzen fügten.

 Ingrid Gerk

 

 

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