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DRESDEN/ Frauenkirche: DAVID FRAY SPIELT J. S. BACHS „GOLDBERG VARIATIONEN“ AUF DEM MODERNEN KONZERTFLÜGEL

03.03.2019 | Konzert/Liederabende

Dresden/Frauenkirche (Unterkirche): DAVID FRAY SPIELT J. S. BACHS „GOLDBERG VARIATIONEN“ AUF DEM MODERNEN KONZERTFLÜGEL 2.3.2019

Die berühmten „Goldberg Variationen“ (BWV 988), die Johann Sebastian Bach nach einem anekdotischen Bericht von J. N. Forkel für den mit seiner Familie befreundeten russischen Gesandten am Dresdner Hof, H. C. von Keyserlinck, geschrieben haben soll, damit ihm sein Cembalist und Bach-Schüler (Wilhelm Friedemann und Johann Sebastian) J. G. Goldberg in schlaflosen Nächten daraus vorspiele, wurden von ihm 1741 als „Clavier Ubung bestehend in einer ARIA mit verschiedenen Verænderungen vors Clavicimbal mit 2 Manualenveröffentlicht.

Jetzt wird dieses Variationswerk mit ständigen Pro und Contra der Musikfreunde auf dem Cembalo, dem Klavier und sogar auf der Orgel (Carsten Klomp, Martin Heini, Martin Schmeding, Winfried Bönig, Franns Wilfried Promnitz von Promnitzau, der sie als einer der ersten auf der Orgel einspielte, u. a.) interpretiert.

Der französische Pianist David Fray, der zum Klavier-Shootingstar avancierte, als er im Juni 2006 in Paris und Brüssel für die erkrankte Hélène Grimaud einsprang, entschied sich für den modernen Konzertflügel. Man kann geteilter Meinung sein. Jedes Instrument hat seine Vor- und auch Nachteile. Das Cembalo bietet den einschmeichelnden, farbenreichen, intimen Klang, das Klavier ermöglicht hingegen, wenn auch mit härterem Klang, eine wesentlich deutlichere Wiedergabe der melodischen Linien und Strukturen. Selbst als „Fan“ alter Instrumente kann man sich bei guter Interpretation dem nicht entziehen. Ob auch die Orgel den zarten Melodien, die Bach für das Clavicimbal (Cembalo) erdachte, gerecht wird, sei dahingestellt. Über Geschmack lässt sich zwar streiten, aber keine endgültige Lösung finden, so dass ein umfassendes Erleben der Bach‘schen Kompositionen eigentlich nur aus einer ideellen Verbindung von beidem entstehen kann und beide Möglichkeiten weiterhin gepflegt werden sollten.

Aufgrund seines Habitus wird Fray gern mit Glenn Gould verglichen. Er selbst sieht lieber Wilhelm Kempff als sein Vorbild. Als „erste Handlung“ wischte er mit einem Tuch über Tasten und später über Hände und öfters auch Gesicht (was Kempff nicht tat), aber man verstand warum. Bachs populäre Komposition ist eine der schwierigsten, spieltechnisch eine Herausforderung. Sie setzt technisches Können voraus und fordert den ganzen Künstler. Fray strebt in jedem seiner Konzerte nach höchster interpretatorischer Qualität, vertieft sich ganz in die Musik und gibt sich voll aus. Mit singendem, tastendem oder zuweilen hartem, kernigem, auftrumpfendem Anschlag, legato oder leicht stakkato und mit geschicktem, unauffälligem, aber wirkungsvollem Pedal-Gebrauch steigerte er sich auch auf dem „nüchterneren“ Klavier bei jeder Variation immer tiefer hinein in die Welt der barocken Variationsvielfalt, so dass man den vielschichtigen differenzierenden Klang des Cembalos bald nicht mehr vermisste.

Jede Variation hatte ihren eigenen, unverwechselbaren Charakter und ihre Klangfarbe und „sprach“ für sich, und jeder Ton, jede Passage, jede Variation hatte ihre besondere Bedeutung innerhalb des Ganzen. Fray spielte einen sehr abwechslungs- und kontrastreichen, kurzweiligen und aufregenden Bach und zauberte eine ganze Klangwelt, klar und durchsichtig, virtuos und eindrucksvoll. Mit seinem lebhaften, in angemessenem Maß temperamentvollen Spiel folgte er Bach von der barocken Variationspraxis bis in zukunftsweisende Klänge, die so deutlich nur auf dem Klavier hervorgebracht werden können, und schließlich mit der Wiederholung der „Aria“ wieder auf den Boden der Barockzeit zurück. Bach war seiner Zeit geistig weit voraus, und Fray holte sein Variationswerk auf dem modernen Konzertflügel in unsere Gegenwart. Er braucht keine Theorie historisch informierter Aufführungspraxis. Seine besondere Art der Interpretation, die mehrfach mit höchsten musikalischen Ehren und Preisen bedacht wurde, entsteht ganz aus dem Verständnis der Musik und ihres Schöpfers.

Nach dem letzten Ton herrschte erst einmal andächtige Stille, bis der begeisterte Applaus „losbrach“, für den sich Fray mit einer Zugabe bedanken wollte, „Aber was?“ wandte er sich an das Publikum und meinte schließlich „ … ein „Choral“ (natürlich von Bach).

Ingrid Gerk

 

 

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