Dresden / Frauenkirche: „CHRISTMAS IN ROME“ MIT DER CAPPELLA GABETTA – 5.12.2019
Die Ausnahmecellistin Sol Gabetta erfüllte sich 2010 mit der Gründung der Cappella Gabetta einen ihrer musikalischen Träume. Das Kammerorchester mit ihrem Bruder Andrés Gabetta, einem feinfühligen Barockviolinisten, am 1. Pult und „handverlesenen“ Musikern aus dem Umfeld der beiden, das auf Originalinstrumenten spielt und sich vorrangig Werken des Barock und der Frühklassik widmet, war nicht zum ersten Mal in der Dresdner Frauenkirche zu Gast. In diesem Jahr leitete es mit seinem Programm „Christmas in Rome“ die zahlreichen weihnachtlichen Konzerte in der Frauenkirche ein.
Weihnachtlich war vor allem der 2. Teil, der auch in Bezug zu Rom stand. Die von Antonio Caldara (1670-1736), einem weniger bekannten venezianischen Cellisten und Komponisten und Zeitgenossen Vivaldis, während seiner Dienstzeit in Rom komponierte, Cantata à tre voci con stromenti per la notte del Santissimo Natale “Amarilli vezzosa“ ist stilistisch ganz der damaligen römischen Gattungstradition verhaftet, dramatisch bewegt, mit sorgfältiger Textdeklamation und fantasievoller Instrumentation. Im Mittelpunkt steht das pastorale Sujet, die Hirten, die zur Krippe eilen mit der Bitte um Frieden in Anbetracht eines damals neu anbrechenden Krieges, was Gelegenheit zu ausgiebigen gefühlvoll-beschaulichen Hirtenszenen und Betrachtungen, aber auch bewegten Koloratur-Arien gibt.
Außerdem standen Werke des Veronesers Evaristo Felice Dall’Abaco (1675-1742) und des Venezianers Antonio Vivaldi (1678-1741) auf dem Programm. Nach dem ersten Stück, dem rein instrumentalen fünfsätzigen „Concerto a più instrumenti D‑Dur“ (op. 5 Nr. 6) von Dall´Abaco, das von der Capella feinsinnig und je nach Satzbezeichnung sanglich-gefühlvoll oder rasch-bewegt, aber immer klanglich ausgewogen und mit Leichtigkeit dargeboten wurde und die Illusion altitalienischer Klangwirkungen hervorrufen konnte, standen drei Solo-Gesangs-Bravour-Stücke auf dem Programm, in denen die drei Gesangssolisten, die die Weihnachtskantate gestalteten, zunächst ihr Können „im Alleingang“ mit Orchesterbegleitung präsentierten.
Der italienische Countertenor, Florentiner und Spezialist für das Repertoire der Kastratenzeit, Filippo Mineccia widmete sich dem „Nisi Dominus“ für Alt, Viola d‘amore, Streicher und Basso continuo (B.c.) g-Moll (RV 608) von Vivaldi, stets bedacht auf perfekte Technik. Er bewältigte die neun, sehr anspruchsvollen Teile, gespickt mit halsbrecherischen Koloraturen, Schwierigkeiten und Raffinessen, wie chromatisch auf- und abwärts singend mit gleichzeitigem crescendo usw., mit lückenloser technischer Sicherheit, die ihm jedoch kaum Zeit für eine innige Gestaltung ließ. Seine Stimme mit dem etwas herben Klang wurde von dem klangschön begleitenden Kammerorchester in kleiner Besetzung kompensiert.
Wenn die Alt-Arie von einem Countertenor gesungen wird, warum dann nicht die „Aria“ des assyrischen Feldherrn Holofernes: „Agitata infido flatu“ aus dem Oratorium „Juditha triumphans“, ebenfalls von Vivaldi (RV 644), von einer Frau? Die brasilianische Mezzosopranistin Ana Victória Pitts, die auch auf der Opernbühne zu Hause ist, sang „flüssig“ und mit etwas „dumpfer“, leicht dunkel timbrierter Stimme, wobei mancher Ton ihrer Alt-Arie mit „neutralem“ Text, die von Andrés Gabetta mit feinem, klangvollem Strich begleitet wurde, im sanft begleitenden Orchester „versank“.
Ganz in der Materie der Barockmusik stand die katalanische Konzert-, Lied- und Opernsängerin Nuria Rial, deren kühle Sopranstimme den klangschönen Koloraturen der Motette für Sopran, Streicher und B.c. „Nulla in mundo pax sincera“ von Vivaldi, in die sie sich zunehmend hineinsteigerte, Klarheit und Frische bei einer gesangstechnisch abgerundeten Leistung verlieh.
Es war bewundernswert, was Sängerinnen und Sänger in gesangstechnischer Hinsicht leisteten, auch wenn der berühmte Funke nicht so leicht überspringen wollte. Im Gegenteil zur sanften, ganz im Sinne der altitalienischen, gefühlvollen Musik des Frühbarock auf zarte Klangwirkungen bedachten Capella Gabetta orientierten sie verständlicherweise vorrangig auf die erforderliche Gesangstechnik, die nun einmal Voraussetzung für eine einwandfreie Bewältigung der schwierigen Bravour-Arien ist.
Ingrid Gerk