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DRESDEN / Frauenkirche: BLÄSERWEIHNACHT / THE MESSIAH

Dresden/Frauenkirche:
JAHRESWENDE MIT „BLÄSERWEIHNACHT“ UND „THE MESSIAH“  
27.12.2018 und 1.1.2019

Zwei, von Ludwig Güttler initiierte Veranstaltungen erfreuen sich jedes Jahr zum Jahresausklang großer Beliebtheit, die „Bläserweihnacht“ und die Aufführung von G. F. Händels „The Messiah“.

Die „BLÄSERWEIHNACHT“ findet traditionsgemäß am „3. Weihnachtsfeiertag“ (27.12.2018) statt mit dem, 1978 von Güttler gegründeten, international renommierten Blechbläserensemble Ludwig Güttler, bestehend aus zehn Bläser-Solisten der Sächsischen Staatskapelle Dresden, der Dresdner Philharmonie, des Gewandhausorchesters Leipzig und der Robert-Schumann Philharmonie Chemnitz sowie einem Paukisten. Es besticht durch sein anspruchsvolles Musizieren auf sehr hohem Niveau. Sein besonderer Anspruch besteht u. a. auch in der Aufführung bisher unbekannter oder sehr selten gespielter Werke vergangener Jahrhunderte, die oft Güttler selbst „ausgegraben“ oder für die jeweilige Besetzung eingerichtet hat. Die Musiker blasen meist auf modernen Instrumenten deutscher Bauart, was kein Nachteil ist. Bei dem lebendigen, nuancenreichen Musizieren gewinnen die Werke an Farbigkeit und Klarheit. Es müssen nicht immer alte Instrumente sein, entscheidend sind Spielweise und Einfühlungsvermögen in die Gedankenwelt eines Komponisten.

Das Programm bestand aus mehreren „Partiten“, die aus einzelnen Sätzen und Bearbeitungen – meist jeder Satz von einem anderem Komponisten – kenntnisreich zu einem gemeinsamen Thema, einem bekannten Weihnachtslied, wie „Es ist ein Ros entsprungen“, „Wie soll ich dich empfangen“, „Fröhlich soll mein Herze springen“, „Kommet, ihr Hirten“ und „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ zusammengestellt, in einer interessanten Gegenüberstellung zum Vergleich unterschiedlicher Bearbeitungen anregten. Die einzelnen Sätze wie „Intrada“, „Allemande“, „Choral“, „Canzon“, „Sinfonia“, „Paduan“ usw. stammten vorwiegend von bekannten Meistern des 17. Jahrhunderts, wie M. Praetorius, A. Vivaldi, J. Eccard u. a., aber auch weitgehend unbekannten. Außerdem waren G. P. Telemann mit einem „Konzert“, L. v. Beethoven mit „Fünf Variationen über ‚Tochter Zion‘ “ und der Initiator Ludwig Güttler mit einem sehr stimmungsvoll für Blechbläser und Pauke arrangierten Satz über „Kommet, ihr Hirten“ vertreten, alles mit oft „jubelnden“ Instrumenten musiziert, gelegentlich aber auch etwas „hallig“ infolge der Akustik des barocken Kirchenraumes.

Einen Höhepunkt bildete das “Quempas“-Musizieren („Quem pastores laudavere“)“ von Michael Pretorius mit der im 17. Jh. beliebten Echowirkung, einem „Dialog“ in räumlicher Distanz zwischen vier, an der Seite des Kirchenschiffs postierten, sehr sauberen Solo-Bläsern und den übrigen Bläsern im Altarraum.

Zur Abwechslung begeisterte der Paukist, der stets kongenial und einfühlsam, mit dem richtigen Gespür die Bläser begleitete, solistisch mit einer „Sonata für zwei Pauken“ eines Anonymus. Er präsentierte alle, einer Pauke zur Verfügung stehenden „Klangfarben“ bis hin zu ungewöhnlichen „Tönen“ und „Geräuschen“, aber es blieb immer „Musik“ und „beleidigte das Ohr nie“ wie es Mozart seinerzeit ausdrückte, weshalb dieses „Pauken-Solo“ auch „nahtlos“ und harmonisch in einen Choral mit den Blechbläsern übergehen konnte. Der Paukist kannte das richtige Maß für ein gemeinsames Musizieren und das „Zünglein an der Waage“, das zwischen „Musik“ und „Lärm“ entscheidet!

Das begeisterte Publikum entließ die Musiker erst nach drei, schon zur Tradition gewordenen Zugaben, einem „zwölfstimmigen Männerchor“, der sich in Windeseile nach dem Bläser-„Marathon“ aus den Musikern formierte und mit erstaunlich schönen Stimmen, sehr gut artikuliert, „Herbei nun, ihr Gläubigen“ („Adeste fidelis“) sang, anschließend den Beginn des „Te deums“ von A. Charpentier (auch bekannt als Eurovisions-Fanfare) musizierte und danach wieder ein Lied, passend zur Weihnachtszeit mit der Bitte um Frieden anstimmte – eine enorme Leistung! Wer hätte gedacht, dass Blechbläser nach intensivem Blasen auch noch so gut singen können?

Das neue Jahr wurde mit „THE MESSIAH“ am Neujahrstag in einer geschickten „Kurzfassung“ von 2 Std 15 min begrüßt (1.1.2019), ein Werk, das immer wieder begeistern kann, sooft man es auch hört. Die Virtuosi Saxoniae, Güttlers 1985 aus führenden Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle gegründetes Kammerorchester, bildete das klangschöne, äußerst zuverlässige Fundament der Aufführung. Die Musiker spielen auf modernen Instrumenten und bezaubern mit ihrem besonderen Klang, Stilsicherheit und großem Können. Ein besonderes Lob gebührt auch der allgemein sehr feinen, äußerst einfühlsam mitgestaltenden Pauke. Durch die Annäherung an historische Aufführungskriterien entsteht ein besonders schönes Klangbild mit großer Ausdruckskraft, das vor allem in der großartig musizierten „Pifa“ (Hirtenmusik) wirkungsvoll zur Geltung kam.

Die Hallenser Madrigalisten bildeten in der Einstudierung von Tobias Löbner das vokale Pendant mit entsprechender Bandbreite zwischen verhaltenen, innigen Passagen, wie dem Beginn des Chores „Since by man came death“ und Power im gleichen Chor „… even so in Christ shall all be made alive“ oder bei „Surely He hath borne our griefs“.

Von den Solisten beeindruckten vor allem die junge armenische Sopranistin Narine Yeghiyan und der Dresdner Bariton Andreas Scheibner, der gut bei Stimme, mit (sehr) langem Atem, dem genau richtigen Maß an Stimmkraft und Lautstärke für die Akustik der Frauenkirche, Stilgefühl und bester Artikulation auch und insbesondere bei der gefürchteten „Trompeten-Arie“(„The trumpet shall sound“) begeisterte, begleitet von ausgesprochen klangschöner Trompete. Da fehlte kein Ton und keine gestalterische Nuance.

Narine Yeghiyan, 2013-2018 Mitglied des Ensembles der Berliner Staatsoper Unter den Linden und u. a. Debüt bei den Opernfestspielen St. Margarethen, verlieh den Sopran-Arien mit ihrer jugendlich klaren, gut klingenden, geschmeidigen Stimme, natürlicher Anmut und sehr leichten, lockeren Koloraturen stimmlichen Glanz. Ein leichter Hang zum Opernhaften störte hier nicht, da in der Barockmusik Oper und Oratorium dicht beieinanderliegen und die Übergänge besonders bei Händel fließend sind.

Die Alt-Partie war – wie so oft – einem Altus anvertraut, obwohl bei Händel nachweislich (mit nur einer Ausnahme) im „Messias“ meist eine Sängerin auftrat. David Erler orientierte sehr auf Klarheit, Exaktheit und detailgetreue Gestaltung. Naturgemäß kann aber die Stimme eines Altus (bis auf sehr wenige Ausnahmen) nicht die Beseeltheit einer Frauenstimme erreichen, die hier der Text gebietet. Der Tenor-Part wurde von Georg Poplutz mit seinen reichen Erfahrungen im Oratorienfach gestaltet.

Es war eine sehr ansprechende Aufführung mit dem berühmten „Hallelujah“ als Höhepunkt und einem berührenden „Amen“ als Abschluss, bei dem der Chor mit seinen Qualitäten und das Orchester mit wunderbar klangschönen Streichern in völliger Übereinstimmung einen außergewöhnlich klangvollen Ausklang bereiteten.

Ingrid Gerk

 

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