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DRESDEN/ Frauenkirche: BEJUN MEHTAS „GRIFF NACH DEN STERNEN“

mit seinem "himmlischen" Programm bei der Dresdner Philharmonie

18.03.2018 | Konzert/Liederabende

Dresden/Frauenkirche: BEJUN MEHTAS „GRIFF NACH DEN STERNEN“ MIT SEINEM „HIMMLISCHEN“ PROGRAMM BEI DER DRESDNER PHILHARMONIE 17.3.2018

Die Sterne, Planeten, Himmelskörper, die trotz aller Erforschung noch immer eine geheimnisvolle, romantische Stimmung am Himmel assoziieren, hatten in früheren Jahrhunderten den Nimbus magischer Kräfte und waren ein beliebter Gegenstand in Barockopern. Schon wegen ihrer starken Symbolkraft erschienen sie als geheimnisumwitterter Sehnsuchtsort schwärmerischer Liebe, Zuflucht irdischer Probleme und brisante Boten eines unerbittlichen Schicksals. Ihre Konstellationen wurden als Prophezeiung gedeutet. Sie wurden im Gefühlsüberschwang in extremen Lebenssituationen als Zeugen angerufen und um Errettung angefleht.

Sie beflügelten die Fantasie der Menschen und bildeten in den Opern der Barockzeit den sehnsuchtsumwitterten Kern großer, leidenschaftlicher und gefühlvoller Arien und hinreißender Klangbilder, bei Georg Friedrich Händel bis in psychologische Tiefen ausgelotet. Aus diesem reichen Schatz in Händels Opern und Oratorien hatte Bejun Mehta für seine „Sternenstunde“ sehr wirkungsvolle Nummern ausgewählt.

Am Dresdner Himmel waren an diesem Abend keine Sterne zu sehen. Sie waren trotz meteorologischem (im Gegensatz zum astronomischen) Frühling (Beginn 1. März) von verspäteten grauen Wolken, aus denen leise der Schnee rieselte, verdeckt, aber in der Frauenkirche funkelten die musikalischen Sterne umso heller. 

Gleich die erste Arie „Sento la gioia” aus Händels Oper „Amadigi” war ein wahrer Triumpf. Nach Bläser-überglänzter instrumentaler Einleitung stimmte Mehta kongenial ein und faszinierte mit seiner Interpretation. Bestens bei Stimme, mit sehr langem Atem, perfekten Verzierungen und oft deckungsgleicher Übereinstimmung mit der sehr einfühlsamen  instrumentalen Mitgestaltung der Philharmoniker entfaltete er mit der Arie ungeheure Pracht und einen ersten festlichen Höhepunkt.

Es folgten Sinfonia, Rezitativ und Arie „Pompe vane di morte – Dove sei amato bene?“ aus der Oper „Rodelinda“. Mehta ließ mit seiner weichen, sensiblen, gefühlvollen Stimme in einer berührenden Wiedergabe die Feinheiten und den Reiz nachempfinden, der nach Berichten der früheren Zeitgenossen einst beim Gesang der Kastraten die Zuhörer in Ekstase versetzte. Bevor der Beifall losbrach, folgte den letzten Tönen ein langes, andächtiges Schweigen, um das Gehörte aus- und nachklingen zu lassen.

Aus der gleichen Oper sang Mehta auch die Arie „Fra tempeste“ sowie danach die Arie „Destructive War“ aus dem Oratorium „Belshazzar“, sehr temperamentvoll, mit echter Belcanto-Stimmakrobatik, mitgestaltet von den Barockmusik erfahrenen  Musikern. Die Begeisterung des Publikums erreichte ihren Zenit. Es hätte immer so weitergehen können, aber der Gesangsteil war schon zu Ende, in dem Mehta seine künstlerische Vielseitigkeit als Countertenor und Dirigent unter Beweis stellte, wie schon in der Saison 1016/17 als er Artist in Residence bei der Dresdner Philharmonie war. Sein Griff nach den Sternen war an diesem Abend sprichwörtlich.

Ohne größere Pause ging es mit dem 2. Teil weiter, für den sich Mehta „nur“ noch als Dirigent engagierte. Er blieb bei den Sternen und hatte als Pendant zu seinen sängerischen Höhenflügen in „himmlische Gefilde“ die 41. Sinfonie in C-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart gewählt, der der sagenhafte Name eines Planeten zu großer Popularität verhalf, auf den Mozart aber keinen Einfluss hatte. Er tauchte erst Anfang des 19. Jahrhunderts auf, möglicherweise aus kommerziellen Gründen. Ungeachtet dessen ist Mozarts, 1788 in Wien komponierte, „Jupiter-Sinfonie“ (KV 551) seine letzte und bedeutendste sinfonische Komposition, der „Star“ unter seinen Sinfonien und eines der gelungensten Stücke der Sinfonik überhaupt, was einmal mehr an diesem Abend unterstrichen wurde.

Die erfahrenen Musiker der Philharmonie, als Orchester mittlerer Größe – akustisch günstig – vor dem Altarplatz aufgestellt, spielten in zügigem Tempo mit Feingefühl und Verve. Die viel aufgeführte, man möchte fast schon sagen, „strapazierte“ Sinfonie  können die Musiker wahrscheinlich „im Schlafe“ spielen, aber sie musizierten mit sehr großem Engagement und Hingabe, sehr klangschön und ausdrucksvoll. Mit schöner Klangfülle und festlichem Glanz machten sie dem Beinamen alle Ehre und verliehen ihr auch etwas Geheimnisvolles, Erhabenes, Göttliches. An Mehtas geschmeidig fließenden Armbewegungen war die Musik förmlich abzulesen. Die guten Bläser und zuverlässigen, klangschönen Streicher ließen mit ihrer intensiven Wiedergabe die Sinfonie wieder neu erleben und genießen!

Obwohl das gesamte Konzert nur eine reichliche Stunde dauerte – es fand ohne Pause und  Zugaben statt -, waren es 65 sehr eindrucks- und gehaltvolle Minuten von hoher Qualität. Hier wurde „weniger Masse“  zu anspruchsvoller „Klasse“. Man konnte „süchtig“ danach werden, was kein Problem ist, denn Bejun Mehta wird erneut ein solches Konzert am 3.11.2018 mit der Dresdner Philharmonie in der Frauenkirche unter dem Titel „Melancholie“ gestalten, bei dem weitere hochemotionale Arien aus Händel-Opern erklingen werden sowie Samuel Barbers ergreifendes „Adagio for Strings“ und die leidenschaftliche „Trauersinfonie“ von Joseph Haydn.

Ingrid Gerk

 

 

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