Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

DRESDEN: DAPHNE

16.09.2014 | KRITIKEN, Oper

Dresden: „DAPHNE“ -14.9. 2014

 Lassen wir zunächst Richard Strauss und Clemens Krauss zu Wort kommen. In ihrem  Konversationsstück „Capriccio“ entbrennt eine heftige Diskussion darüber, welcher Stoff sich wohl am besten für eine neue Oper eigne. Den Musiker Flamand würde zum Beispiel „Daphne“ interessieren. Der Dichter Oliver hält dagegen: „Eine verlockende Fabel, doch äußerst schwierig darzustellen.“ Auch La Roche, der Theaterdirektor, hat Bedenken: „Schon wieder Nymphen und Schäfer, Götter und Griechen!“ Damit ist beinahe schon alles gesagt: Die Realisierung dieses Werkes ist heikel. Die Herausforderungen, vor die alle Beteiligten gestellt werden, sind enorm, zumal das Wunder der Verwandlung gleich mehrfach zu erleben ist: Apollo, der Gott,  verwandelt sich zum Hirten. Als Mensch wird er schuldig. Sich selbst zur Sühne verwandelt er Daphne, die Reine und Keusche, zum Baum. Indem er so entsagt, verwandelt er sich wieder zum Gott. Wie nähert man sich einem solchen Werk? Regisseur Torsten Fischer verlegt diesen Stoff kurzerhand in seine Entstehungszeit. Auswüchse der Nazi- Diktatur sind nicht zu übersehen. Das Donnergrollen im Vorfeld des 2. Weltkrieges ist nicht zu überhören. Was wird aus Daphne? Wer war Daphne? Man bekennt im Programmheft, dass es Tausende, Zehntausende gegeben hätte. Schließlich sei man auf Sophie Scholl gestoßen. Briefe, die sie geschrieben habe, hätten auch von Daphne stammen können. Verblüffend seien vor allem überraschende Berührungspunkte: Sophie Scholl war als Kind aktiv in der Hitlerjugend. Aber sie widerstand der Verführung des Regimes und wuchs zur Widerstandskämpferin heran. Aus dem pastoralen Operneinakter wird in Dresden eine Vision des Schreckens. Nach monatelanger Pause erschien die Inszenierung nunmehr wieder im Spielplan. Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf sehr hohem Niveau. Omer Meir Wellber und die Staatskapelle Dresden gewinnen dem Werk einen unwiderstehlichen Klangzauber ab. Wenn man die ersten Takte hört, kann man tatsächlich glauben, dass Strauss eine Kammeroper schreiben wollte. Der Dirigent und seine Musiker werden dieser feinnervigen  Orchestersprache auf hervorragende Weise gerecht. Andererseits gibt es Momente, in dem sich der Apparat gewaltig aufbäumen muss. Wohltuend ist, dass in diesen Szenen das Wagnerische nicht die Oberhand gewinnt, sondern die Forderung des Komponisten nach weitgehender Transparenz des Orchesterklanges gewahrt wird. Es gibt sogar Momente, in denen sich Musik und Szene in wunderbarem Einklang befinden. Daphnes Verschmelzen mit dem Lebensbaum gehört unbedingt dazu (Bühne: Herbert Schäfer). Marjorie Owens singt nunmehr die Titelpartie. Ihre Stimme versprüht nicht unbedingt lyrische Melismen oder glockenreine Koloraturen, aber sie wird den unterschiedlichen Regungen und Stimmungen hervorragend gerecht. Die Sängerin versteht es, ihrem Sopran unterschiedliche Schattierungen abzugewinnen. Mühelos singt sie mit nicht nachlassender Intensität große, spannungsgeladene Bögen. Die Stimmfärbung von Lance Ryan ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Als Apollo steht er wie ein Fels in der Brandung. Gesangstechnisch hat er mit den phänomenalen Höhen keine Schwierigkeiten. Selbstbewusst trotz er den Orchesterstürmen. Zu beneiden ist er so oder so nicht. Denn er verkörpert auch das Unmenschliche, das Zerstörerische. Die Gefühlsregungen, die man der Musik entnimmt, kann er in dieser Inszenierung szenisch freilich nicht umsetzen. Daphnes Kindheitsfreund Leukippos ist das Pendant zu ihm. Er lässt sich von Apollos Reden nicht beirren. Ladislav Elgr verleiht dem Leukippos in Gesang und Spiel einen klaren und aufrechten Charakter. Die gepflegten und würdevoll fließenden  Stimmen von Christa Mayer und Georg Zeppenfeld passten ausgezeichnet zu den Figuren der Gaea und des Peneios. Romy Petrick und Christina Bock  ergänzten sich in den Mägdeszenen vortrefflich. Gewicht besaßen auch die Stimmen der Schäfer, die mit Martin-Jan Nijhof, Aaron Pegram, Julian Arsenault und Tilmann Rönnebeck sehr ausgeglichen besetzt waren. In großartiger vokaler als auch darstellerischer Verfassung präsentierte sich auch diesmal der Staatsopernchor in der Einstudierung von Wolfram Tetzner.

Romain Rolland sprach einmal im Zusammenhang mit „Daphne“ von der „melodiösesten Schöpfung des greisen Meisters“. Diesen Aspekt konnte man in Dresden uneingeschränkt wahrnehmen!                                       

Christoph Suhre

 

Diese Seite drucken