Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

DRESDEN/ Cockerwiese: PLACIDO DOMINGO ALS DIRIGENT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN BEIM JUBILÄUMSKONZERT VON „KLASSIK PICKNICKT“

18.06.2017 | Konzert/Liederabende

Dresden / „Cockerwiese“: PLACIDO DOMINGO ALS DIRIGENT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN BEIM JUBILÄUMSKONZERT VON „KLASSIK PICKNICKT“ – 17.6.2017

Vor 10 Jahren wurde die bei der Dresdner Bevölkerung überaus beliebte Open-Air-Reihe „Klassik Picknickt“, zunächst als einmaliger, symbolischer “Auftakt zum Duett“ gedacht, von der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen und der Sächsischen Staatskapelle Dresden ins Leben gerufen. Jetzt hat das Konzert inzwischen seinen festen Platz im Kulturkalender der Stadt und feierte nun sein 10jähriges Bestehen.

Für das Jubiläumskonzert zog man vom Manufakturgelände auf die benachbarte große „Cockerwiese“, die in den vergangenen Jahren schon von zahlreichen Zaungästen genutzt wurde, um trotz ausverkaufter Eintrittskarten doch noch am Open-Air-Konzert teilhaben zu können. Ihren Namen erhielt die Wiese 2016, nachdem sie schon lange seit einem Joe-Cocker-Konzert am 2.6.1988 im Volksmund so hieß.

Als besondere Gäste waren Plácido Domingo als Dirigent und Lang Lang als Solist eingeladen. Letzterer musste leider wegen Krankheit absagen, und so übernahm der junge russische Pianist Denis Matsuev, Gewinner des 11. Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerbes und herausragender Vertreter der großen russischen Pianisten-Tradition, der mit den bedeutendsten Orchestern weltweit auftritt, diverse Festivals leitet und in der kommenden Konzertsaison Capell-Virtuos der Sächsischen Staatkapelle sein wird, den Solopart in Pjotr I. Tschaikowskys beliebtem „Klavierkonzert Nr. 1 b‑Moll“ (op. 23). Für beide war es ihr Debüt bei der Sächsischen Staatskapelle.

Nach Meinung von Moderator Axel Brüggemann, der das Picknick sehr „wörtlich“ bzw. „mündlich“ nahm, in ausgelassener Fröhlichkeit vor Beginn des Konzertes hier einen Schluck Bier bei den Besuchern naschte, da und dort etwas Essbares „stibitzte“ und absichtlich mit vollem Mund moderierte – was zwar verpönt ist, bei ihm aber immer noch charmant wirkte – geht Matsuev der Ruf voraus, dass bei seinem Klavierspiel schon mal der Putz bzw. Stuck von den Wänden fallen könnte“, aber diese Gefahr bestand hier nicht, schon da das Konzert im Freien stattfand und das Konzertzelt neu, sehr komfortabel und stabil war.

Bei Tschaikowskys Klavierkonzert stand die Virtuosität im Vordergrund. Matsuevs Spiel war sensationell, meist „mächtig, gewaltig“ und brausend. Anfangs „prankte“ er mit kraftvollem Anschlag in die Tasten des Steinway & sons. Später gab es aber auch ruhige, sanft musizierte Passagen, bei denen seine Finger „elfengleich“ über die Tasten „huschten“ (wenn auch mehr manieriert als sensibel). Im 2. Satz bediente er sich dann als besonderen Effekt auch einmal auffallend extremen Stakkatos und beleuchtete einige Details neu und ungewohnt, meist aber entsprach sein Spiel ganz den Erwartungen und besten Traditionen bei der Interpretation dieses Konzertes mit dem virtuosen Solopart, immer auf gleicher Wellenlänge mit der Staatskapelle, die ihrerseits mit ihrer berühmten Gewissenhaftigkeit und Klangschönheit aufwartete.

Nach einem „Kurzinterview“ mit Brüggemann verlieh Matsuev seinem Hang zum Jazz (er gilt auch als Jazzpianist) mit einer jazzigen Zugabe Ausdruck. Hier gab er sich noch einmal ganz aus – bis zum „Anschlag“ – und „bekrönte“ seine Ausführungen mit zwei über fast die gesamte Tastatur „hingelegten“ Abwärts-Glissandi.

Beim Interview mit Domingo wahrte Brüggemann „die Form“ und sprach mit ihm English, obwohl Domingo, für den der Unterschied zwischen Singen und Dirigieren vor allem darin besteht, dass er beim Singen in die Gesichter des Publikums schauen kann, beim Dirigieren ihm aber den Rücken zuwenden muss, auch sehr gut deutsch spricht.

Bereits bei der eröffnenden Ouvertüre zu „La forza des destino“ von Giuseppe Verdi musste Domingo dem Publikum den Rücken zuwenden, war aber auf den Videoleinwänden meist „en face“ zu sehen. Mit ihm am Dirigentenpult spielte die Sächsische Staatskapelle mit der ihr eigenen Klangqualität und brillierte später bei der sechssätzigen „Carmen“-Suite Nr. 1 von George Bizet mit viel Temperament, aber auch sehr feinsinnigen Passagen.

Bei Tschaikowskys „Capriccio italien“ (op. 45), das auf seiner Italienreise während des Karnevals entstand, schwelgte das Publikum in beseligender Melodik und erst recht bei einer abschließenden Orchesterzugabe, einem „Intermezzo“ aus einer spanischen „Zarzuela“, bei der Domingo ganz in seinem Element war und das Orchester mit spanischem Flair sensibilisierte.

Nur das ausgesucht schöne Feuerwerk fand zum Abschluss leider hinter dem Bühnenzelt statt, so dass es für viele Besuchern zwar akustisch wahrgenommen, aber ungesehen vorüberging.

Ingrid Gerk

 

Diese Seite drucken