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DORTMUND/ Konzerthaus; DIE VERLOBUNG IM KLOSTER von S. Prokofiew – konzertante Aufführung als Teil der „Zeitinsel Prokofiew“

01.11.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Konzerthaus Dortmund  S. Prokofiew  Die Verlobung im Kloster. konzertante Aufführung am 31. Oktober 2014 als Teil der „Zeitinsel Prokofiew“

Unbenannt
Foto:  Petra Coddington

 
Sevilla ist bei Opernkomponisten ein beliebter Schauplatz. Bekanntlich lassen Rossini, Mozart und Bizet dort sehr erfolgreich Opernhandlungen stattfinden, sogar Beethoven nennt für „Fidelio“ als Schauplatz „ein spanisches Staatsgefängnis, einige Meilen von Sevilla“ Auch Sergej  Prokofiew läßt dort spielen seine lyrisch-komische Oper in vier Akten „Die Verlobung im Kloster“ – Text nach dem Roman „Die Duenna“ von R. Sheridan von Mira Mendelson (Prokofiews zweiter Frau). Komponiert wurde es 1940-1941 uraufgeführt erst 1946 in Prag und Moskau.  Dies  ziemlich unbekannte Werk wurde am letzten Freitag konzertant im Konzerthaus Dortmund aufgeführt als Teil einer  „Zeitinsel Prokofiew“, durch Solisten, Chor und Orchester des Mariinsky-Theaters St. Petersburg unter der musikalischen Leitung von Valery Gergiev. Dasselbe Orchester begleitete am Tag zuvor vier Pianisten mit  allen fünf Klavierkonzerten Prokofiews  und führte am Tag  danach sein Oratorium „Iwan der Schreckliche“ (!!) auf.

 Der Inhalt der Oper folgt  italienischer opera-buffa-Tradition, deshalb damals unverdächtig für staatliche Zensur: Zwecks Vergrösserung der Rendite seines Vermögens will der alte eigensinnige  Don Jeronimo sich an den Geschäften des reichen dummdreisten Fischhändlers Isaac  Mendoza (wohl Jude) beteiligen und ihn mit seiner jungen Tochter Luisa  verheiraten. Die liebt natürlich einen armen Jungen, nämlich Don Antonio. Den reichen Mendoza wünscht sich Luisas nicht besonders schöne Amme, die Duenna, zur Frau. Diese fädelt eine Verkleidungs- und Verwechslungskomödie ein, als deren Erfolg Vater Jeronimo unwissend der Heirat seiner Tochter mit Antonio und der Duenna mit Mendoza zustimmt. Don Jeronimos zweites Kind Ferdinand hat seine Geliebte Clara durch unerwartetes Betreten ihres Schlafzimmers geschockt. Sie sucht Ruhe deshalb im Kloster. Da Luisa und Clara verkleidet auch ihre Namen gewechselt haben, kommt es dort  zum Duell zwischen den beiden Liebhabern der vermeintlichen Clara. Letztendlich lösen sich die  Verwicklungen auf, alle drei Paare werden im Kloster  vom Abt der alkoholsüchtigen und deshalb leicht zu bestechenden Mönche getraut. Der düpierte Don Jeronimo muß zustimmen, nimmt es aber mit Humor. 

Besonders für das Verständnis der Verkleidungs- und Verwechslungsszenen ist eine konzertante Aufführung mit Mitwirkenden in grosser Abendgarderobe nicht sonderlich geeignet. Wenn z.B. Mendoza seinen prächtigen Bart pries und keinen hatte, wenn der alte Philosoph Don Carlos von grauen Haaren und seinem früheren Liebesleben erzählte, aber von einem jungen Mann gesungen wurde – mit markantem Bariton Yevgeny Ulanov – oder beim vom Orchester so deutlich zu hörenden Duell die beiden Kontrahenten sich nur bösartig anblickten, so war schon die Vorstellungskraft des Zuschauers ziemlich gefordert. Es halfen natürlich beim russisch gesungenen Text die deutschen Übertitel – eine Angabe der Schauplätze wäre passend gewesen. Der Zuhörer konnte ohne vorheriges Studium des Programmheftes nicht wissen, daß die Handlung ausser in  Don Jeromes Haus etwa auch am Kai des Hafens oder im Klostergarten spielte.

Unterstützt wurde das Verständnis durch  Spiel aller Beteiligten, besonders der witzigen Partien Don Jeronimo, Duenna und Mendoza. Alle beherrschten die Oper szenisch und sangen auswendig  –  für Notfälle stand ein Pult mit Klavierauszug bereit..

Gesungen wurde  auf sehr hohem Niveau in allen Haupt- und Nebenrollen. Als Strippenzieherin ist die  Duenna die eigentliche Hauptrolle. Sie  wurde  mit den dazu passenden stimmlichen Nuancen  bis zu den mühelos gesungenen tiefen Passagen der Mezzo-Partie hin ganz großartig interpretiert von Larissa Diadkova – da brauchte es wirklich fast keine Bühne. Das galt auch für den Don Jeronimo von Evgeny Akimov.  Mit seinem hellen bis in hohe Lagen treffsicheren Tenor gelangen ihm alle Aspekte der Partie gesanglich, gerade auch im schnellen Parlando. Er überzeugte mit etwas weinerlicher Stimme als Ruhe suchender Alter, der seine Tochter möglichst gewinnbringend an den Mann bringen will, mit gespielter Wut über die  Duenna und seine Kinder, als Dirigent im Menuett  drei Musiker zum richtigen Spiel anleitend und zum Schluß als einsichtiger „Gefoppter“

Die Rolle des Mendoza hatte kurzfristig Sergei Aleksashkin übernommen, der die Partie stimmlich und szenisch überlegen beherrschte..Mit eingebildetem Stolz sang er nuancenreich  über den Entführungsplan von Jeromes vermeintlicher Tochter, mit übertriebener Eitelkeit über seine  Schläue – ein dazu passendes erst auf- dann absteigendes Motiv kehrte in der Oper immer wieder bei „klug wie Salomo“ und wurde  von den anderen parodiert, als er feststellen mußte, selbst hereingelegt worden zu sein..

Folgend der Bezeichnung  als „lyrisch-komische“ Oper komponierte Prokofiew lyrische Passagen für die beiden Liebespaare, die manchmal etwas lang erschienen. Das glichen sie aus durch hohe Gesangskultur.  Dmitry Voropaev gab dem Don Antonio seinen lyrischen im legato der Serenade aufblühenden Tenor und passte zu dem mit  leuchtenden Spitzentönen gesungenen und naiv klingenden Sopran der Luisa von Anastasia Kalagina.  Antonios Serenadenthema aus dem ersten Akt später als Duett gesungen ist ein Leitmotiv durch die ganze Oper für die Liebe der Beiden.  Ebenso gehörten letztendlich zusammen der ausdrucksvolle Bariton des Don Ferdinand von Roman Burdenko und die Mezzopartie der Clara. Für Claras Soli besonders im dritten Akt hat Prokofiew eine fast spätromantisch anmutende Orchesterbegleitung geschrieben, die sehr schön mit dem Mezzo von Yulia Matochkina harmonierte.

Es gibt kaum Ensembles in der Oper, ausser einem Quartett im dritten Akt mit dem jungen Liebespaar Antonio und Luisa, die von ihrer Liebe schwärmen, Don Carlos, der an früher denkt, und Mendoza, der von der Entführung der vermeintlichen Luisa schwärmt – das war ein musikalischer Höhepunkt des Abends.

Die Damen des Chors sangen ihre Ware anpreisend als Fischweiber, später im Klostergarten wunderbar pp als Nonnen. Die Herren hatten den grossen Auftritt als Mönche erst besoffen Alkoholkonsum lobend und dann scheinheilig fromme Psalmen singend. Auch die Solopartien einzelner Mönche waren großartig anzuhören, erwähnt seien Andrei Popov mit ganz hellem hohen Tenor als Pater Eustaph und Yuri Vlasov mit ganz tiefem Baß als Pater Benedikt.

Mächtig wirkten dann alle zusammen beim Schlußchor, erst ganz schnell im Tempo, etwas erinnernd an Rossini – hier gab es kleine Unstimmigkeiten. Nach dem zum Handlungsort passenden „Olé“ endete das Stück dann wieder rhythmisch sehr exakt mit  einem gewaltigen gesungenen Jubel-Walzer.

Nicht nur da zeigte das großbesetzte  Orchester (allein sechs Kontrabässe) unter der bewährten Leitung von Valery Gergiev,  wie faszinierend instrumentiert, rhythmisch anspruchsvoll mit vielen Soli einzelner Instrumente Prokofiew komponierte. Während der Dirigent sich mit dem gewohnten Dirigentenstäbchen bei Begleitung der Sänger erfolgreich bemühte, diese nicht zu übertönen, konnte er besonders in den sich dynamisch steigernden Tänzen des ersten Aktes – die Oper spielt zu Karneval – zeigen, wie mächtig das Orchester  klingen konnte, sodaß  Don Jeromes Ausruf „Beendet das Lärmen“ fast überzeugte.. Am meisten beeindruckten aber die lautmalerischen Effekte, etwa die nach dem Karnevalstrubel beginnende Nachtruhe zu Ende des ersten Aktes oder der neblige Klostergarten zu Ende des dritten Aktes. Dies alles hörte man konzertant natürlich besser als aus einem Orchestergraben.

Das Publikum im vollbesetzten Parkett spendete schon zur Pause reichlich Beifall. Obwohl nach der Pause einige Plätze leer blieben gab es riesigen Schlußbeifall mit Pfeifen und Bravos, wohl besonders von den zahlreichen russischen Zuhörern.

 Sigi Brockmann 2. November 2014

PS: Sehr empfohlen sei die bei Philips erschienene DVD eines Mitschnitts aus dem Mariinsky-Theater   unter dem englischen Titel „Betrothal in a Monastery“ mit demselben Chor und Orchester unter Gergiev .mit denselben Darstellern der Duenna und des Mendoza sowie der noch ganz jungen Anna Netrebko als Luisa – beste Unterhaltung für einen Winterabend!

 

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