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Desiree Vasko-Juhasz: DIE SÜDBAHN

16.07.2018 | buch

Desiree Vasko-Juhasz:
DIE SÜDBAHN
Ihre Kurorte und Hotels
416 Seiten, Großformat, Böhlau Verlag, 2018

Zu Kaisers Zeiten stieg man in Wien in die Südbahn und fuhr bis Triest durch. Diese bequeme Variante ist längst nicht mehr möglich, aber man bleibt ja auch nicht mehr in „Österreich“ wie damals, sondern fährt „ins Ausland“, wenn man in den Süden will. Dennoch ist die Sehnsucht nach Meer und Wärme ungebrochen. Der Luxus von einst bröckelt ein wenig an der Strecke „hinunter“: Das Südbahnhotel am Semmering, das so einladend das Titelbild des großformatigen Bandes „Die Südbahn“ ziert, existiert nicht mehr als lebendiges Biotop, sondern im Grunde nur als Bauruine der Erinnerung…

Autorin Desiree Vasko-Juhasz, Journalistin und Kunsthistorikerin mit dem Schwerpunkt Architektur des Historismus und der Moderne, wird auf der Südstrecke mehr als fündig. Sie interessiert sich bei ihrer die Thematik breit ausschreitenden Schilderung sowohl für die Bahnstrecke selbst (das „Landschaftskunstwerk Semmeringbahn“ heißt es in der Einleitung) wie für die Hotels, und landet bei dem Schwerpunkt „Semmering“, der ja glücklicherweise bis heute existiert und so ergiebig ist, wenn man seine reiche Vergangenheit (mit Prominenz aller Art bestückt) betrachtet.

Die Autorin ist Wissenschaftlerin, sie weiß, dass nichts zusammenhanglos existiert, widmet sich also – hoch interessant für den, der es so genau wissen will – vergleichbaren Eisenbahnhotels in England und den USA, dem Schweizer Hotelbaustil, wo man schon lange wusste, wie man die Berge vermarktet und mit baulich reizvollen Anziehungspunkten schmückt. Auch in den Dolomiten ist man schon mit Bergen und Gastlichkeit umgegangen und hatte die Berühmtheiten aus Adel und Kunst angezogen, desgleichen in Abbazia, der „Riviera“ der Monarchie.

So hat man schon viel rundum erfahren, bis das voluminöse Buch bei seinem Herzstück, dem Semmering, anlangt, der auch mit den erweiterten Interessen der Gesellschaft zusammen hing – die „Landpartien“ des Biedermeier begnügten sich mit dem Wienerwald, aber als das Bergwandern, das Bergsteigen in Mode kam (und später dann auch der Wintersport), musste man schon weiter südlich reisen. Betont wird, dass die Familie Liechtenstein, die noch heute die Waldgebiete um den Semmering besitzt, an der Entstehung des Ortes stark mitbeteiligt war.

Die Bahn machte den Weg „hinunter“ leicht, man fuhr nach Reichenau – wie Arthur Schnitzler zum Flirt, wie der Kaiser zur Jagd. Geschickte Geschäftsleute investierten, Villen wurden gebaut (ein eigener Stil entwickelte sich), und natürlich die Hotels.

Zumal das Südbahnhotel, das noch heute etwas „Märchenschloß“-haftes besitzt, wurde typisch für die gewisserweise romantische „Erlebniswelt“ Semmering, die damals kreiert wurde (mit ausreichend flankierenden Maßnahmen in der Werbung!) und die mit Abstrichen bis heute ihre Wirkung entfaltet. Der Andrang war enorm, auch weil man zusätzlich mit der nachweislich „guten Luft“ einen „Kurort“ (Höhenkurort) anzubieten hatte. Das „Panhans“ wurde schon als Riesenkomplex gebaut, um die Gästescharen zu beherbergen.

Die „Hotelbaukunst“ des Semmering wird hier ebenso wie viele der Villen an Einzelbeispielen ausführlich dargelegt. Nur eine explodierende „Gründerzeit“ hatte Sinn und vor allem das Geld für solche Unternehmungen.

Das Buch ist zwar kein ausgesprochener Bildband, aber reich mit optischem Material versehen, das großen Reiz ausübt – Aquarelle, Stiche, Fotos, knallige Reklame-Plakate, Bilder der Natur (nicht zuletzt die Bahnstrecke), Bahnhöfe, Villen und natürlich Hotels, Hotels, Hotels, außen und innen und auch im Grundriß, Einblicke in Hallen, Festsäle, Speisesäle, auf Terrassen, wo die elegante Welt sich bewegte. Ja, sogar Fahrpläne von einst (Wien – Triest durchgehend…) üben nostalgischen Zauber aus…

Das Resümee der Autorin ist allerdings ernüchternd. Sie meint, es sei hohe Zeit, bildlich und wissenschaftlich zu erfassen, was noch existiert, da immer mehr der unikaten Bausubstanz von einst verschwindet. Ein tragisches Beispiel, allerdings von anderswo (vergleichende Fotos, wie das Hotel Gallia in Cannes 1899 aussah und welch entsetzlich seelenlosen, uniformen Kasten man nach dem Umbau knapp hundert Jahre später daraus machte), liefert den Beweis, dass die Schönheit, die einst mit dem Kommerz Hand in Hand ging, heute immer mehr dem gesichtslosen Kommerz allein zu weichen hat.

Renate Wagner

 

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