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DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER

05.10.2015 | FILM/TV, KRITIKEN

FilmCover Staat gegen Fritz Bauer~1

Ab 9. Oktober 2015 in den österreichischen Kinos
DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER
Deutschland / 2015
Regie: Lars Kraume
Mit: Burghart Klaußner, Ronald Zehrfeld, Sebastian Blomberg, Jörg Schüttauf u.a.

Man hat Fritz Bauer (1903-1968), nach dem Zweiten Weltkrieg deutscher Generalstaatsanwalt, auf der Kinoleinwand schon im Vorjahr kennen gelernt – und, um es gleich zu sagen, in einem weit überzeugenderen Film. In „Im Labyrinth des Schweigens“ von Giulio Ricciarelli wurde er von Gert Voss verkörpert, war „nur“ eine Nebenrolle, aber zweifellos doch der Mann, der dem jungen Staatsanwalt den Rücken stärkte, der endlich die Verbrecher von Auschwitz vor deutsche Gerichte brachte.

In „Der Staat gegen Fritz Bauer“ von Regisseur / Drehbuchautor Lars Kraume steht Bauer in Gestalt von Burghart Klaußner stark und überzeugend im Mittelpunkt, der Film ist allerdings durch zu viel auch sentimentale Spekulation geschwächt. Die Fakten: Bauer, Jude, einst im KZ, aus dem er sich durch eine Erklärung an die Nazis freikaufen konnte (was ihn im Film schwer belastet – man solle sich nicht den Tyrannen beugen), im Exil in Dänemark, wo er seine Familie zurückließ, Rückkehr nach Deutschland.

Staat gegen Fritz Bauer~1

Der Film setzt 1957 ein und zeigt Bauer inmitten einer Justiz, die von ehemaligen Nazis durchsetzt ist und wo die Verfolgung von Nazi-Verbrechern nach allen Regeln der Kunst hintertrieben wird. „Meine eigene Behörde ist Feindesland“, resümiert Bauer, der einsame Wolf, geschnitten, belächelt, beobachtet und, wie klar wird, natürlich als „rachsüchtiger Jude“ möglichst kalt gestellt.

Gleichzeitig erzählt Adolf Eichmann gemütlich in Argentinien (und das ist eine beklemmende Szene), seine einzige Schuld bestünde darin, die Endlösung nicht gänzlich durchgezogen zu haben…

Ging es im „Labyrinth des Schweigens“ um Auschwitz und Mengele, so ist hier die Suche nach Adolf Eichmann der Angelpunkt des Films (wobei Simon Wiesenthal allerdings nicht vorkommt). Ein Brief aus Argentinien nennt Bauer den Aufenthalt Eichmanns. Als der Generalstaatsanwalt merkt, dass er in Deutschland am Widerstand der eigenen Leute scheitert, fliegt er nach Jerusalem und wendet sich an den Mossad. Dort zögert man bei der ersten Kontaktaufnahme, möchte weitere Beweise.

Und dann nimmt der Film die Wendung zur Kolportagegeschichte, die plötzlich auf eine ganz andere Ebene umschwenkt: Auf der Suche nach Bundesgenossen wendet sich Bauer an einen seiner Mitarbeiter, an Karl Angermann, eine fiktive Figur. Es stellt sich heraus, dass beide Männer, Bauer wie Angermann, homosexuell sind, beide dennoch Familien haben, weil gleichgeschlechtliche Liebe damals noch als kriminelles Delikt strafbar ist, weil Karriere nur „mit Familie“ möglich ist.

Nun gibt es keine erotische Beziehung zwischen Bauer (wenn man ihn mit einem Kellner im Bett erwischte, wäre er erledigt, überlegen seine Gegner) und Angermann, wohl aber zwischen letzterem und einem Transvestiten (gespielt von einer Schauspielerin, Lilith Stangenberg, die einen Mann verkörpert, der eine Frau spielt… sei’s drum). Parallel laufen die Bemühungen der beiden Männer, dem Mossad einen weitern Beweis für Eichmann in Argentinien zu geben, und der Versuch von Bauers Gegnern, ihn abzuschießen…

Schließlich wird Angermann von seinem Transvestiten-Freund verraten, worauf man Angermann die inkriminierenden Fotos zeigt, ihm aber anbietet, seinerseits straflos auszugehen, wenn er Bauer als Staatsverräter denunziert (weil dieser mit den Israeli paktiert) – das führt das ganze Geschehen dann in eine Richtung, die von dem wegführt, was interessant ist.

Etwa, dass Fritz Bauer fest entschlossen war, Eichmann in Deutschland vor Gericht zu stellen und damit Namen von Nazis zu bekommen, die längst wieder als angesehene Bürger in Deutschland lebten. Aber nachdem die Israeli Eichmann gekidnappt hatten, bestand von Seiten der Bundesrepublik gar kein Interesse, dessen Auslieferung zu verlangen…

Angermann opfert sich und wird einen Prozeß auf sich nehmen, damit Fritz Bauer weiter machen kann. Dieser, zuerst scheinbar ein gebrochener Mann, rafft sich auf. Er will die Listen, die es von Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß (damals längst hingerichtet) geben soll… Womit Fritz Bauer am Ende dann tatsächlich wie der rachsüchtige Jude dasteht, was es ja eigentlich nicht sein kann…

Indem Lars Kraume in der Geschichte des Staatsanwalts, Jäger und Gejagter zugleich, trumpfartig die homosexuelle Karte spielt und dieses Thema fast schwerer macht als Fritz Bauers Kampf um die Aufarbeitung der Vergangenheit, wird das, was im „Labyrinth des Schweigens“ ein wirklich dialektisches Stück Aufarbeitung einstiger Zeitgeschichte war, hier zum äußerst sentimentalen Krimi – Ronald Zehrfeld ist ein hervorragender Schauspieler, aber wenn er sich am Ende mit waidwundem Blick für Bauer „opfert“, ist Hopfen und Malz verloren. Auch die „bösen“ Gegner (Sebastian Blomberg, Jörg Schüttauf) stammen so aus der Klischeekiste wie das schwule Milieu.

Dass es bei Bauers Tod später möglicherweise nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, deutet der Film schon zu Beginn an, wenn er rätselhaft halb ertrunken in der Badewanne gefunden wird… Der Regisseur hat nichts ausgelassen, aber hat er auch das Richtige erzählt?

Renate Wagner

 

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