
Carousel: Dragos Musat, Alexander Kaden, Martin Winter, Keisuke Nejime. Copyright: Volksoper Wien/Barbara Pálffy
DAS WIENER STAATSBALLETT IN DER VOLKSOPER – auf einem Broadway-Oldtimer aufgesprungen und ein Opernball ohne Balletteinlage
Ein rauschender Opernball, so ganz ohne große Walzerszene, ohne den exzellenten Wiener Staatsballett? Ja, so ist es. Nicht in der Staatsoper, doch in der Volksoper. Die kommende Premiere von „Ein Opernball“ – mit seinem feinen Sentiment eines der allerschönsten Relikte aus der verklungenen, der ‘goldenen‘ Wiener Operettenära – spielt im Original aber auch nicht in der Wiener Oper, sondern in der Pariser. Halt! Sollte wohl in der dortigen Oper spielen, doch Regisseur Axel Köhler, im Vorjahr sehr erfolgreich mit seiner „Vogelhändler“-Inszenierung in Mörbisch, trickst jedoch recht frech herum. Er versetzt die Story in die Gegenwart – und dazu gleich auch noch in die Volksoper. Na ja, originell will man eben wieder sein. Und: Ist der Name des Komponisten, des in Graz geborenen Richard Heuberger (1850 – 1914), überhaupt noch ein Begriff? Ab 17. Februar ist Heubergers 1898 im Theater an der Wien uraufgeführte Operette „Ein Opernball“ in der Volksoper zu sehen sein. „Komm mit mir ins Chambre séparée!“ wird verlockend dazu erklingen. Und Volksopernchef Robert Mayer dürfte voll Stolz verkünden, dass dies nun bereits die 100. Premiere während seiner Direktionszeit in der Volksoper seit der Saison 2007/08 ist.
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Carousel: Alexander Kaden & Felipe Vieira; hinten: Dragos Musat, László Benedek & Patrick Hullman. Copyright: Volksoper Wien/Barbara Pálffy
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Trotzdem: Virtuos und groß im Dreivierteltakt wird in diesem „Opernball“ nicht getanzt. Jedenfalls nicht von den Tänzern des Hauses. Choreograph Florian Hurler studiert zwar mit den Sängern einige Walzerschritte ein, doch die vierundzwanzig Mitglieder des Wiener Staatsballetts, welche den Vorstellungen der Volksoper zugeordnet sind, dazu aber auch für die Balletteinlagen in der Staatsoper – etwa für „Carmen“, „La Traviata“ – abkommandiert werden, haben sich diesmal abmelden dürfen. Von niemandem so gewollt, doch die Überlastung der Ballettkompanie an Auftritten ist dafür ausschlaggebend gewesen, dass dessen „Ein Opernball“-Einlagen gestrichen wurden. Vesna Orlic, die Ballettmeisterin in der Volksoper, begründet dies verständlich: „Unsere Tänzer sind mit ihren vielen Aufgaben in den diversen Vorstellungen voll gefordert. Es ist für uns wirklich eine harte Arbeit. Wir sind überall gefragt, in vielen Stücken, haben aber nicht so viele Tänzer. Sie müssen an rund 140 Abend pro Saison hier oder im Haus am Ring in Opern- oder Operetteneinlagen auf der Bühne stehen. Dazu kommen die eigenen Ballettabende wie gerade ‚Cendrillon‘ – und bei den Terminen gibt es auch immer wieder Überschneidungen.“
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Carousel: Alexander Kaden, Dominika Kovacs-Galavics, Marie-Sarah Drugowitsch. Copyright: Volksoper Wien/Barbara Pálffy
Auch wenn der Job ein extrem fordernder ist: Die Stimmung bei der Probe im großen Ballettsaal der Volksoper ist angenehm, keineswegs angespannt. Choreograph Francesc Abós feilt an einer großen Ballettsequenz für die übernächste Premiere im Haus. Ein Broadway-Oldtimer kommt Mitte März angefahren, und zu „The Carousel Waltz“ des Richard Rodgers wird schmissig getanzt. Franz Molnárs berührende „Liliom“–Geschichte ist für Rodgers & Hammerstein‘s Musical „Carousel“, dem großen Broadway-Hit des Jahres 1945, Pate gestanden. Aus dem Budapester Hutschenschleuderer Liliom ist dort der Billy Bigelow an der Küste von New England geworden, und ganz so gar sozialkritisch-traurige Stimmung durfte es da damals am Broadway auch nicht geben. Ausgiebig wird hier jedenfalls recht munter getanzt, und Solotänzerin Mila Schmidt als Billys Tochter Louise darf auch in starken Momenten zwischen Freud und Leid einen ausgeprägten dramatischen Ausdruck zeigen.
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Kristina Ermolenok, Marie-Sarah Drugowitsch. Copyright: Volksoper Wien/Barbara Pálffy.
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Choreograph Abós kommt aus Barcelona, ist durch die Schule von John Neumeier gegangen, hat sich als Gestalter von Shows und Musiktheater-Produktionen etabliert. Mit „Der Zauberer von Oz“ lieferte er 2014 seine erste choreographische Arbeit für die Volksoper ab. Sein populäres Markenzeichen sind die alljährlichen Shows im großen Tanzklub Lío auf Ibiza. Und schon geht es für die Volksoper-Ballerinen pausenlos weiter: Georg Friedrich Händels Dramma per musica „Ariodante“, eine seiner späten Ballettopern, hat am 24. Februar in der Staatsoper Premiere. Auf der Bundestheater-Probebühne im Arsenal wird einstudiert und der irische Choreograph Colm Seery bestimmt hier das tänzerische Design – jetzt aber auf barocken Klangrausch eingestimmt.
Meinhard Rüdenauer