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COBURG/ Landestheater: DIE LUSTIGE WITWE

06.03.2014 | KRITIKEN, Oper

COBURG: DIE LUSTIGE WITWE am 4.3.2014 (Werner Häußner)

 Es gibt sie noch, die alte Operettenseligkeit, und es gibt sogar noch vereinzelt Theater, die an den Karnevalstagen vergnügliche Unterhaltung bieten, statt mit Tragödien wie „Tristan“ oder „Turandot“ die jahreszeitliche Laune nachhaltig einzutrüben. Coburg ist so ein Landestheater bewährten Zuschnitts. Als sei die Zeit stehengeblieben, bringt am Faschingsdienstag die „Lustige Witwe“ Marsch- und Walzerseligkeit: Wenn das Studium der Weiber schwer ist, schweigen vielleicht die Lippen, aber die Füßchen bleiben – trippel trapp – in Bewegung.

Alte Seligkeit? Nicht ganz. François de Carpentries‘ Inszenierung will zwar keinen der Subtexte von Franz Lehárs derzeit meistgespielter Operette ausleuchten, hütet sich aber vor banalem Blödsinn und lustlosem Klischee-Arrangement. Die Kostüme schwelgen in Schwarz, Weiß und Rot – und es bleibt bei dieser anspielungsreichen Farbwahl von Karine van Hercke offen, ob die rot-weiß-rote Monarchie oder das schwarz-weiß-rote Reich gemeint ist. Dann wird die „Heimat“ mit sanfter Ironie beschworen, wenn Hanna Glawari ihr Vilja-Lied in Folklorekostüm in einem Kasten mit Kitschpostkarten-Landschaft singt (Bühne: Andreas Becker).

Um 180 Grad gedreht, zeigt dieser Käfig des Sentiments nur das Wort „Heimat“ – angebetet von Menschen, die sie nicht mehr finden, weder im Vergnügen noch in der Politik oder in der Liebe. Carpentries spielt auf die Sehnsucht nach Wurzeln an, macht aus Heimat ein Motiv für Menschen, die keinen Halt mehr haben: Dem Grafen Danilo, der „Liebe“ nicht mehr auf den Begriff bringen kann, bedeutet das „Vaterland“ herzlich wenig; er flüchtet sich zu den Grisetten. Hanna Glawari hat viel Geld, die Aura einer begehrenswerten Frau und ein Charisma, dem kein Mann entrinnt. Doch das Gefühl, geliebt zu werden, ersetzt ihr das alles nicht. Carpentries deutet diese Einsamkeit an, inszeniert sie aber nicht aus: Die Operette bleibt ein luftiges Abendvergnügen, ohne über sich selbst zu grübeln. Ein bissel Seligkeit eben.

Die bedeutete noch vor 30 Jahren nicht nur an Häusern wie Coburg oft miese Routine und üblen Schlendrian; man musste die leichte Muse, künstlerisch oft gering geschätzt, als Kassenfüller eben mit in Kauf nehmen. Heute herrscht weithin Unlust am „leichten“ Genre, ergänzt durch die Ratlosigkeit, wie damit umzugehen sei – auch wenn, siehe Produktionen in Berlin, Dresden, Gera, Gießen, Gegenströmungen aufbrechen. In Coburg ist dem nicht so, aber im Falle der „Lustigen Witwe“ schmälerte die Besetzung den Spaß an der Operette: Das Orchester, geschmeidig, eloquent und mit behutsam dosiertem „Schmäh“ vom langjährigen Kapellmeister Daxi Pan geleitet, hat Transparenz, lässt aber den unabdingbaren Lehár’schen Streicherglanz vermissen: die Geigen sind einfach zu dünn besetzt. Die Hanna Glawari der Gabriela Künzler bemüht sich zwar um einen mondänen Auftritt in Hosen, dem Zeichen einer selbstbewussten Frau, tötet aber jeden Anflug musikalischer Eleganz mit einer schwer ansprechenden, mühevoll tremolierenden Stimme ab.

Dem Danilo von Falko Hönisch nimmt man den innerlich ausgebrannten mondänen Beau äußerlich ab, stimmlich hat der Bariton erhebliche Probleme, der Partie gerecht zu werden: es mangelt an der geschmeidigen Linie, dem noblen Konversationston, der Leichtigkeit der Tonbildung. Julia Klein als Valencienne hat die Beweglichkeit und das feine Timbre eines jungen Mädchens, das einen älteren Herrn geheiratet hat und sich redlich bemüht, eine „anständige Frau“ zu bleiben – bedrängt von Camille de Rosillon (David Zimmer), bei dem aber die Stimme zum Hartwerden neigt.

Njegus, zum Glück nicht als alter Trottel oder plumper Witzbold angelegt, geht sein großes Solo eher hintersinnig als grobschlächtig an. Doch das Coburger Publikum sitzt wie eine schweigende Wand, von der Stephan Ignaz keine inspirierende Reaktion bekommt. Nur wenn sich der Witz dem Niveau karnevalesker Fernseh-Unterhaltung nähert, kommt Bewegung in die Runde. So bleibt der Coburger Abend weitgehend frei von Esprit; die Stimmung ist so champagnisiert wie der dünne, geschmacksarme Prosecco, den man im Pausenfoyer serviert. Und man verlässt das hübsche historische Theaterchen mit dem wehmütigen Gedanken, dass Operettenseligkeit vielleicht nur die Chimäre einer vergoldeten Erinnerung sein könnte.

Werner Häußner

 

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