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CHARLES GOUNOD: Kantaten und geistliche Musik – Palazetto Bru Zane, Collection Prix de Rome Vol. 6, Ediciones SINGULARES – 2 CDs plus Buch

30.01.2018 | cd

CHARLES GOUNOD: Kantaten und geistliche Musik – Palazetto Bru Zane, Collection Prix de Rome Vol. 6, Ediciones SINGULARES – 2 CDs plus Buch

 9788469758069

Wer Gounod „nur“ als Komponisten der zwei durch unsterbliche Arien und Ensembles zum Kernrepertoire zählenden romantischen Opern „Faust“ und „Romeo et Juliette“ kennt, wird erstaunt sein. Nämlich von der Qualität seiner geistlicher Musik abseits der „Cäcilienmesse“ oder von „Mors et Vita“ bzw. als Schöpfer packender, dramatischer Kantaten.

Auf den vorliegenden Weltersteinspielungen des Palazzetto Bru Zane (Venedig) kann der junge Gounod, der sich dreimal zwischen 1837 und 1839 um den begehrten Prix de Rome beworben hat, entdeckt werden. Für den Wettbewerb hatte Gounod die drei bislang unveröffentlichten Kantaten für Solisten und Orchester „Maire Stuart et Rizzio“, „Fernand“ und „La Vendetta“ geschrieben. Davon dürfte Gounod nur „Fernand“, mit dem er 1839 den Preis gewann und der ihm einen dreijährigen privilegierten Aufenthalt an der Villa Medici in Rom brachte, live gehört haben. Im Rahmen der Prix-de-Rome-Serie hat Hervé Niquet diese durchaus opernhaften Wettbewerbskantaten erstmals eingespielt, aber auch geistliche Musik, die während Gounods Zeit in der Villa Medici in Rom entstanden ist, so etwa die strenge a capella „Messe vocale“ im neo-palestrinischen Stil, „Christus factus est“, eine „Hymne sacree“ oder die „Messe de Saint-Louis-des Francais“. Die beiden CDs, die in eine vom Design her gediegene und inhaltlich detailreiche limitierte Buchausgabe mit fünf großen Aufsätzen (in französischer und englischer Sprache) integriert sind, spiegeln Gounods Grundkonflikt zwischen priesterlichen auf der einen und rein theatermusikalischen Ambitionen auf der anderen Seite exemplarisch wider. Dass Gounod auch in seine Kantaten (und Opern) Gebete einfließen hat lassen, des ist nicht nur die Kantate Fernand mit dem Trio „Dieu qui lit dans les cœurs“, sondern auch La Vendetta mit einem Gebet für zwei Stimmen bester Beweis. Insgesamt entstammen der liturgischen Feder Gounods 13 Messen und ein Requiem.

Als Solisten des neuen Albums sind Chantal Santon-Jeffery, Gabrielle Philiponet, Caroline Meng, Nicolas Courjal, Alexandre Duhamel, Sébastien Droy und Artavazd Sargsyan aufgeboten, es sind jedoch die Sopranistin mit dem Karamellton, Judith Van Wanroij, und der chinesische tenore di grazia Yu Shao, die den stärksten Eindruck und vokale Wonnen vermitteln.

Der Flemish Radio Choir und das Brussels Philharmonic Orchestra sind hier Pioniere und tapfere Mitstreiter dieses Vol. 6 der verdienstvollen Prix de Rome Edition. Hervé Niquet ist einmal mehr nicht nur Raritätenheber, sondern mindestens ebenso leidenschaftlicher musikalischer Wachküsser dieser fast 200 Jahre im Dornröschenschlaf vergessenen Partituren. Gescheit, wagemutig, vollmundig dargeboten, was will das Herz mehr?

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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