CD LISE DAVIDSEN singt WAGNER und R. STRAUSS, DECCA
Die 32-jährige Norwegerin wird im Sommer in Bayreuth als Tannhäuser-Elisabeth debütieren. Die Rolle hat Lise Davidsen schon erfolgreich in Zürich und München ausprobiert. Auch auf der ersten Solo-CD startet die rasch vom Mezzo zur Sopranistin gewandelte Sängerin mit den beiden Arien aus Wagners Tannhäuser. Mit ruhig geführter Stimme, satter, kühl schimmernder Mittellage und organisch darauf aufbauender edelsilbern metallisch strömender Höhe gelingen Wiedergaben, die sofort aufhorchen lassen und neugierig machen.
DECCA hat die Sängerin unter Vertrag genommen. Für genau dieses Label hat ihre berühmte Landsmännin Kirsten Flagstad 1950 mit dem Philharmonia Orchestra unter Wilhelm Furtwängler die „Vier letzten Lieder“ von Richard Strauss aufgenommen. 68 Jahre später ist nun Lise Davidsen mit demselben Orchester, eher behäbig dirigiert von Esa-Pekka Salonen mit diesem Ende der Vierziger Jahre entstandenen Zyklus vom Abschied des Lebens zu hören. Ihre Stimme erinnert mich dabei vom Typus her keineswegs an die Flagstad (wie von anderen zu lesen ist), sondern eher an die junge Jessye Norman. Auch nicht schlecht, oder?
Auf jeden Fall ist da ein Sopran am Wachsen und Gedeihen, der die Opernwelt gehörig durcheinander wirbeln wird und vorerst im jugendlich dramatischen deutschen Fach für Furore sorgt. Ihren Interviews nach zu schließen ist Frau Davidsen eine geerdete, ausgeglichene Person, die auch musikalisch genau weiß, was zu ihrer Stimme passt und wohin die Reise gehen soll. Ihre nächsten Traumrollen sind die „Marschallin“ und „Arabella“.
Die „Ariadne“ hingegen hat sie schon in Glyndebourne 2017 gesungen. Der Monolog „Es gibt ein Reich“ ist ein Glanzstück auf der Solo-CD. Hier und bei den Strauss-Liedern Op. 27 (Ruhe, meine Seele!, Cäcilie, Heimliche Aufforderung und Morgen!) , dem „Wiegenlied“ und „Malven“ sind vor allem das kunstvoll gewebte Legato samt zugehöriger glorioser Atemtechnik, die Üppigkeit des einzigartigen Timbres sowie die absolute Intonationssicherheit zu bestaunen. Da hat eine Künstlerin beim stimmlichen Haus- oder besser Palastbau richtigerweise mit den Fundamenten begonnen.
Das MET-Debüt ist für den Herbst mit Tchaikovskys Lisa aus der Pique Dame geplant. Gleich, welchen Weg diese Stimme mit Potential zur Hochdramatischen nimmt, viele Melomanen werden sie aufmerksam begleiten, sich über Erfolge freuen und vielleicht auch hoffen, dass in den aktuell von Instagram&Co. geprägten Primadonnenzirkus ein kleines Stück Normalität einkehrt.
Fazit: Eine Sängerin und Debüt-CD mit Zeug zum Kult-Status.
Dr. Ingobert Waltenberger