Kurzbericht von der Premiere des ColónRing in der Kurzfassung von Cord Garben am Teatro Colón am 27.11.2012
Götterdämmerung. Foto: Teatro Colón
Nun ist er also über die Bühne, der so viel diskutierte und mit Spannung erwartete ColónRing am Teatro Colón in Buenos Aires. Er begann um 14:30h mit je einer Pause nach „Das Rheingold“, „Die Walküre“ und „Siegfried“. Man hatte den Eindruck, die halbe europäische Wagner-Welt hätte sich eingefunden – mehrere Verbände und eine Reihe von Wagner-Weltreisenden waren da. Es war in vielerlei Hinsicht ein bedeutendes Ereignis und wird sicher Folgen für die „Ring“-Rezeption haben, auch wenn noch lange nicht alle Schnitte gleich oder überhaupt nachvollziehbar sind. Es ist ja auch nicht leicht, aus 16 Stunden „Ring“ normal nur sieben Stunden in einem Wurf zu machen.
Nach einem noch recht unentschiedenen Beginn mit dem 75-minütigen „Rheingold“ steigerte sich die Publikumszustimmung signifikant mit der „Walküre“, zumal auch für die beiden Orchester des Teatro Colón, die sich die Mammut-Aufgabe teilten, unter der bewundernswert konditionsstarken musikalischen Leitung von Roberto Paternostro. Er und das Orchester bekamen am Schluss mit einigen Protagonisten den meisten Applaus. Die junge Regisseurin Valentina Carrasco, die mit La Fura dels Baus arbeitet, aber ein völlig eigenständiges Konzept präsentieren wollte, spielte auf das illegale Verschwinden von Säuglingen während der argentinischen Militärdiktatur der 1970er Jahre an, auch heute noch ein viel diskutiertes Thema. Sie hatte dafür nach dem Ausstieg Katharina Wagners nur vier Wochen Zeit, konnte aber auf den Bühnenbildern von Frank Philipp Schlössmann aufbauen, die er noch mit K. Wagner erarbeitet hatte. Von deren Konzept war aber offenbar wenig überliefert. Es ist angesichts der kurzen Zeit ein beachtliches Ergebnis zustande gekommen, in dem trotz eines aktuellen Themenbezugs auch immer wieder der Mythos des „Ring“ durchscheint und auch einige romantische Momente einfließen, obwohl man schweren Herzens auf das Waldweben verzichten musste…
Linda Watson gewann schnell die Herzen des Publikums des nicht ausverkauften Hauses mit einer emphatisch agierenden und stimmlich beeindruckenden Brünnhilde. Marion Ammann glänzte wieder einmal als Sieglinde und hatte in Stig Andersen einen stimmstarken und charismatischen Siegmund. Jukka Rasilainen sang den Wotan und ein paar Takte des Wanderers mit einer höhensicheren, aber relativ unbeweglichen Stimme und spielte zu ausdruckslos. Leonid Zakhozhaev ließ als Siegfried darstellerisch und mehr noch stimmlich zu wünschen übrig. Simone Schröder war eine glänzende Fricka, während Sabine Hogrefe als Gutrune und Helmwige mit Höhenproblemen zu tun hatte. Daniel Sumegi sang den Hagen, Fasolt und Hunding mit rauer, belegt wirkender Stimme, machte aber schauspielerisch etwas von diesem Manko wett. Gary Jankowski war ein stimmstarker Fafner im Rollstuhl, Andrew Shore ein guter Alberich mit leichten Höhenproblemen und Stefan Heibach ein lyrisch gut artikulierender Loge. Aufhorchen ließ der charismatische Mime von Kevin Connors. Der Chor sang ausgezeichnet.
Insgesamt stellte sich der Eindruck ein, dass nach einer gewissen Überarbeitung mit dem Öffnen einiger Striche – immerhin kommen Erda sowie die Nornen und die Waltraute gar nicht und der Wanderer fast gar nicht vor, von Froh und Donner ganz zu schweigen – eine Aufführung über zwei Abende aus mehreren Gründen von Vorteil wäre, nicht zuletzt aus denen der Theaterpraxis und auch der Konditionsfähigkeit aller Beteiligten, auch des Publikums…
Nach Möglichkeit soll der Gesamtbericht morgen folgen.
(Fotos von „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ in der Bildergalerie)
Klaus Billand aus Buenos Aires