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BUDAPEST/ Staatsoper: LA BOHÈME

BUDAPEST/ Staatsoper: LA BOHÈME am 19.12.2015

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Copyright: Zsófia Pályi

Kaum zu glauben, aber die Inszenierung von Kálmán Nádasdy, den Bühnenbildern von Gusztáv Oláh und den Kostümen von Tivadar Márk ist bereits mehr als 75 Jahre alt. Eleanor Lyons, die junge Australierin, Gewinnerin des 9. Obraztsova International Wettbewerbes junger Opernsänger 2013 in Russland, war eine überragende Mimi an diesem Abend mit exzellenter Stimmführung in allen Registern. Auf ganz natürliche Weise ergänzten sich bei ihr strahlende lyrische Passagen mit wehmütigen, am Ende wunderschönen schwebenden Piani. Sie zog die Sympathien des Publikums aber auch durch ihre intensive Rollengestaltung auf sich. Dem in Belém geborenen jungen brasilianischen Tenor Atalla Ayan, Mitglied der Deutschen Oper Berlin, war dieses Mal die anspruchsvolle Rolle des Rodolfo anvertraut. Er hat diese Partie erstmals 2008 an der griechischen Nationaloper in Athen, später dann auch in Glyndebourne und Stuttgart gesungen. Seine Stimme wird von einer einschmeichelnden Italianità beherrscht und die Leuchtkraft seines höhensicheren Tenors steigerte sich von Akt zu Akt.

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Csaba Szegedi, Zita Váradi. Copyright: Zsófia Pályi

Der ungarische Bariton András Káldi Kiss gestaltete den sanguinischen Musiker Schaunard rollengerecht mit ausgezeichneter gesanglicher Phrasierung, und sein Kollege, der Bassist András Palerdi als phlegmatischer Philosoph Colline, erhielt für sein kurzes Solo im vierten Akt sogar verdienten Szenenapplaus. Für mich neu in der Rolle des cholerischen Malers Marcello war Csaba Szegedi, ein ebenfalls noch junger Nachwuchssänger der Ungarischen Staatsoper, der bereits am Stadttheater Klagenfurt gastierte. Er gestaltete einen ausdrucksstarken behäbigen Marcello mit seinem profunden Bariton, den er formvollendet in der Auseinandersetzung mit der resoluten Musette von Zita Váradi, einer bewährten Sängerschauspielerin in dieser Rolle, zum Einsatz brachte. Deren vertrottelter alter Galan Alcindoro wurde an diesem Abend von Lajos Geiger äußerst spielfreudig gestaltet. In kleineren Rollen wirkten ferner noch András Hábetler/Benoit, László Beöthy Kiss/Parpignol, Attila Fenyvesi/Sergeant der Zollwache, Pál Kovács/Zöllner und Imre Ambrus/Obsthändler mit.

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Eleanor Lyons, Attala Ayan. Copyright: Zsófia Pályi

Nachdem sich der Vorhang zum dritten Bild geöffnet hat erblickt man eine in Nebel getauchte Zollschranke, hinter der sich eine mit alten Gaslaternen gesäumte winterliche Allee perspektivisch verkürzt nach dem Bühnenhintergrund zu verliert. Schneeflocken fallen vom Schnürboden herab. Im vierten und letzten Bild hat Puccini dann auf grandiose Weise die Gegensätze von Leben und Tod gegenüber gestellt. Den ausgelassenem Tanzen der vier Künstler à musica vocale, ihrem Scheinfechten mit anschließendem kleinen Raufhandel, folgt die Ernüchterung mit der Nachricht Musettas über den besorgniserregenden Gesundheitszustand von Mimi. Diese weiß sich im Kreis der Freunde geborgen und nimmt so ihr erahntes frühes Ende ohne Furcht und ohne Auflehnung (wie etwa Violetta Valéry in la traviata) an. Während der langen Generalpause gleitet ihr Muff langsam aus ihrer erkaltenden Hand zu Boden. Die Tränen Rodolfos, der Mimi noch einmal in seine Arme schließt, mischen sich da bereits in so manchen Seufzer und Schluchzer des Publikums. Und äußerst langsam, gleichsam in Zeitlupe, schließt sich der Vorhang, als ob man mit einer Filmkamera eine Szene behutsam ausblenden würde. Sekundenlange Stille und dann setzte der Applaus zunächst noch zaghaft ein, steigerte sich dann aber zu einem wahren Furioso als die Solisten vor den Vorhang traten. Mit zum großen Erfolg dieses Opernabends trug aber auch der rumänische Dirigent Christian Badea am Pult des Orchesters der Ungarischen Staatsoper mit seinem besonders feinfühligen Dirigat, das zwischen den pastosen Passagen und jenen zarten, voller Lyrismen angereicherten Melodien Puccinis geschickt balancierte.       !                                                                                            
Harald Lacina