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BUDAPEST: FESTIVAL CAFé: CONTEMPORARY- BELA BARTOKS „CONCERTO“

BUDAPEST/ Festival CAFé: CONTEMPORARY – UND VIELE ERINNERUNGEN AN DEN VOLKSAUFSTAND

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Budapest: Das Festival CAFé mit zeitgenössischer Kunst in Hülle und Fülle und Kulturevents rund um den 60. Jahrestag der Revolution in Ungarn 1956.   

Neunzehnhundertsechsundfünfzig. Der 23. Oktober 1956 ist der Tag gewesen, an dem der nach wenigen Wochen gescheiterte Volksaufstand der Ungarn gegen die sowjetische Besatzungsmacht ausbrach. Und im Land wird die Erinnerung an diese dramatischen Tage, an denen auch viel Blut geflossen ist, hoch gehalten. Budapest gedachte des 60. Jahrestag dieses europäischen Dramas mit Festveranstaltungen (auch groß abgeschirmt im Budapester Opernhaus), mit Gedenkstunden an den zahlreichen Denkmälern für die damaligen Opfer und mit Umzügen. Fahnen wurden geschwenkt, und die Farben der ungarische Nationalflagge wurden getragen – aber auch die EU-Fahne sieht man nun häufiger als in früheren Jahren. Und die Stars der Ungarischen Staatsoper gastierten in einer Gala für die UNO in New York.

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Getanzte Sozialkritik zu Béla Bartóks „Concerto“. Copyright: Zsofia Palyi

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Getanzte Sozialkritik zu Béla Bartóks „Concerto“. Copyright: Zsofia Palyi

Als neue große Kulturattraktion der Stadt hat es im Oktober allerdings geheißen: CAFé – Contemporary Arts Festival. Ein Überblick mit zahllosen Events kreuz und quer durch die aktuellen Tendenzen in allen Kultursparten ist es geworden. Überwiegend mit kleineren Ensembles besetzt, doch im Zuschnitt wohl vergleichbar mit den Wiener Festwochen. Mit einem wesentlichen Unterschied: In Wien wurde zuletzt mit ausländischen Kuratoren bloß nur mehr reine Einkaufskultur ohne Nachhaltigkeit für die heimische Kulturszene gepflegt. CAFé bot sich jedoch international gut durchmischt an, wohl aber mit Blickrichtung auf die  Förderung eigenständiger Kultur. Bedacht, diese mit Gästen zusammenzuführen, mit Jazzern, mit moderner Musik – Schwerpunkt Penderecki, dazu Schnittke, Górecki, Steve Reich, heimische Zeitgenossen – , ergänzend mit zeitgenössischer bildender Kunst und Literatur sowie sich überschneidenden Kunstsparten. Und natürlich ist das Schaffen von Béla Bartók stets in den Mittelpunkt gerückt. Immer wieder „Herzog Blaubarts Burg“, „Der wunderbare Mandarin“. Allerdings, diese spielerischen Experimente wie ‚Bartók update 2.0‘  oder ‚Bartók Electrified‘ – solche weichen schon sehr von der Substanz der Aussage der originalen Musik ab. Das ist nicht mehr der echte edle Béla Bartók.

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Getanzte Sozialkritik zu Béla Bartóks „Concerto“. Copyright: Zsofia Palyi

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Copyright: Festival

Budapest ist immer wieder für Überraschungen gut. Innerlich supermodern gestylt ist der Várkert Bazár, ein neues Kulturzentrum in dem historischen Gemäuer der königlichen Gärten am Fuße der Burg. Ein idealer Spielort ist es geworden. Dazu wird dort ein origineller kleiner Geschichtsunterricht an den Türen der Toiletten geboten: Daten von den frühen Jahren an, beginnend 1247, dem herrschenden Haus Anjou, bis zu den Gräuel des 2. Weltkrieges und den kommunistischen Jahren. Ja, der Volksaufstand 1956 ist überall in Erinnerung gebracht worden: In den Katakomben der Staatsoper wurde die Dokumention „Kádárs Last Speech“ uraufgeführt; das Erkel Theater zeigte seine Musical-Produktion „56 Tropfen Blut“; im Operettenhaus ist „Lady Budapest“ im Jahr 1956 datiert; Tanzgruppen präsentierten in „Ein Volk schreit auf“ die damals gepflegten Tanzstile und Volkstänze.

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Ungarische Staatsoper Budapest

Und in der Ungarischen Staatsoper wurde neben zweier neuer Kurzopern von Einojuhani Rautavaara und Judit Varga wieder Lászó Seregis legendäre Choreographie von Aram Chatschaturjans „Spartacus“-Ballett einstudiert. Ambivalenz total: Als Huldigung von Chatschaturjan an die Sowjetmacht komponiert und 1956 in Leningrad uraufgeführt, erzählte Seregi 1968 hochdramatisch und tragisch aufbereitet von Schicksalen und dem Leid der von Diktatoren unterdrückter Menschen. Mit immer wieder den faschistischen Gruß zeigendem Crassus und seiner brutalen römischen Soldateska  …. gezielt auf das damals gewaltsam aufgezwungene kommunistische Regime in Ungarn. Und stimmig und interessant dazu passend  geriet die Uraufführung eines Tanzstückes von Csaba Horváth für die Forte Társulat-Kompanie. Auf all die Nerven treffenden Klänge von Bartóks „Concerto“ modellierte Horváth menschliches Befinden, Unterwerfung, Hoffnungen und Hoffnungslosigkeit in abstrakt überhöhender Form mit den aktuellen Stilmittel zeitgemäßer Tanzsprache und auch einiger Ironie.  

Österreichs Kulturbeiträge für Ungarn sind in den letzten Jahrzehnten immer höchst rar gewesen. Im CAFé-Reigen traten heuer nur Federspiel und Mnozils Brass an. Ganz wesentlich aber, mit österreichischer Hilfe, negativer: Népszabadság, Ungarns einzige regimekritische Zeitung, hat sich in Werbeaktionen anfangs des CAFé-Festivals noch besonders groß und auffällig als Kulturförderer vorgestellt: „Kultur ist unser Zuhause. So wie auch das Opernhaus. Enjoy your time!“ auf blauem Grund und mit Geige, Notenpult, Theatermasken dazu. Eine Zeitung, zuvor geführt von einer österreichischen Verlagsgruppe, welche offensichtlich der derzeitigen ungarischen Regierung gehörig folgte. Ohne Informationen für die Redakteure wurde Népszabadság am 8. Oktober über Nacht eingestellt. Damals wie heute: Man muss sich nach den Wünschen der herrschenden Politikergarde richten. 

Meinhard Rüdenauer

 

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