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BREMERHAVEN/ Schifffahrtsmuseum: DER LEUCHTTURM von Peter Maxwell-Davies

22.10.2012 | KRITIKEN, Oper

Oper im Schifffahrtsmuseum von Bremerhaven: „Der Leuchtturm“ von Peter Maxwell Davies (Vorstellung: 21. 10. 2012)


Die Oper „Der Leuchtturm“ von Peter Maxwell Davies wurde inmitten maritimer Kulisse aufgeführt (Foto: Musiktheater Bremerhaven)

Mit einer originellen Idee wartete das Musiktheater Bremerhaven auf, indem sie die Oper „Der Leuchtturm“ von Peter Maxwell Davies (geb. 1934 in Manchester) im Deutschen Schifffahrtsmuseum in maritimer Kulisse in deutscher Sprache aufführte. Es ist naheliegend, dass dies den Intentionen des Komponisten sehr entgegenkam, der seit 1971 auf der einsamen Insel Hoy in einem nahezu verlassenen Dorf seinen Wohnsitz hat. Die Uraufführung der Kammeroper fand 1980 in Edinburgh statt, die deutsche Erstaufführung im Jahr 1982 in Bremen.

Der Inhalt der Oper mit Prolog und einem Akt, deren Libretto der Komponist selbst verfasste, in Kurzfassung: In einer Gerichtsverhandlung wird versucht, das geheimnisvolle Verschwinden der Leuchtturm-Besatzung auf der Insel Fladda zu klären. – Sandy, Blazes und Arthur vertreiben sich ihre eintönige Zeit auf dem Leuchtturm mit Kartenspiel und rauen, fast brutalen Erzählungen. Als Nebel aufsteigt, glauben die drei den Schrei einer Bestie zu hören und meinen, sie töten zu müssen. Auf welche Weise die Seeleute verschwunden sind und ob die Offiziere des Versorgungsschiffs die Wahnsinnigen aus Notwehr getötet und ins Meer geworfen haben, wird offengelassen.

Die Story geht auf eine wahre Begebenheit zurück: Von 1896 bis 1899 wurde auf den Flannan Isles, die vor allem von Seevögeln bevölkert ist, ein Leuchtturm errichtet, der kaum ein Jahr in Betrieb war. Denn am zweiten Weihnachtsfeiertag 1900 meldete der Kapitän des Versorgungsschiffs: „Auf den Flannan Isles ist ein fürchterliches Unglück geschehen. … Bei unserer Ankunft war auf der Insel keine Spur von Leben zu entdecken. … Die Uhrwerke waren angehalten und auch alle anderen Anzeichen deuten darauf hin, dass das Unglück ungefähr vor einer Woche passiert sein muss.“ Der Vorfall war bald Gegenstand landesweiter Spekulationen, die Gerüchtebörse brodelte. In der offiziellen Untersuchung kam man zu dem Schluss, dass die drei Männer am Nachmittag des 15. Dezember von den gewaltigen Wassermassen einer unerwartet hohen Sturzwelle mit unwiderstehlicher Gewalt hinweg gespült wurden.

Ulrich Mokrusch, der Intendant des Stadttheaters Bremerhaven, inszenierte das Werk sehr realitätstreu als Kriminalfall der Seegeschichte, wozu er im Deutschen Schifffahrtsmuseum einen Saal mit einem Schiffstorso und einem Balkon nutzte, der wie eine Kommandobrücke wirkte. Auf ihr wurde der Prolog mit den drei Offizieren gespielt, was allerdings von einem Teil des Publikums lästige Halsverrenkungen erforderte. Mitten im Zuschauerraum stand eine bewegliche Plattform mit einem Mast, die bei Begehen sosehr schwankte, dass man auf diese Weise einen hohen Seegang imitierte. Für die ideenreiche Ausstattung zeichneten Timo Dentler und Okarina Peter verantwortlich.

Typengerecht ausgewählt waren die drei Seeleute, die ihre Rollen sowohl stimmlich wie darstellerisch überzeugend bewältigten. Der Tenor Thomas Burger musste als Sandy (auch Offizier 1) fortwährend die Streitigkeiten auf dem Leuchtturm schlichten und konnte mit seinem romantischen Liebeslied, das er mit viel Schmelz zum Besten gab, für eine entspanntere Atmosphäre sorgen. Als bibelschwingender Eiferer Arthur sorgte der Basssänger Andrey Telegin (auch Offizier 3) für dramatische Stimmung, sang er doch ein aufpeitschendes Lied über Gottes Vergeltung, während der Bariton Peter Kubik als Blazes (auch Offizier 2) eine raubeinige Ballade über die kriminelle Laufbahn eines jungen Burschen anstimmte. Mit ihren Liedern gaben die Seeleute wohl einen Hinweis auf den Charakter und die Vorgeschichte ihres Lebens. Und die Geister, die sie im Nebel wahrzunehmen glauben, lassen vermutlich auf ihre früheren Erlebnisse schließen.

Das Städtische Orchester Bremerhaven – es spielte im Schifffahrtsmuseum in Kammerbesetzung – wurde von Stephan Tetzlaff mit großem Einfühlungsvermögen geleitet. Auch bei den expressivsten Stellen der Partitur, die immer wieder den Klang der Wellen widerspiegeln, mussten die Sänger nie gegen das Orchester ansingen.

Das Publikum in Bremerhaven war begeistert und zollte den drei Sängern sowie dem Dirigenten und seinem Orchester nicht enden wollenden Beifall.

Udo Pacolt, Wien – München

 Ein echter Kriminalfall auf der Opernbühne, der im Jahre 1900 auf einer schottischen Insel tatsächlich stattgefunden hat. Peter Maxwell Davies verarbeitet ihn in seiner 1979 entstandenen Kammeroper und schafft eine mystische Stimmung zwischen Realität und Vision. Vielleicht, weil er selbst auf einer schottischen Insel lebt, kann der 1934 geborene Komponist so eindringlich die extremen Erfahrungen seiner Protagonisten nachzeichnen, die monatelange Isolation und die Naturgewalten, denen sie ausgeliefert sind.

 

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