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BRAUNSCHWEIG:PEER GYNT von Werner Egk – Sehens- und hörenswerte Opernausgrabung in Braunschweig

10.06.2015 | Oper

Sehens- und hörenswerte Opernausgrabung in Braunschweig:

„Peer Gynt“ von Werner Egk (Vorstellung: 9. 6. 2015)

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Peter Bording in der Titelrolle mit Moran Abouloff (Foto: Volker Beinhorn)

Im Staatstheater Braunschweig, das in den letzten Jahren immer wieder mit Ausgrabungen und Wiederentdeckungen von sich reden machte, wurden die Opernliebhaber mit einer besonders sehens- und hörenswerten Ausgrabung beschenkt: „Peer Gynt“ von Werner Egk. Diese Oper voll Poesie und Magie in drei Akten und einem Vorspiel nach Henrik Ibsens gleichnamigem Drama wurde 1938 als Auftragswerk der Berliner Staatsoper uraufgeführt, wo es auch 1982 unter Sawallisch mit Hermann Becht und Cheryl Studer gezeigt wurde. 

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Copyright: Volker Beinhorn

 Werner Egk (1901 – 1983) studierte in Frankfurt und bei Carl Orff in München Komposition. Von 1925 bis 1927 lebte er in Italien, ging danach ein Engagement am Münchner Marionettentheater ein und arbeitete für den Berliner Rundfunk. Seinen Durchbruch als Bühnenkomponist erlebte er mit seiner volkstümlichen Märchenoper Die Zaubergeige. Nach der von ihm dirigierten Berliner Erstaufführung 1936 wurde Egk als Kapellmeister an die Staatsoper Unter den Linden verpflichtet, in deren Auftrag er 1938 die Oper Peer Gynt schrieb. Sein künstlerisches Credo war: „Die schönste, die zauberischste Ungeheuerlichkeit, das ist die Oper.“

 Die Handlung der Oper Peer Gynt, deren Libretto der Komponist nach Ibsens Drama selbst verfasste, in Kurzfassung: Der Träumer und Phantast Peer Gynt verfolgt das Ziel, Reichtum anzusammeln, um schließlich Kaiser der Welt zu werden. So begibt er sich auf eine Reise um die Welt und trifft bald auf die zynischen, amoralischen Trolle. Er kann sich deren Manipulation nicht entziehen und wird selbst immer skrupelloser und unmenschlicher. Seine Reise entpuppt sich schließlich als Suche nach dem Sinn der eigenen Existenz. Nur die aufrichtige Liebe Solveigs und die Gedanken der Reue können Peer Gynt aus den Verstrickungen befreien und ihm Ruhe schenken.

Dietrich W. Hilsdorf, ein „alter Hase“ als Regisseur – 2007 erhielt er den Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ in der Kategorie „Beste Opernregie“ –, schuf eine realistische, kurzweilige Inszenierung, die durch ihre eloquente Personenführung begeisterte, die besonders beim Hochzeitsfest im Dorf und bei den erotischen Szenen mit der Gesellschaft der Trollen, die ihre umgeschnallten Genitalien frei tragen, augenscheinlich wurde. Stark auch der Schluss, als der heimgekehrte Peer Gynt ums Haus Feuer legt und sich in seine innere Welt zurückzieht.  Passend dazu die Bühnengestaltung durch Dieter Richter und die Kostümentwürfe von Renate Schmitzer, die für das nordische Ambiente sorgten. 

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Schlussszene mit Peter Bording als Peer Gynt und Ekaterina Kudryavtseva als Solveig (Foto: Volker Beinhorn)

 Eine Idealbesetzung war der Bariton Peter Bording in der Titelrolle. Mit seiner kraftvollen Stimme, die jeden Gefühlsausbruch Peer Gynts mühelos meisterte, und seinem schauspielerischen Können, mit dem er seine Phantasien und egoistischen Ansichten eindrucksvoll und ausdrucksstark wiederzugeben verstand, war er bühnenbeherrschend. Faszinierend die getanzte Tango-Szene Peer Gynts mit der Rothaarigen aus dem Trollreich, die von der israelischen Sopranistin Moran Abouloff mit erotischer Ausstrahlung glänzend dargestellt wurde.

 Überzeugend auch die russische Sopranistin Ekaterina Kudryavtseva in der Rolle der Solveig, deren Liebe zu Peer Gynt auch in seiner jahrelangen Abwesenheit anhält. Ebenso Mirella Hagen, deren lyrischer Sopran in der Rolle der Ingrid, Peer Gynts früherer Freundin, die den Dummkopf Mads – gespielt vom Tenor Matthias Stier – geheiratet hat, gut zur Geltung kommt.

 Schauspielerisch und stimmlich stark der amerikanische Tenor Arthur Shen als der Alte, der Herrscher der Trollgesellschaft.  Der türkische Bassist Selçuk Hakan Tiraşoğlu gab mit seiner markanten Stimme den Haegstadbauern und eine Präsidenten-Parodie (Angela Merkel mit Hitler-Bärtchen). Mystisch der Auftritt des jungen bulgarischen Bassisten Rossen Krastev als Unbekannter, der Peer Gynts Leichnam fordert, da er angeblich bereits für tot erklärt wurde. Eindrucksvoll sein Gesang des Todes.

 Für die exzellente Ensembleleistung sorgten in kleineren Rollen auch die Mezzosopranistin Anne Schuldt als Peer Gynts Mutter Aase sowie als Kaufleute der südkoreanische Tenor Michael Ha, der ukrainische Bariton Oleksandr Pushniak und der in New York geborene Bariton Malte Roesner. Besonders stimmgewaltig präsentierte sich der Chor des Staatstheaters (Einstudierung: Georg Menskes) in seinen Rollen als Hochzeits- und Trollgesellschaft.

 Dem Staatsorchester Braunschweig gelang es unter der Leitung des jungen Dirigenten Christopher Hein, die kraftvolle, spannungsgeladene Partitur des Komponisten, die auch von zarten Tönen beseelt ist und an Wagners Leitmotivtechnik erinnert, hervorragend zum Erblühen zu bringen.

 Das begeisterte Publikum belohnte alle Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Beifall, unter den sich verdientermaßen Bravorufe für Peer Gynt-Darsteller Peter Bording mischten.

 Udo Pacolt

 

PS: Die „Peer Gynt“-Produktion wird in der kommenden Saison ab 27. September im Staatstheater Braunschweig wiederaufgenommen.

 

 

 

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