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BONN: IL TROVATORE – Premiere

25.03.2012 | KRITIKEN, Oper

Il Trovatore – Opernhaus Bonn, 25.3.2012 (Premiere)


Chariklia Mavroupoulou

Spanien zu Beginn des 15.Jahrhunderts. Der Thronfolgestreit um Aragon tobt zwischen den Häusern Kastilien und Urgel, die Inquisition verbreitet unter Christen wie Nichtchristen Angst und Schrecken, im Namen Gottes werden Menschen als Ketzer oder Hexen unter dem Beifall des Volkes während eines Autodafé verbrannt. In diese Zeit hat Antonio Garcia Gutierrez sein Drama „El Trovador“ angesiedelt, das nur wenige Jahre nach seinem Erscheinen Giuseppe Verdi als Vorlage für seine Oper „Il Trovatore“ dient.

In diesen historischen Rahmen setzt auch der Regisseur  der jüngsten Premiere am Opernhaus Bonn am vergangenen Sonntag, Dietrich Hilsdorf, seine Inszenierung. Die vom Publikum bejubelte Produktion übersiedelt in der kommenden Spielzeit an die koproduzierende Wiener Volksoper und wird auch dort in italienischer Sprache zu hören sein.

Diesem auf die Historie gerichteten Blick des Regisseurs entspricht auch die Ausstattung (Bühnenbild: Dieter Richter; Kostüme: Renate Schmitzer). Das erste Bild, als „Die Hexe“ bezeichnet, spielt in einem gleichermaßen kahlen wie kalten Raum im Schloss des Grafen Luna; das zweite Bild, genannt „Das Duell“ zeigt das Zimmer der Leonora samt Bett und Paravent sowie einer Tür zum Balkon, über den später sowohl Manrico wie auch Luna kommen werden; das dritte Bild, „Die Zigeunerin“ spielt im von einer Marienstatue dominierten Hof eines verarmten Gebäudes; das vierte Bild, „Das Gottesgericht“, ist ein Kreuzgang im Kloster mit einem am Boden liegenden, zunächst abgedeckten Kruzifix; in diesem Ambiente spielt auch das fünfte Bild, „Die Hexenjäger“. Im sechsten Bild, „Der Sohn der Zigeunerin“ sehen wir Manrico und Azucena wieder im vertrauten Umfeld des dritten Bildes und die Bilder sieben („Die Rache des Rivalen“) und acht („Die Hinrichtung“) zeigen wieder die Szenen zwei und eins. Der Kreis hat sich geschlossen. 

Dieser szenische Realismus entspricht dem Regiekonzept. Einzig ein Grammophon aus der Schellackzeit in Leonoras Zimmer stört das historisierende Bild. Dass Manrico nach seinem Kampf mit Luna im dritten Bild auf Krücken erscheint, ist noch nachvollziehbar; dass er wenig später die Tür zu Azucenas Wohnung eintritt, ehe er zur Befreiung der Geliebten aus dem Kloster zieht, fällt in die Kategorie unlogisch. In die Kategorie lächerlich fällt, wenn Luna in Leonoras Zimmer ständig treppauf-treppab läuft, um nach dem Sänger im Hintergrund zu suchen. An die Grenze der Peinlichkeit – und diese auch überschreitend – geraten die Bilder vier und fünf. Im vierten Bild liegt im Zentrum der Bühne ein mit schwarzem Tuch bedecktes Kruzifix. Lunas Soldaten ziehen dieses Tuch weg, heben die Jesusfigur vom Kreuz und tragen sie aus der Szene und Luna legt sich nunmehr im Stil des Gekreuzigten unter das Tuch um sich beim Erscheinen Leonoras zu erkennen zu geben. Diese nahezu blasphemische Szene wird im nächsten Bild noch gesteigert. Nicht Lunas Feldlager zeigt uns die Bühne, sondern ein an ein Autodafé erinnerndes Spektakel. Gefangene knien in Käfigen, vermummte Ketzer werden ausgepeitscht – dies alles im Angesicht und vor den Augen der Kirche. Dass im Finale Manrico fingerlos und Azucena mit ausgestochenen Augen auftreten, ist zwar dem Textbuch nicht zu entnehmen, passt aber zur überbordenden Fantasie des Regisseurs.

Zur musikalischen Seite des Premierenabends. „Der Trovatore ist eine leicht zu besetzende Oper; man benötigt lediglich die vier besten Sänger der Welt“; man kann diesen Satz unter Opernfreunden als bekannt voraussetzen. Die vier besten Sänger der Welt konnte Bonn zwar nicht aufbieten, das wäre heute wohl auch in Mailand, New York oder Wien nicht möglich, das Sängerensemble war aber solid und sang teils mehr als achtbar. Vor allem nach der Pause schien auch eine anfängliche Premierennervosität vorbei zu sein. Jeder Manrico wird an der Stretta gemessen, egal wie gut er vorher und nachher die Partie singt. So auch George Oniani am Sonntag. Und er hat in dieser Situation Nerven bewahrt und den vom Publikum erwarteten Schlusston gemeistert. Der Beifall war im sicher. Über eine schöne Mittellage verfügt Irina Oknina, Leonora, das Vibrato in den höheren Lagen nahm im Verlauf des Abends ab; ein insgesamt hörenswertes Rollendebut. Ebenfalls sein Rollendebut feierte Mark Morouse als Luna. Der Sänger verfügt über eine große und volumenreiche Stimme; Belcanto ist nicht immer sein Gesangsstil, die positive Gesamtleistung trübt dieser Einwand nur minimal. Ramaz Chikviladze war mir für den Ferrando zu wenig dunkel timbriert, Mark Rosenthal ist ein durchaus guter Ruiz, Susanne Blattert hebt mit ihren stimmlichen Qualitäten die Ines weit über eine Nebenrolle hinaus.

Zu Recht bejubelter Mittelpunkt der Aufführung war aber die Azucena der Chariklia Mavropoulou. Sie spielt scheinbar zurückhaltend, aber gerade dieses wenig glamouröse Spiel wird im Autodafé zu ihrer Stärke; die Szenen der Zigeunerin werden geprägt durch die starke Persönlichkeit dieser Sängerin. Und auch stimmlich lässt sie keine Wünsche offen, meistert die komplexe Partie mit Bravour. Sehr gut auch die Leistung der Damen und Herren von Chor und Extrachor.

Am Pult des Beethoven Orchester stand Robin Engelen, der für meine Begriffe zu laut spielen ließ und den Sängern das Leben damit nicht leicht machte. Ob die (mir zu) langen Generalpausen seiner musikalischen Deutung entsprachen, oder eine Umsetzung von Regieideen waren, kann ich nicht beurteilen.

Das Publikum bejubelte Sänger, Dirigent, Orchester und das Leading-Team. Ob die Produktion in Wien ähnlich begeistert aufgenommen werden wird, bin ich jedoch nicht sicher.

Michael Koling

 

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