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BLINDENMARKT/Herbsttage: DIE LANDSTREICHER von Carl Michael Ziehrer

05.10.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Herbsttage Blindenmarkt, Die Landstreicher von Carl Michael Ziehrer, Premiere 4. Oktober 2013


Gabriele Schuchter als „Berta Fliederbusch“. Foto: Herbsttage Blindenmarkt

 Intendant Michael Garschall gelang heuer bei der 24. Auflage seiner „Herbsttage Blindenmarkt“ ein perfekter Coup: Er setzte die leider allzu in Vergessenheit geratene Operette Die Landstreicher von Carl Michael Ziehrer auf den Spielplan und betraute den an der Wiener Volksoper engagierten Gernot Kranner, der hier vor mehr als zehn Jahren sein Regiedebüt gegeben hatte, mit der szenischen Umsetzung. Kranner schuf eine wunderbare neue Textfassung und rückte das Werk in die Nähe einer Nestroyschen Posse mit Musik. Altmodisch könnte man sagen, aber mit toller Theaterpranke sorgte er dafür, dass die 405 begeisterten Zuschauer (so viele gehen in die zum Theatersaal adaptierte Turnhalle in Blindenmarkt bei Amstetten) bei der Premiere auch nach drei Stunden Spielzeit noch begeistert mitgingen und das Ensemble schließlich mit Standing Ovations feierten. Durchaus berechtigt, denn auch das Drumherum stimmte an diesem Abend in jeder Hinsicht. Da störte es auch nicht, dass einige Partien mit semiprofessionellen regionalen Darstellern besetzt waren, im Gegenteil das Miteinander von Laien und Profis wirkte sich durchaus positiv aus!

 Das Thema der Ziehrer’schen Rollentauschoperette aus dem Jahr 1899 ist ein ewiges: Kleider machen Leute! Ein Vagabunden-Ehepaar findet auf der Landstraße ein wertvolles Brillantencollier sowie einen Tausendkronen-Schein und schafft den Aufstieg in die sogenannte höhere Gesellschaft – das aber nur für kurze Zeit! Verkleidungen, Verwirrungen, Täuschungen und blitzschnelle Wendungen der Handlung sorgen für Tempo und Lachstürme! Wenngleich bei der Aufführung eher der Text im Vordergrund stand, sorgten doch die wunderschönen Melodien von Ziehrer („Sei gepriesen, du lauschige Nacht“, „Das ist der Zauber der Montur“, „Dünn, dünn ist die Leopoldin“ und die Fächerpolonaise), die vom Kammerorchester der Anton Bruckner-Privatuniversität in Linz unter der musikalischen Leitung von Kurt Dlouhy in erstaunlich guter Qualität gespielt wurden, für ausgelassene Operettenstimmung. Arno Popotnig hatte ein brauchbares Bühnenbild geliefert, die Kostüme (120 verschiedene Bekleidungsstücke!) von Agnes Hamvas verdienen ein Extralob, ebenso die witzigen Choreografien von Monica Rusu-Radmann.

 Natürlich konnten nicht alle Solistenpartien mit gleicher Qualität besetzt werden. Von den Nichtprofis zogen sich aber Heinz Müller und Christiana Bruckner als Wirtsehepaar durchaus gut aus der Affäre, während Christian Dunkl, der ein wenig indisponiert wirkte, mit der komödiantischen Paraderolle des besoffenen Gerichtsdieners Kampel doch zu kämpfen hatte und so manche Pointe (etwa die köstliche „Leopoldin“) auf der Strecke blieb. Im Gegensatz dazu das Urgestein Willi Narowetz, der dem Fürsten Adolar sein ureigenstes Profil gab.

 Von den Vollprofis gehörte der Abend zwei Darstellern, nämlich dem umwerfenden und in Girardi-Manier agierenden Marcus Ganser als brillanter August Fliederbusch sowie der jungen Soubrette Jasmin Bilek, die als Mimi wie ein Wirbelsturm durch die Handlung fegte und auch gesanglich ein Versprechen für die Zukunft ist. Die bekannten Namen Gabriele Schuchter (Bertha Fliederbusch) und Iva Mihanovic (Wirtstochter Anna) hatten es da schon aufgrund ihrer nicht so dankbaren Rollen nicht leicht, mitzuhalten. Erfreulich, dass Kranner sich auch mit jeder einzelnen Partie wirklich intensiv auseinandergesetzt hatte und daher Anton Graner (als Roland mit herrlichem tenoralen Schmelz), Thomas Weinhappel und Martin Mairinger (als komödiantisches Leutnant-Paar) und Ronny Hein (ein zutiefst ungarischer Lajos) entsprechend glänzen konnten.

 Nicht nur beim finalen Maskenfest zeigte der perfekt einstudierte Chor sein hohes Engagement, die Sängerinnen und Sänger spielten in jeder Phase mit 120-prozentigem Einsatz, hier könnten sich größere Bühnen etwas abschauen was Enthusiasmus und Spielfreude in Massenszenen anbelangt. Erfreulich, dass bereits alle elf Vorstellungen ausverkauft sind, zwei Zusatzvorstellungen am 19. und 26. Oktober wurden kurzfristig eingeschoben – absolut sehenswert!

 Ernst Kopica

 

 

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