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BIETIGHEIM/ Kronen-Zentrum: POLNISCHE KAMMERPHILHARMONIE SOPOT – Vorwärtsdrängende Themen

 

VORWÄRTSDRÄNGENDE THEMEN

Polnische Kammerphilharmonie Sopot am 29. Januar 2015 im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN

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Alexander Kriechel. Foto: Uwe Arens

Unter der forschen Leitung von Rodrigo Tomillo präsentierte die polnische Kammerphilharmonie Sopot ein interessantes Programm im Kronenzentrum. Gleich zu Beginn wurde bei der Ouvertüre zu Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Don Giovanni“ ein düsteres Klanggemälde beschworen. Die langsame Einleitung bannte die überirdischen Mächte, die sich verdichteten. Ein drohendes Schicksal in Gestalt des Steinernen Gastes wurde sichtbar. Starre Synkopen, grelle Sforzati begleiteten das geheimnisvolle Tremolo der Bratschen und die unheimlichen Skalengänge der Geigen. Die Bässe erhoben sich plötzlich gebieterisch – und in erregendem Forte ballten sich überirdische Mächte furchterregend zusammen. Ein ritterliches Hauptthema erschien in den Bläsern, und in herrischen Unisonoschritten trat das zweite Thema auf. In der breit angelegten Dirchführung wurden die Themen dann bei dieser Wiedergabe souverän ausgespielt. Eine Entdeckung erwartete das Publikum bei der abgerundeten Wiedergabe der Serenade für Streicher C-Dur op. 2 des mit 33 Jahren im Jahre 1909 tödlich verunglückten polnischen Komponisten Mieczyslaw Karlowicz. Hier beschwor der Komponist meisterhaft die Serenaden der Wiener Klassik herauf. Die traditionelle Marscheröffnung leitete schwungvoll zu ständig wechselnden Charakteren und Tempi über. Melodische Intensität beschrieb die Stimmung eines Verehrers, der seiner Angebeteten ein Ständchen darbringen wollte. Diese Szene musizierte die wunderbare polnische Kammerphilharmonie Sopot mit nie nachlassendem Elan und innerem Feuer. Immer wieder machten sich Anklänge an Richard Strauss bemerkbar. Die Geigen-Sequenzen erinnerten an dessen Tondichtung „Till Eulenspiegel“. Im zweiten Satz entwickelte sich dann ein leidenschaftlicher Dialog zwischen tiefen und hohen Streichern. Im schwelgerischen Walzer des dritten Satzes machte sich eine chromatische Abwärtslinie plastisch klar bemerkbar. Tänzerisch ausgelassen erschien das rasante Finale. Der 1989 geborene Pianist Alexander Krichel war der hervorragende Solist bei Frederic Chopins „Krakowiak“ – Grande Rondeau de concert F-Dur op. 14. Hierbei triumphierte die polnische Folklore. Rassig-feurige Atmosphäre setzte sich bei Alexander Krichels hochvirtuosem Spiel konsequent durch. Der Krakauer Tanz war hier in seinem raschen Zweiviertel-Rhythmus dem böhmischen „Furiant“ und dem russischen „Gopak“ ähnlich. Brillant vereinte Krichel die harmonischen Extreme. Nach der Pause begeisterte das Publikum die stürmische Interpretation von Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonie in D-Dur KV 504 „Prager“. Die hintergründig-leidenschaftliche Atmosphäre des „Don Giovanni“ betonte der Dirigent Rodrigo Tomillo einfühlsam. Der trügerische Anfangs-Prunk und das ermattete Niedersinken im Schmerzsymbol des chromatischen Quartfalls wirkte sogleich erschütternd. Und das Kopfthema erschien dabei seltsam gehetzt und von innerer Unruhe erfüllt. Aus der hastenden Stimme der ersten Geigen löste sich eine Vorahnung des Ouvertüren-Themas der „Zauberflöte“, während die zweiten Geigen diesem Thema ein merkwürdiges Schwanken und suchendes Drängen entgegenstellten. Die abschließende Bläserfigur verscheuchte das Thema wirkungsvoll. Fahles Moll meldete sich beim Themenkomplex der geheimnisvollen Seitengedanken. Die echte Durchführung nahm das erste Thema mit der gelehrten Miene des Kontrapunktikers unter die Lupe. Und nach diesem kämpferischen Teil kam das zweite Thema als erhabene Wiederkehr in der Reprise. Die polnische Kammerphilharmonie Sopot unter der Leitung von Rodrigo Tomillo spielte diese Passagen mit präziser Betonung. Nach dem chromatischen Quartfall hob der seltsame Gesang des Andante an, die Stimme der Erregung setzte sich bei dieser Wiedergabe reizvoll durch. Starke innere Unruhe beherrschte auch das meisterhaft interpretierte Presto-Finale, wo sich die Durchführung bedrohlich verdüsterte. Dem zweiten Thema wurde nur wenig Platz vergönnt. Zum Abschluss faszinierte Alexander Krichel die Zuhörer nochmals bei Frederic Chopins Variationen über das Thema „La ci darem la mano“ aus Mozarts Oper „Don Giovanni“ in B-Dur op. 2. Dämonische Abgründe wurden dabei bis zur Coda aufgerissen. Robert Schumann schrieb über diese Komposition des 17jährigen Chopin: „Hut ab, Ihr Herren, ein Genie!“ Neues und Merkwürdiges blitzt bei dieser Komposition immer wieder hell hervor. Schon bei der frei improvisierten Introduktion agierte Alexander Krichel mit transparentem und sphärenhaftem Tastenanschlag, der sich immer mehr verfeinerte. Das von A nach B transponierte Thema erstrahlte in hellem Glanz. Und die Zweiunddreißigstelpassagen des zweiten Themas blitzten leuchtkräftig hervor. Amouröse Grazie beherrschte die dritte Variation. Weite Sprünge beider Hände kennzeichneten die bravouröse vierte Variation. Schimmernde Farbenpracht zeigte sich beim b-Moll-Adagio. Glutvolle Deklamation umspielte den Dominantschluss. Rodrigo Tomillo begleitete den Solisten mit der polnischen Kammerphilharmonie Sopot sehr dezent. Bei seinen Zugaben überraschte Alexander Krichel das Publikum mit einer fantasievollen, harmonisch ausufernden Eigenkomposition sowie Impressionen aus Venezuela. Er studiert zurzeit noch am Royal College of Music in London und gewann bei Wettbewerben mehrere erste Preise.      

 

ALEXANDER WALTHER   

 

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