Chorkonzert in der katholischen Kirche St. Laurentius Bietigheim
RAUSCHHAFTE KLANGFÜLLE
Französische Chormusik in der katholischen Kirche St. Laurentius am 29. Juni 2014/BIETIGHEIM-BISSINGEN
Die hervorragend disponierte Kantorei St. Laurentius unter der inspirierenden Leitung von Jürgen Benkö bot zusammen mit Tobias Horn (Orgel) und Michael Stadtherr (Chororgel) ein fulminantes konzert mit französischer Musik für Chor und zwei Orgeln. Die imposante Messe fis-Moll op. 36 für zwei Chöre und zwei Orgeln von Charles-Marie Widor bestach zum einen durch enormen thematischen Reichtum, zum anderen durch genaues Stilempfinden hinsichtlich der klassizistisch-spätromantischen Orientierung. Mit strahlkräftiger Intonationsreinheit agierte hier der Chor, dessen klangliche Eigenständigkeit die Zuhörer stark beeindruckte. Charakteristische Dur-Moll-Wechselspiele wirkten bei dieser subtilen Wiedergabe ausgesprochen aufregend und dynamisch kontrastreich. Impressionistisch gefärbt war dann die wertvolle Motette „Tu es Petrus“ für Bariton, Chor und Orgel von Gabriel Faure, wobei Martin Hähnlen mit sonorem gesanglichem Reichtum eine erstaunliche Klangfülle erreichte. Eine berührende harmonische Bewegungsform paarte sich dabei mit reizvollen rhythmischen Mustern und bestimmender Artikulation. Interessant war ferner die Begegnung mit Cesar Francks „Veni creator“ für Sopran, Bariton und Orgel, wo Regina Pierro und Martin Hähnlen sich ausgesprochen nuancenreich ergänzten. Die schwerblütige Natur Cesar Francks zeigte sich bei dieser aufwühlenden Wiedergabe mit der Kantorei St. Laurentius anhand vieler Passagen. Man meinte zu spüren, wie geschickt Franck hier die barocke und mittelalterliche Formenwelt neu belebte. Der Choral dominierte hier als geistiges Leitmotiv. Auch das chorale Melos mit seinen nie nachlassenden Intervallspannungen ging dem Publikum unter die Haut. Im Rauschen der Arpeggien prägte sich die gewaltige mystische Ekstase tief ein. Sanfte Feierlichkeit schwebte dabei über den Harmonien. Selbst der Einfluss Liszts und Wagners war herauszuhören. Ähnlich eindrucksvoll gelang dem Ensemble die Motette „Panis angelicus“ für Sopran, Chor und Orgel von Cesar Franck, wo die auf kühnen Orgelpunkten in kirchentonartlicher Kadenzierung beruhenden Harmonieverbindungen ausgesprochen grell hervorleuchteten. Und die vorhaltreiche, enharmonische Modulationstechnik kam ebenfalls nicht zu kurz. Kontrapunktische Meisterschaft und linear-expressive Polyphonie fügten sich zum rauschenden Klangkosmos zusammen. Religiöse Visionen steigerten sich mit gewaltiger Intensität. Das war eine Sternstunde des Chorgesangs.
Diese setzte sich auch bei „Ave Maria“ für Sopran, Bariton und Orgel von Cesar Franck fort, wo der feierliche Prozessionsgesang vor allem von der Sopranistin Regina Pierro gut betont wurde. Aufschlussreich war zudem die beglückende Begegnung mit der Messe solennelle cis-Moll op. 16 für Chor und zwei Orgeln von Louis Vierne, wo die sphärenhaften Momente und charakteristischen Synkopen sich konsequent behaupteten. Ein gewisser motorischer Gestus wurde von Jürgen Benkö mit der konzentriert agierenden Kantorei ebenfalls glanzvoll betont. Offenbar wurde hier ein riesiger Ausdrucksradius von Vergeistigung bis hin zu glitzernd-eleganter Virtuosität. „Himmelsfanfaren“ schienen zuletzt Marcel Dupres Motette „Laudate Dominum“ op. 9 für Chor und zwei Orgeln zu beherrschen. Ein irisierender klanglicher Zauber dominierte bei dieser Wiedergabe. Viele Motive ergänzten sich gegenseitig oder standen in elektrisierendem Kontrast zueinander. So entstand eine starke „orchestrale“ Klangfülle auch bei den Orgelpassagen.
Alexander Walther