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BERNAU/ Marienkirche/ Festival Alter Musik: ESTHER von Cristiano Giuseppe Lidarti – Szenische Aufführung

22.09.2018 | Oper


Esther – die Musikantinnen und Musikanten. Copyright: Marianne Grätz

Bernau/ Marienkirche: 25 Jahre Festival Alter Musik Bernau, Szenische Aufführung des Oratoriums ESTHER von Cristiano Giuseppe Lidarti, 21.09.2018

Im nächsten Jahr wird die St. Marienkirche in Bernau bei Berlin, ein beeindruckender Backsteinbau mit zahlreichen Schätzen, 500 Jahre alt, doch bereits jetzt wird gefeiert. Nicht schon dieses halbe Kirchenjahrtausend, sondern „25 Jahre Festival Alter Musik Bernau, eine mutige Initiative von Musikliebhabern, die 1993 – relativ kurz nach der Wende – die Initiative ergriffen hatten.

Inzwischen erfährt dieses Festival über die kleine Stadt hinaus Wertschätzung. Zu verdanken ist das zum großen Teil dem offenbar sehr rührigen Förderverein, der eine stattliche Anzahl von Sponsoren um sich geschart hat. Und selbstverständlich den musik- und kulturinteressierten Bernauern, zu denen sich zunehmend die Berliner gesellen.

Wieder mit dabei sind auch die Barockexperten der 1984 gegründeten lautten compagney Berlin, die unter der Leitung von Wolfgang Katschner international gastieren. Heute Abend werden sie – zusammen mit der Musikschule Barnim – ein „Concerto Veneziano“ mit der Musik von Giovanni Gabrieli darbieten, ebenfalls in der Marienkirche.

Zum Auftakt am 21. September gab es eine echte Ausgrabung: das Oratorium „Esther“ von Cristiano Giuseppe Lidarti (uraufgeführt in Pisa 1774), eine hebräische Adaption von Händels gleichnamigem, aber viel bekannterem Werk aus dem Jahr 1732.

Lidartis verschollene Komposition wurde erst Ende des 20. Jahrhunderts in der Universitätsbibliothek Cambridge wieder entdeckt und ist das längste und am umfangreichsten instrumentierte Stück bis heute bekannter jüdischer Kunstmusik aus dem 17. und 18. Jahrhundert, ist im Programmheft zu lesen.

Auch sei die Geschichte von Esther die Grundlage des Purimfestes, des jüdischen Osterfestes. Erzählt wird, wie der Oberste Minister Haman aus Rachsucht die Tötung sämtlicher Juden im damaligen Perserreich (heute Iran) plante. Königin Esther erwirkte jedoch bei ihrem Gatten Xerxes Gnade und rettete damit das jüdische Volk.

Diese alte Story hat das spanische Ensemble „Le Tendre Amour“ (= zärtliche Liebe) für sich entdeckt und bietet unter der Leitung des argentinischen Clowns, Schauspielers, Zirkus- und Theaterregisseurs Adrián Schvarzstein eine halbszenische, ins Lustige gewendete Aufführung mit einiger Publikumsbeteiligung.

Zuvor schon betätigt sich Schvarstein höchst intensiv als clownesker Muntermacher, küsst zwei Herren auf die Halbglatze, die das tapfer ertragen, trägt Damen zu ihren Sitzen und holt sich einen Helfer aus den Anwesenden.

Auch verteilt er Rasseln, mit denen die Zuhörer/innen Krach machen sollen, wenn der Name des Bösewichts „Haman“ fällt, was geübt und dann auch gerne getan wird. Weniger von dieser Art Animation und Schvarzsteins Selbstdarstellung wäre mir lieber gewesen, zumal er später mit einem kräftigen, wohllautenden Bariton überrascht.


Esther, gesungen von Aurora Peña. Copyright: Marianne Grätz

Bella figura macht auch stimmlich die 28jährige Sopranistin Aurora Peña, die in Barcelona mit hörbarem Erfolg Alte Musik studiert und seither zahlreiche Preise erhalten hat. Sie sang bereits auf spanischen Opernbühnen und in internationalen Konzerthäusern und überzeugt mit lockerer Kehle.

Mühe- und ermüdungslos gestaltet sie die langen Koloraturketten und erfüllt damit den ganzen Kirchenraum. Auch darstellerisch kann sie dieser Esther Leben einhauchen, wenn sie sich ausdrucksstark gegen das den Juden drohende Schicksal empört, um dann erstaunlicherweise mit dem eigenen Gatten (!) zu flirten. Erfolgreich veranlasst sie ihn zur Milde gegenüber den Juden und zur Verurteilung von Haman. Ihre Freude jubelt sie mit einem Halleluja heraus, und erhält dafür soviel Applaus, so dass sie diese rasante Arie nochmals durch die Kirche schmettert.

Sehr zu loben sind auch die fitten, hoch engagierten Instrumentalisten/Innen: Farran Sylvan James (Violine), Katy Elkin (Oboe), Hannah Freienstein (Violoncello), Benjamin Gaspon (Traversflöte) und Esteban Mazer (Cembalo). Sie alle waren mit spürbarer Begeisterung und mitschwingend bei der Sache. Die Palme gebührt der mitreißenden Violinisten Farran Sylvan James! Insgesamt starker und verdienter Beifall.

Ursula Wiegand

 

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