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BERN: LUCIA DI LAMMERMOOR – Premiere

30.01.2012 | KRITIKEN, Oper

Lucia di Lammermoor am Stadttheater Bern: Premiere vom 28. Januar 2012


Silvia dalla Benetta. Foto: Annette Boutellier

 Es sind dies die Abende, wo man sich ernsthaft fragt, ob man eigentlich in der richtigen Aufführung ist und was man in dieser kaum nachvollziehbaren, verworrenen Deutung zu suchen hat.

 Die Produktion von Kay Kuntze (Inszenierung) und Duncan Hayler (Bühne, Kostüm) ist abstrus und wirr, ein guter Beleg dafür, dass eine Inszenierung mit viel Effekthascherei kaum besser wird. Hier wurde mit schwer-düsteren Bildern gearbeitet und mit technisch aufwendigen Projektionen, wie Wasser und Feuer, störendes Theater produziert.

 Abgesehen davon fragte man sich, weshalb die Aufführung mit einem riesigen Knallgetöse zu beginnen hatte, weshalb es ununterbrochen regnete – was sich wiederum störend auf die wunderbare Musik auswirkte – warum Alisa wie eine verfolgte Geisteskranke herumirrte und nach dem Tode Lucias ein totgeborenes Kind in den Armen hielt. Es scheint sowieso ein Markenzeichen des Regieteams zu sein, jede Deutung zu visualisieren. Die tote Mutter entschwebte aus dem Brunnen und flog gegen den Himmel. Lucia lebte in einem Spinnennetz und schlief in einem Cocon. In der Wahnsinnsarie stand die Soloflöte Sakura Kindynis auf der Bühne neben Lucia, sie tanzten miteinander und küssten sich. Lucias Wahn endete beim letzten Abendmahl und sie verbrachte ihre letzten Minuten am getafelten Tisch mit 12 Kreaturen – sie waren als Menschen kaum zu erkennen, usw.

 Zwischendurch lohnte es sich, ohne schlechtes Gewissen zu haben, die Augen zu schließen und der Musik zu lauschen. Obwohl auch in dieser Hinsicht nicht wirklich Bemerkenswertes zu hören war.

 Silvia dalla Benetta wurde als indisponiert angekündigt und hatte die Generalprobe nicht gesungen, von dem her gesehen konnte man ihre Leistung an diesem Abend nicht abschließend würdigen. Sie hatte sehr zurückhaltend begonnen und mit leicht sprödem Ton fast schon vorsichtig die erste Szene und das Duett mit Edgardo angegangen. Bald schwang die Stimme ins Dramatische aus, gewann zunehmend an Lautstärke und wurde sehr spitz und schrill. Trotzdem geriet das „Il dolce suono“ zu einem schönen Moment, in dem die Zeit stehen zu bleiben schien und ein ganzer Saal voller Spannungen den Atem anhielt.

 Wohl die beste Leistung an diesem Abend bot Hoyoon Chung mit seiner beeindruckenden Interpretation des Edgardo. Sein Timbre war sehr schön und die Phrasierungen wurden bemerkenswert ausgereizt ohne je die Belcantolinie zu verlassen.

 Robin Adams ist beim Belcantofach nicht wirklich am richtigen Ort, zu sehr wirkte seine kernige Stimme hart, und sein heller Bariton war den Anforderungen nicht immer gewachsen, vor allem in den tieferen Lagen.

 Die Partie des Raimondo wurde mit Carlos Esquivel besetzt, dessen Bass ein starkes Vibrato aufwies und auch stilistisch nicht auf der Höhe war.

 Als Arturo war der Tenor Giacomo Patti stimmlich unspektakulär dafür darstellerisch präsent und Hélène Couture verfügte über einen runden und schönen Mezzosopran und ergänzte als Alisa das Ensemble gekonnt.

 Der von Simon Rekers einstudierte Chor sang tadellos, klangschön, homogen und effektsicher.

 Das Berner Symphonieorchester stand unter der Leitung von Srboljub Dinic. Statt dynamischer Schattierungen dominierte überwiegend ein zu undifferenzierter Hang zum Forte.

 Das Publikum goutierte die Aufführung mit wohlwollendem Beifall und Bravos, was doch auch darauf hinwies, dass Oper und ihre Interpretationen Geschmackssache bleibt.

 Marcel Paolino

 

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