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BERLIN/Staatsoper: TOSCA

02.03.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

BERLIN/Staatsoper im Schiller Theater: TOSCA am 28.2.2014

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Schlussapplaus. Maria José Siri, Thiago Arancam, Maximilian Krummen (Sciarrone). Foto: Dr. Klaus Billand

 Schon seit dem 3. März 1976 steht die „Tosca“-Inszenierung von Carl Riha auf dem Spielplan der Berliner Staatsoper, die ja zur Zeit – und wohl auch noch recht lang, wenn man die Lindenoper im derzeitigen Zustand sieht – im Schiller Theater spielt. Anna Tomowa-Sintow sang unter Otmar Suitner damals die Premiere triumphal – ein großer Name, nicht nur als Tosca. Noch größere gehen ihr in der „Tosca“-Geschichte der Staatsoper voraus, wie in einem interessanten Aufsatz von Manfred Haedler im Programmheft zu lesen ist, darunter Maria Labia, Berlins erste Tosca, noch in Hans Gregors Komischer Oper (1907), Vera Schwarz, die erste Tosca Unter den Linden (1921), Mafalda Salvatini, vielbeschäftigte Tosca der Lindenoper in den zwanziger Jahren, Maria Müller, Viorica Ursuleac, Tosca der dreißiger und vierziger Jahre, Franziska von Dobay, Liselotte Enck, Hilde Scheppan, Christel Goltz, die mit Keilberth 1950 aus Dresden kam, Gertrude Grob-Prandl und schließlich Ludmila Dvorakova.

 Angesichts dieser „Ahnengalerie“ hatte es Maria José Siri nicht gerade leicht zu bestehen. Aber sie spielte und sang die Rolle der eifersüchtigen Diva nach etwas zaghaftem Beginn immer überzeugender und einnehmender. Mit ihrem hellen Sopran bewältigte sie alle Höhen mühelos und hatte auch das nötige Melos und eine facettenreiche Phrasierung für die verhaltenen Passagen. Dazu gesellte sich ein hohes Maß an Empathie in ihrer Darstellung der Beziehung zu Cavaradossi mit gekonnter Koketterie und dem aussichtslosen Kampf um das Leben ihres Geliebten mit großer Tragik und Verzweiflung. Eine gute Leistung. Egils Silins war Siri in diesem Kampf ein mehr als ebenbürtiger Partner, ein Scarpia von besonders zynischer und menschenverachtender Qualität. Sein Wotan-gestählter Bassbariton, mit eher hellem Timbre, bester Diktion und perfektem Stimmansatz, passte ausgezeichnet zu diesem Rollenprofil und zur Partnerin. Somit wurde die große Auseinandersetzung im 2. Akt zum herausragenden Höhepunkt des Abends. Leider konnte der junge Thiago Arancam nicht auf diesem Niveau mithalten, obwohl er darstellerisch sein Bestes für eine authentische Gestaltung des Cavaradossi gab. Allein, sein lyrisch timbrierter Tenor ist einfach zu kopflastig und klingt zu nasal, um die Freude über die durchwegs erreichten tenoralen Höhen ungetrübt zu lassen. Die Stimme hat zu wenig Resonanz, klingt nicht wirklich warm und wirkt immer wieder out of focus – Dinge, die man möglicherweise mit einer veränderten Technik in den Griff bekommen könnte. Sehr gut sind alle Nebenrollen besetzt mit Raimund Nolte als stimm- und ausdrucksstarkem Mesner, Gyula Orendt als verzweifeltem Cesare Angelotti, Maximilian Krummen als Sciarrone, Florian Hoffmann als Spoletta, Grigory Shkarupa als Kerkermeister, der einmal großzügig und mitleidsvoll den angebotenen Ring ablehnt, und last but not least einem klangvollen Sängerknaben.

 Das eher konventionelle Bühnenbild von Wolfgang Bellach in der Ästhetik der 1970er Jahre passte mit den auch von ihm entworfenen Kostümen um die Spielzeit der „Tosca“ im Jahre 1800 zu diesem Verismo-Stück, in dem es ohnehin vor allem auf die Stimmen ankommt. So hat die Optik dieser „Tosca“ ein hohes Maß an Ähnlichkeit mit der noch viel älteren Wallmann-Produktion aus den 1950er Jahren in Wien. Dabei fällt aber das Te Deum in Berlin mit einer seitlich nur bedingt sichtbaren Altarszene relativ bescheiden aus und entfaltet somit nicht die zu der bombastischen Musik des Aktschlusses passende Dynamik. Der Mittelakt wirkt auch durch seine bildliche Opulenz weit eindrucksvoller als die beiden Randakte, die – auch in der Choreografie – etwas blass bleiben.

 Stefano Ranzani dirigierte die Staatskapelle Berlin mit starker Akzentsetzung in den dramatischen Phasen, ließ es aber doch an italienischem Kolorit fehlen. Es klang in der Tat wie eine deutsch musizierte „Tosca“, zumal es auch immer wieder mal zu laut wurde, gerade bei den Blechbläsern auf der rechten Seite. Allerdings muss man die bekanntlich nicht unbedingt für die Oper zuträgliche Akustik des Schiller Theaters in Rechnung stellen. Die von Martin Wright einstudierten Chöre sangen stimmstark und transparent.

 Etwas wundern konnte man sich, zumal in der Berliner Staatsoper, schon über gewisse Publikumsreaktionen. Zunächst erntete ein Herr, der seinen Platz in der ersten statt in der richtigen zweiten Reihe suchte und dabei in den bereits auf den Dirigentenauftritt gerichteten Scheinwerferkegel geriet, lautstarkes Gelächter und Szenenapplaus, als er schließlich seine Bleibe gefunden hatte. Danach ließen seitliche Türschließer genau in dem Moment noch Besucher ins Parkett, als es dunkel wurde, schon alle saßen und die Musik begann. Als die Neunankömmlinge sich endlich niedergelassen hatten, begann der gute Angelotti bereits mit seinem Part… Und als Tosca im 1. Akt Cavaradossi mehrmals bat, der guten Atavanti doch schwarze Augen zu malen, gab es überaus heitere Reaktionen im Publikum, welches scheinbar selbst mit dieser wahrscheinlich meistgespielten Oper noch Neuland betrat. Manchmal wäre es wohl besser, wenn der Text oben nicht auf Deutsch mitläuft…

 Insgesamt war es also ein zwar guter, aber recht konventioneller Abend in der Berliner Staatsoper, der sicher nicht dem entsprechen dürfte, was sich der just in diesen Tagen vom Regierenden Bürgermeister zum neuem Berliner Kultur-Staatsekretär berufene Kulturmanager Tim Renner von der Berliner Kunstszene vorstellt. Der 49-Jährige kommt aus der Popkultur und Kreativwirtschaft und eröffnete seine Vorstellungen von einer künftigen Berliner Kulturpolitik mit den Worten: „Ich trenne nicht zwischen E- und U-Kultur. Für mich ist Kultur alles zwischen Barenboim und Berghain.“ und „Die Kreativen sind der Grund für Wachstum und der Grund, warum Berlin attraktiv ist.“ Der Intendant der Staatsoper, Jürgen Flimm, dazu: „Wir verlassen uns ganz auf die Weisheit des Regierenden Bürgermeisters.“ (Berliner Zeitung vom 28.2.2014, Tag der Aufführung)

(Fotos in der Bildergalerie)

 Klaus Billand

       

 

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