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BERLIN/ Staatsoper: LA FINTA GIARDINIERA – Premiere

25.11.2012 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Berlin, Staatsoper: Premiere „LA FINTA GIARDINIERA“, 24.11.2012


Annette Dasch, Sandrina, Joel Prieto, Contino Belfiore, Foto Ruth Walz

Lieber Himmel, wie viele Interviews gingen dieser Premiere voraus! Mit Hans Neuenfels, versteht sich, denn der inszeniert erstmals an der Staatsoper (im Schillertheater) und widmet sich einer kaum bekannten Oper des jungen Mozart, „La Finta Giardiniera“.

Die Berliner Erstaufführung unter dem Titel „Die Gärtnerin“ datiert von 1893(!) in der damaligen Hofoper Unter den Linden. Das war’ dann. Dennoch bezeichnet die Staatsoper dieses Frühwerk als ein „Juwel der Opernliteratur“ und meint, es sei „schlicht ein Meisterwerk“.

Tatsächlich ist Wolfgang Amadeus’ Genialität schon herauszuhören, und die Staatskapelle Berlin unter Christopher Moulds bietet viel echten Mozart-Sound. Andererseits verwundert es nicht, dass dieses langatmige Stück zu Gunsten Mozarts späterer Erfolgsopern in Vergessenheit geriet. „Tote soll man ruhen lassen,“ lautet ein auch im Opernkreisen gebräuchlicher Ausspruch. Lohnt sich die Ausgrabung? Nach der Pause blieben einige Plätze leer.

Das Positive zuerst: Neuenfels hat das 5-stündige Singspiel auf rd. 3 Std. zusammengestrichen. Auch hat er ein neues Libretto geschrieben und nennt das Stück „Die Pforten der Liebe“. Seine Begründung: „Das ursprüngliche Libretto ist so doof, das geht nicht“, so stand es in der Berliner Zeitung. Vermutlich hat er damit Recht.

Da er aber wieder zusammen mit seiner Frau Elisabeth Trissenaar anreist, nimmt er sich auch das Recht, für sie eine umfängliche Rolle hinzu zu erfinden. Als Contessa „bereichert“ sie – nach den Texten ihres Mannes – die meisten Szenen mit Ausführungen über das Alter und die Erfahrungen eines alt gewordenen Paares. An sich keine schlechte Idee, doch dieser Dauerkommentar nervt, mich zumindest. Zuletzt schiebt sie den Conte (Markus Boysen), ihren demenzkranken Mann, im Rollstuhl über die Bühne. Er werde wie ein Phönix aus der Asche emporsteigen, suggeriert sie ihm im Krankenschwester-Ton. Dann brüllt er wirklich mehrmals „Phöööööönix“ und stirbt.

Was soll wohl mit dieser Holzhammer-Methode vermittelt werden? Schaut, Liebe bis zuletzt? Oder macht sich hier jemand über diese Krankheit in zynischer Weise lustig, vielleicht aus Angst, ihr selbst zum Opfer zu fallen??

Ansonsten bemühen sich Neuenfels und Reinhard von der Thannen (Bühne und Kostüme) die nach wie vor reichlich saft- und kraftlose Herz-Schmerz-Story aufzupeppen. Immer neue Bühnenbilder möchten das Interesse wach halten. Auch Menschenaffen grinsen uns auf großen Videobildern an.

Ansonsten erleben wir, was zu erwarten war: Wo Neuenfels draufsteht, steckt Neuenfels nach wie vor drin. Im Text fehlt es nicht schmierigen Sätzen, und der anfängliche Mord aus Eifersucht wird uns gleich zweimal geboten, zunächst von zwei Schauspielern, dann von dem eigentlichen Liebespaar – der Marchesa Violante Onesti, die sich nach überlebter Attacke Sandrina nennt – und dem stürmischen Contino Belfiore.

Diese Rollen singen und spielen Annette Dasch und Joel Prieto. Ein schönes Paar, er ein eleganter, springlebendiger „Latin Lover“ mit geschmeidigem, aber nicht sehr umfänglichem Tenor.

Annette Dasch lässt sich ansagen. Sie sei lange krank gewesen, und so sei die Aufführung auch für sie eine Premiere, erfahren wir. In der Tat klingt ihr Sopran anfangs mitunter angestrengt, doch sie findet sich gut ins Spiel. In der Schlussphase mobilisieren dann beide temperamentvoll und tonschön all’ ihr Können.

Während die Liebe bei diesem Paar eine verzweifelt ernste Angelegenheit ist und sie auch mal – im Gegensatz zum Gesang der anderen – ihren angeblichen Furor in zwei weit von einander getrennten Betten stocksteif erleiden müssen – nutzen die übrigen Darsteller mit Vergnügen die Möglichkeiten zur Karikatur.

So Stephan Rügamer als Podestà, zu dem sich Sandrina geflüchtet hat. Gerne möchte der die weitaus jüngere Frau ehelichen, damit sie ihm sein Alter versüße. Wenn er lüstern junge Schauspielerinnen regiegemäß begrabscht, frage ich mich, ob die wohl alle nicht mehr minderjährig sind. Seine Rolle gestaltet er mit Witz, Selbstironie und kraftvoller Stimme.

Um bei den Männern zu bleiben, hat auch Aris Argiris als Nardo ein Lob verdient. Vergeblich ist er der kapriziösen Serpetta (Regula Mühlemann, prima!) auf den Fersen. Doch diese Kokette mag lieber viele Männer als nur einen.


Alex Penda als Arminda mit Entsafter und Schauspielern, Foto Ruth Walz

Supersexy, im engen, knallroten Kleid und mit glitzerndem Sopran beherrscht Alex Penda (eigentlich: Alexandrina Pendatchanska) als Arminda die Szene. „Ich habe keine schöne Stimme,“ behauptet sie selbst. Das ist Tiefstapelei. Auf alle Fälle hat sie eine ausdrucksvolle Stimme mit prägnanten Höhen.

In diese Frau verknallt sich Belfiore sofort und verspricht ihr die Ehe, muss er doch annehmen, seine Ex-Geliebte sei tot. Als er der jedoch im Haus des Podestà wieder begegnet, flammt die alte Leidenschaft erneut auf, und Arminda hat das Nachsehen.

Die, ohnehin kalt wie Eis, wird zur Männerhasserin und stellt einen Entsafter auf den Küchentisch. Um sie herum winden sich, anscheinend unter heftigsten Schmerzen, vier junge Schauspieler, die ihren Hosen stöhnend Blutorangen und Möhren entreißen.

Ungerührt schneidet Arminda diese in Stücke und schüttet sie in den Entsafter. Wie’s gemeint ist, verstehen wohl alle. Sage nur niemand, unter Neuenfels bleibe diese Oper saftlos. Aber wo ist hier die oft rühmend geschilderte „Pranke“ dieses Regisseurs? Vielleicht bin ich zu doof, um sie in solch eindeutig zweideutigen Mätzchen zu entdecken.

Jedenfalls erweckt die rasante Arminda selbst in Frauen Lustgefühle, so in Ramiro. Denn hinter dieser Verkleidung steckt eine lesbisch veranlagte Schönheit, die nun auf ihr Männeroutfit verzichtet und in Armindas weißen Pelz schlüpft, um ehrlich um sie zu werben. Die aber hat für solche Avancen nur Verachtung übrig.

Mit der langbeinigen, sehr attraktiven Stephanie Atanasov ist diese Rolle ideal besetzt, zumal ihr lyrischer Mezzo die Koloraturen bestens meistert. Den Gefühlssturm zwischen Begehren und verzweifelter Enttäuschung macht sie auch darstellerisch glaubhaft. An die Pforten der Liebe klopft diese Frau also vergeblich, während sie Sandrina und Belfiore nach all’ ihren Gefühlsirrungen und -wirrungen doch noch unter riesigen runden Bühnengestirnen durchschreiten. Wenn das nicht schön ist….

Zuletzt lebhafter Beifall für alle Beteiligten und Buhs fürs Regieteam, die schließlich vom Applaus übertönt werden. Na ja.

Ursula Wiegand

 

 

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