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BERLIN / Staatsoper: KATJA KABANOWA

30.01.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

Berlin/ Staatsoper: „KATJA KABANOWA“ von Leoš Janáček, 29.01.2014

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Eva Maria Westbroek (vorne). Foto: Bernd Uhlig

Frauenschicksale – das ist der Stoff, aus dem die Träume sind. Auch und gerade die der Opernkomponisten. Das Leiden, die Sehnsüchte, der oft nur kurze Jubel sowie die nachfolgenden Enttäuschungen und Strafen, die schöne Damen erleben und erleiden, beflügeln die Fantasie der Notensetzer ungemein. Auch Leŏs Janáček spielt höchst gekonnt auf dieser Klaviatur. 

In seiner 1921 vollendeten, weniger bekannten Oper „Katja Kabanowa“ – nun in der Staatsoper im Schillertheater – überwiegt die Schwermut, was angesichts der bedauernswerten Lebensumstände Katjas nahe liegt. An ihrer Stelle möchte keine sein. Wir erleben eine noch junge Frau, gepeinigt wie eine Gefangene von ihrer garstigen Schwiegermutter, der Kabanicha. Die betrachtet noch immer ihren Sohn Tichon, Katjas Ehemann, als ihren Besitz.

Regisseurin Andrea Breth macht das in ihrer – schon vor 4 Jahren für das Théâtre de la Monnaie in Brüssel entwickelten – Inszenierung sogleich drastisch klar und setzt Katja zu Beginn in einen Kühlschrank. Kurz darauf wäscht das „Mütterlein“ im feinen Pelzmantel (Kostüme: Silke Willrett  und Marc Weeger) ihrem erwachsenen Sohn, der auf einem Waschzuber hockt, ausgiebig und offenbar genießerisch das Gemächt, als wäre der noch ein Kleinkind.

Dass der (Stephan Rügamer mit plastischem Tenor) ein labiles, außerdem trinksüchtiges Muttersöhnchen ist, und Katja in diesem Umfeld seelisch gefriert, hätten wir auch ohne solche Überverdeutlichung verstanden. Schon das große dunkelgraue Zimmer, in dem alles abläuft, ist albtraumtauglich. (Bühne: Annette Murschetz).

Janáček hat dieses ungute „ländlich-sittliche“ Geschehen musikalisch überzeugend bebildert, und es wundert nicht, dass das melancholische Moll überwiegt. Eher dramatisch als freudvoll klingt die Musik selbst dann, als Katja in der Badewanne liegend von ihrer unbeschwerten, glücklichen Jugend und ihren Entrückungen beim Gottesdienst berichtet. Wunderbar aufschwingend singt das Eva-Maria Westbroek, die Wunschkandidatin des „Gastdirigenten“ Simon Rattle, der Janáčeks farbenreiche Partitur intensiv ausleuchtet und facettenreich aufleuchten lässt.

Die Sehnsucht nach wahrer Liebe wird in Katja übermächtig, und sie spürt sehr wohl das diesem Verlangen innewohnende Verhängnis. Die eifersüchtige, bösartige Kabanicha – sehr gut gesungen und eiskalt gespielt von der Sopranistin Deborah Polaski – schickt den Sohn auf Reisen. Vergebens fleht Katja – sich vor der Versuchung schützen wollend – ihn an, sie mitzunehmen. Unter den Argusaugen der Mutter stößt er sie weg. Nun ist sie dieser schlimmen Frau ebenso ausgeliefert wie ihrem eigenen sinnlichen Aufbegehren.

Das Ziel ihrer Sehnsucht ist Boris, ein Student aus Moskau, der seinerseits vom Erbonkel Dikoj (Pavlo Hunka mit volumigen Bassbariton) schikaniert wird. Boris wiederum hat sich in der Kirche in Katja und ihr engelsgleiches Lächeln beim Beten verliebt. Schöne lyrische Töne investiert der junge, gut aussehende Tenor Pavel Černoch in diese Partie.

Die eher unbekümmerte Varvara (Anna Lapkovskaja mit warmem Mezzo), verhilft Katja zu einem heimlichen Treffen mit Boris. Sie selbst entschwindet lebenslustig mit ihrem Lover Kudrjasch, gesungen von Florian Hoffmann mit schimmernd leichtem Tenor.

Katja aber tut sich, kommendes Unheil ahnend, schwer, stößt Boris zunächst von sich, bezichtigt ihn als Verführer, dem sie hilflos ausgeliefert sei. Der aber umgarnt sie mit schönen Liebesschwüren. Dass hier mit Frau Westbroek eine gestandene Wagnersängerin ihre seelische Zerrissenheit kundtut, ist unüberhörbar. Ihre Stimme mit den untadelig strahlenden Höhen unterstreicht die Größe ihrer Qual und ihres kurzen Glücks.

Doch danach kündet ein Gewitter der abergläubigen Landbevölkerung kommendes Unheil an. Die dramatisch aufleuchtende Musik – von Rattle und der Staatskapelle Berlin genauso dargeboten – illustriert, dass Katja nun das Verhängnis ereilt.

Von Reue und Selbstverachtung geplagt bekennt sie freiwillig und in aller Öffentlichkeit ihren Fehltritt. Das böse, bigotte „Mütterlein“, das sich auch mal sehr eindeutig mit dem ebenso bösen Onkel amüsiert, macht ihr das Leben nun noch mehr zur Hölle. Auch Boris steht ihr nicht zur Seite. Seine Liebe ist abgekühlt, er geht zurück nach Moskau.

Das aber berührt Katja kaum mehr, sie wünscht sich nur noch den Tod. Der heimgekehrte Ehemann will sie aber weder töten noch auf Anraten des Mütterleins (!) lebendig begraben. Er liebt sie noch immer, äußert er erstaunlicherweise, und macht die Mutter für Katjas Tod verantwortlich.

Während nun Varvara und Kudrjasch, die ebenfalls Ertappten, fliehen, stürzt sich Katja in dieser Inszenierung nicht in die Wolga, sondern schneidet sich in der Badewanne lächelnd die Pulsadern auf. Glücklich wie ein Vögelchen, von aller Last befreit, singt sie sich jetzt mit zarten vogelgleichen Zwitschertönen ergreifend in den Tod.

Währenddessen kehrt Katjas Kindheit nochmals zurück. Pater Kuligin (Roman Trekel in einer Minirolle) führt leise summend ein blondes Mädchen vorbei.

Großer Beifall nach diesen faszinierenden 90 Minuten für alle Beteiligten, vor allem für Eva-Maria Westbroek, den leuchtenden Stern an diesem verdüsterten Opernhimmel.

Ursula Wiegand

 

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