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BERLIN/ Staatsoper im Schillertheater – Werkstatt: WISSEN SIE, WIE MAN TÖNE REINIGT? SATIESFACTIONEN“ – Erik Satie/Jürgen Flimm

10.01.2016 | Oper

BERLIN/Staatsoper im Schillertheater Werkstatt „WISSEN SIE, WIE MAN TÖNE REINIGT? SATIESFACTIONEN“ – Erik Satie/Jürgen Flimm, 9.1.2016

Wissen Sie, wie man Töne wiegt? Deliziöser Abend in Berlin. Eine gar köstliche Farce!

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Jan Josef Liefers als Baron Qualle. Copyright: Hermann Baus

Die Berliner Kultinszenierung von „Le Piège de Méduse“ nach Texten und Musik des frz. Komponisten und Lebenskünstlers Erik Satie steht wieder auf dem Programm der Staatsoper Berlin. Seit der Premiere im Jahr 2011 stets ausverkauft, sorgt diese Satie‘sche Kömodie mit Tanzmusik desselben Herrn, gleichzeitig eine satirische Abrechnung mit dem eigenen Künstlerleben, in der kahlen Werkstatt in der Bismarckstrasse dank dreier genialer Schauspieler für viel unbeschwertes Lachen. 

Sogar tanzen dürfen manche aus dem Publikum zu einem Walzer und werden dazu von niemand geringerem als vom schönen Jan Josef Liefers in das Bühnenrund gezogen. Liefers ist einem breiten Publikum vom Münsteraner Tatort (Gerichtsmediziner Prof. Boerne, der seine kleinwüchsige Assistentin böse als Alberich bezeichnet) her bestens bekannt. Liefers ist aber ebenso Musiker und ein allseits höchst geschätzter Komödiant. In der Hauptrolle des Privatiers Baron Qualle spielt er einen reichen und reichlich zwänglichen Mann, der als Phonometrograph lieber Töne misst, als sie zu hören. Den ganzen Beethoven und Verdi hat er schon vermessen und findet ein B von mittlerer Größe ganz widerwärtig. Seinen Reichtum verdankt Baron Qualle der Phonologie: „Ein halbwegs geübter Phonometer kann mit einem Motodynamophon mehr Töne aufzeichnen als es der geschickteste Komponist im gleichen Zeitraum vermag.“ Die Zukunft gehört aber der Philophonie, wie Satie in seinen Memoiren eines Gedächtnislosen aus dem Jahr 1912 verzeichnet. Auf diese Zukunft warten wir heute (leider) noch…

Zu Beginn der Aufführung betritt Hausherr und Regisseur Jürgen Flimm selbst die Szene und hält eine launige kleine Ansprache über das, was kommen mag. Ob sich das Publikum schon fürchte? „Ein schlechtes Stück und schlechte Schauspieler seien auf jeden Fall zu erwarten.“ Die Grenzen zwischen Theater und Wirklichkeit verschwimmen, wie es das später bei einer improvisiert gespielten Pause sowie am Schluss noch einmal statt hat, wo die Akteure ihren Applaus huldvoll Eierspeise mit Zwiebeln („Polycarpes Omelette“) essend am Billardtisch entgegennehmen. 

Um den Baron scharen sich der Diener Polykarp, der Bräutigam Astolfo, die Tochter Frisette und der Affe Jonas. Wobei diese Rollen von drei wahrlich virtuosen Schauspielern Stefan Kurt, Klaus Christian Schreiber und Jan Josef Liefers (alles einstige Ensemblekollegen aus dem Thalia Theater Hamburg) mit rasantem Witz, Tempo und hoher Pointen-Genauigkeit gespielt werden. Flott-absurdes Dada-Theater at its best. 

Von Satie erklingen kurz die „Vexations“ für Klavier, bei dem ein Thema 840 Mal wiederholt wird und deren Aufführung normalerweise ca. 18 Stunden in Anspruch nimmt. Die drei Schauspieler und Pianist Arno Waschk rennen zwischen Klavier, Vibraphon, Celesta und singender Säge hin und her und sorgen mit der Musik für kurze poetische Momente im irren Treiben auf der Bühne. Auch eine Maultrommel wird gezupft. Musikalisch kulminiert der Abend, wenn Saties erste Gymnopédie auf acht je nach Tonlage unterschiedlich gefüllten Wassergläsern gespielt wird. Noch dazu ist die Darbietung in einem Wettlauf um den Billardtisch arrangiert. Nur Musik für Schreibmaschine und Küchengeräte bleibt ausgespart. Aus den Gläsern wird am Schluss in Satie‘scher Verflüchtigungsmanier Rotwein getrunken.

Wer in einer vorderen Reihe auf den kunterbunt arenenartig aufgestellten Sofas, Sesseln, Fauteuils etc. Platz genommen hat, wird schon mal mehr oder weniger freiwillig in das Geschehen einbezogen. Gemahlener Kaffee auf dem Gewand, einen Po auf dem Schoss, einen Affen im Arm, oder als Teil einer ganzen Sitzreihe gleich zum General ernannt.

In dieser Saison wird dieser herrlich komische Abend noch am 10. und 11. Jänner sowie am 3. bis 5. März gespielt.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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