Staatsoper Berlin, PARSIFAL- Festliche Tage vom 02.04.2018
Wolfgang Koch (Amfortas), Rene Pape (Gurnemanz), Anja Kampe (Kundry, in einer früheren Vorstellung),- Foto Ruth Walz
Kein “Bühnenweihfestspiel” für die Regie
Verantwortlich waren:
Regie und Bühnenbild: Dimitri Tcherniakov, Kostüme: Elena Zaytseva, Licht: Gleb Filshtinsky
Die Regie verzichtet ausnahmslos auf die Thematik zwischen christlicher und heidnischer Kultur.
Gurnemanz erzählt hier vor der anwesenden Gesellschaft, die sich in einem erbärmlichen Zustand befindet, anhand der Bilder von der Uraufführung des Parsifal in Bayreuth im Jahre 1882, die Geschichte vom Gral. Das Einheitsbild ist ein einfacher, renovierungsbedürftiger Raum, der im zweiten Akt hell ausgeleuchtet ist. Die Gesellschaft nimmt die Erzählung freudig auf, weil sie durch die Nachahmung der Zeremonien auf eine Erleichterung ihrer Situation hofft. Die Männer, sie könnten durchaus in einem Gulag leben, setzen die Geschichte mit den zur Verfügung stehenden Mitteln um, indem sie einen Mann aus ihrer Mitte in eine sargähnliche alte Kiste stecken, der den alten Titurel ersetzen soll. Anders verhält es sich mit Parsifal, sowie Amfortas und Kundry.
Amfortas und Kundry könnten in früherer Zeit ein Liebespaar gewesen sein, denn am Ende des dritten Aktes sieht man die beiden, eng umschlungen und küssend, am vorderen Bühnenrand. Warum allerdings darnach Gurnemanz bei dieser Szene meuchlings die Kundry tötet, bleibt für die Besucher ein Rätsel.
Grausam dagegen ist die Szene, wenn aus der Wunde des Amfortas Blut abgezapft wird und dann verdünnt an die Gesellschaft verteilt wird, die dann in helle Verzückung gerät.
Parsifal ist ein junger Mann, der von zuhause weggelaufen ist, weil seine Mutter, Herzeleide, seine erotischen Versuche mit einem Mädchen verbietet, die eigentlich für einen pubertierenden jungen Mann selbstverständlich sind.
Andreas Schager (Parsifal), Blumenmädchen, Foto Ruth Walz
Die Blumenmädchen im zweiten Akt sind Mädchen, die in einem Pensionat leben könnten und von Klingsor betreut werden. Ob dabei erotische Handlungen im Spiel sind, ist zwar nicht ersichtlich, aber durchaus im Bereich der Möglichkeit.
Interessant ist der bekannte Kuss zwischen Parsifal und Kundry, der in einem nicht einsehbaren Bereich der Seitenbühne stattfindet und offensichtlich einen kurzen “Liebesakt” darstellen soll. Bei Wagner ist dies der Wendepunkt für das Verhalten und das weitere Geschehen des Parsifal, denn jetzt wird er “wissend durch Mitleid”. Hier bleibt dagegen Parsifal unwissend, im Gegenteil, die beginnende Auseinandersetzung mit Kundry beinhaltet ein gegenseitiges Missverständnis.
Für viele Besucher ist die szenische Umsetzung etwas einfältig und sie vermissen beispielsweise beim Karfreitagszauber ein dazugehöriges Bühnenbild und beim Text: “Mittag. Die Stund’ ist da” nicht einen abgedunkelten Raum mit wenig künstlichen Licht.
Die orchestrale Interpretation ist eine Offenbarung
Der GMD Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin bilden zweifelsfrei den Höhepunkt dieses Abends. Die wandlungsfähigen Tempi, das exakt abgestimmte Zusammenwirken der einzelnen Orchesterteile, machen die Aufführung zu einer geschlossenen Einheit, die sowohl über alle Akte die nötige Spannung und die bewegenden Momente in sich vereinigen. Die Wirkung ist um so intensiver, weil nach dem Umbau der “Staatsoper Berlin unter den Linden” die Akustik merkbar besser geworden ist.
Bemerkenswerte sängerische Leistung aller Darsteller
Rene Pape als Gurnemanz ist mit seinem sonorem Bass, seiner wortverständlichen und höhensicheren Stimme ein würdiger Vertreter dieser anspruchvollen Rolle.
Nina Stemme als Kundry überzeugt vor allem mit ihrer eindringlichen lasziven Stimme im zweiten Akt.
Andreas Schager als Parsifal wirkte manchmal angestrengt, was eventuell als Folgeerscheinung der vielen erfolgreichen “Tristan-Aufführungen” in diesem Hause zu deuten ist.
Lauri Vasar als Amfortas und Falk Struckmann als Klingsor waren maßgeblich für den gesanglichen Erfolg des Abends verantwortlich. Den Titurel sang Reinhard Hagen.
Nicht zu vergessen der Chor der Gralsritter und der Auftritt der Blumenmädchen im zweiten Akt unter der Leitung des Chordirigenten Martin Wright.
Um auch die jüngere Generation für den Besuch einer Parsifalaufführung zu begeistern, ist es nicht falsch, bei einer Inszenierung den traditionellem Weg zu verlassen, denn beispielsweise mit der Frage nach dem “Gral”, der von Gurnemanz unbeantwortet bleibt, kann ein Teil der Jugend nicht viel anfangen. Für die Festtage 2019 sind zwei Aufführungen der “Meistersinger” geplant, die hoffentlich den gleichen Erfolg wie der diesjährige “Parsifal”, bringen werden.
Franz Roos