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BERLIN/ Staatsoper/ Festival für Neues Musiktheater: MACBETH von Salvatore Sciarrino

01.07.2014 | KRITIKEN, Oper

Festival für Neues Musiktheater in Berlin: „Macbeth“ von Salvatore Sciarrino (Vorstellung: 1. 7. 2014)

 Im Rahmen des Festivals für Neues Musiktheater „Infektion!“, das bereits zum vierten Mal stattfand, brachte die Staatsoper Berlin die Oper „Macbeth“ von Salvatore Sciarrino im ehemaligen Orchesterprobensaal zur Aufführung.

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Mit einer faszinierenden Leistung wartete der Bassbariton Otto Katzameier auf (Foto: Hermann und Clärchen Baus)

 Über Salvatore Sciarrino (geb. 1947 in Palermo), der einer der meistgespielten Opernkomponisten der Moderne ist, schreibt das Festival-Programmheft: „Als Autodidakt entwickelte er bereits in den 60er Jahren eine postserielle Klangästhetik, die sich von den erstarrten Denkmustern abwandte. Die hohe Ausdruckskraft seiner Musik resultiert aus der Verbindung von Reduktion, struktureller Klarheit und dem spezifischen Einsatz von Klangfarben.“

 In seinem zumeist aphoristischen Libretto für die Oper „Macbeth“ kondensiert Sciarrino Shakespeares Tragödie zu einer Szenenfolge, die weniger die Handlung abbildet, sondern die Wiederkehr von seelischen Verheerungen durch Gewalt variiert. Die Oper handelt „von all den Toten – von den Gemetzeln, auf denen sich die Menschheit gründet“, sagt Sciarrino selbst. Jürgen Flimm inszenierte dieses Werk sehr realistisch und verlangte dabei von den Darstellern totalen körperlichen Einsatz. Warum er allerdings als Aufführungsort den ehemaligen Orchesterprobensaal der Staatsoper Unter den Linden wählte, ist nur schwer nachzuvollziehen. Das Publikum der ausverkauften Vorstellung musste über Baustellen gehen (es wurde sogar gutes Schuhwerk empfohlen!), ehe es auf unbequemen Holzbänken Platz nehmen konnte. Vielleicht dachte der Intendant der Staatsoper, dass das Thema Seelische Verheerungen durch Gewalt in einer halben Ruine authentischer zur Geltung käme…

 Für die Gestaltung der „Bühne“ – ein paar Lederfauteuils und drei übereinander liegende Teppiche, auf denen sich ein Teil der Handlung abspielte, waren die einzigen Requisiten – zeichnete Magdalena Gut verantwortlich, für die Kostüme – teils elegant, teils Kriegsuniformen – Birgit Wentsch. Für die Lichteffekte sorgte Olaf Freese.

 Aus dem Sängerensemble ragte der Bassbariton Otto Katzameier als Macbeth heraus. Mit seiner stimmlich großen Bandbreite, die besonders in der Tiefe „dolchstoßartige“ Wirkung erreichte, und seiner reifen Darstellungskunst mit extrem ausdrucksstarker Mimik war er eine Idealbesetzung für die Titelrolle, die er bereits bei der Uraufführung des Werks im Jahr 2002 bei den Schwetzinger Festspielen verkörperte. Erschütternd die Szenen, in denen er seine Angstzustände zu bewältigen versucht. Ihm ebenbürtig die Sopranistin Carola Höhn als Lady Macbeth. Auch sie überzeugte mit ihrer oft schneidenden Stimme sowohl gesanglich wie auch schauspielerisch. Am eindrucksvollsten gelang ihr die Szene, in der sie dem Wahnsinn verfällt.

 Gleich fünf Rollen – einen Sergeanten, Fleance, einen Mörder, einen Wachesoldaten und einen Geist – hatte die Mezzosopranistin Katharina Kammerloher zu bewältigen, wobei ihr die Hosenrollen besonders zu liegen schienen. Ihr Bericht über den „Wald, der sich bewegt“ war von grandioser, packender Intensität. Sehr humorvoll gestaltete der Tenor Stephen Chambers seine drei Rollen: Banquo, einen Geist und einen Diener. Besonders witzig seine Darstellung des Dieners, dem er Stimme und Miene von Banquo lieh, aber Macbeth nachahmte. Ebenfalls drei Rollen – Duncan, einen Höfling und Macduff – spielte der Bariton Timothy Sharp, wobei es ihm recht gut gelang, sie differenziert darzustellen.

 Eine Hauptrolle in der knapp zweistündigen Aufführung kam dem sechsköpfigen Chor zu, der bei Festen, Banketten, Geister- und Verschwörungsszenen seine Auftritte hatte. Er setzte sich aus Sónia Grané, Lena Haselmann, Uta Buchmeister, Magnús Hallur Jónsson, Jakob Ahles und Ulf Dirk Mädler, die allesamt in eleganten Frauenkleidern auftraten – auch die Männer mit Bärten!

 Das „Opera Lab Berlin“, ein Ensemble für zeitgenössische Musik, das sich als Labor der Stimme versteht und deren Ziel es ist, auf künstlerisch hohem Niveau zu experimentieren, wurde von David Robert Coleman, der selbst seit vielen Jahren komponiert, umsichtig und gefühlvoll geleitet. Unterstützt wurde es vom Zafraan-Ensemble, wobei die beiden Instrumentalgruppen in zwei Räumen musizierten, was immer wieder zu faszinierenden Echoklängen führte. „Die Entfernung der zwei Gruppen schafft eine ständige Pendelbewegung zwischen nah und fern, nächtliche Atmosphäre und einen Raum, in dem gleichzeitig die Halluzinationen des Traumes und die Halluzination der Realität atmen“, wie der Komponist in seinem Vorwort zur Partitur schrieb, das im sehr informativ gestalteten Programmheft veröffentlicht wurde.

 Das Publikum belohnte am Schluss alle Mitwirkenden für ihre Leistungen mit lang anhaltendem Applaus, in den sich für Otto Katzameier verdiente Bravorufe mischten.

 Udo Pacolt

 

 

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