Berlin, Sophiensäle: „PIANO BATTLE“, 09.08.2012
Piano Battle, Foto Mathias Bothor
Wettkämpfe sind gerade ganz „in“, und so wird uns an diesem Abend in Berlin-Mitte ein Klavier-Kampf geboten. Über mehrere Runden, mit Moderation (hauptsächlich) auf Englisch, fast wie beim Boxen. Denn hier geht’s vor allem um Spaß und Show, aber mit Niveau. Der Andrang zeigt, dass diese Idee ihren Reiz hat. Die Vorstellung ist total ausverkauft, die Letzten sitzen später auf Kissen am Boden. Und alle erhalten ein Feuerzeug, um damit abzustimmen.
Paul Cibis und Andreas Kern heißen die beiden Freunde, die hier als Kontrahenten auftreten. Paul im dunklen Anzug gibt den Romantiker, Andreas in weiß mit Slippers den charmanten Rüpel, der auch jenseits des klassischen Repertoires zu Hause ist. Also spielt Paul Cibis von Chopin die „Etude op. 10,12“ und von Debussy das bekannte „Clair de Lune“.
Diese Stücke kommen beim überwiegend jungen Publikum gut an. Bei ihm leuchten mehr Flämmchen auf als bei Andreas Kern, der Scriabins schwierige „Etude op. 8,12“ in die Tasten hämmert, dann aber mit Schuberts tadellos gespieltem „Impromptu op. 90,3“ ebenfalls seine romantische Ader beweist. Versierte Tastenlöwen sind sie alle beide.
Mit dem Stück „One Man Band“ aus Moritz Eggerts „Hämmerklavier“ (nicht Hammerklavier!) präsentiert sich Kern dann gekonnt als Alleinunterhalter. Der Flügel wird zum Schlagzeug. Zu den exakte geschlagenen Rhythmen kommen nur selten die Tasten zum Einsatz, werden mitunter auch mit dem Fuß oder der Nase angeschlagen. Doch ganz überzeugt ist das Publikum von solchen Extravaganzen nicht. Als es sich was wünschen darf, plädieren die jungen Menschen überraschenderweise für Debussy und Schubert.
Mitmachen dürfen und sollen sie ebenfalls, und nun driftet die Show ab Richtung Kindergeburtstag. 6 Damen und Herren spielen abwechselnd einige Noten aus „Freude schöner Götterfunken“ und spurten danach zum Flügel gegenüber, um die Melodie fortzusetzen. Die Mitwirkenden scheinen Spaß zu haben, die Zuschauer auch. Ich finde so etwas albern und überflüssig, zumal es das Musik-Interesse absinken lässt. Als das Gerenne vorbei ist, sind alle spürbar froh, wieder die beiden Pianisten zu hören.
Und die sind bestens aufeinander eingespielt, agieren bravourös mit- und gegeneinander, werfen sich bei Liszt die Bälle zu und beweisen ihr Können auch bei Auszügen aus Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“. Mit voller Kraft landen sie schließlich beim Jazz. Andreas Kern reißt sich die weiße Jacke vom Leib und stürzt sich in die Tasten. Den Begeisterungsgipfel erreichen beide gemeinsam mit Miriam Makebas Erfolgssong „PATA PATA“.
Insgesamt liegt zuletzt der bekennende Romantiker Paul Cibis vorn, auch bei meinem 13-jährigen Jungen, der selbst Klavier und Keyboard spielt. Also rollt Paul als Erster seinen Flügel über die auf dem Boden markierte Zielgerade. Heißt das Goldmedaille für ihn? Doch bei allem stupenden Können – für Gold reicht das nun doch nicht und muss es bei einer solchen Show auch nicht. Für mich sind beide gleichwertig, Andreas Kern mit seinem Spielwitz bekäme bei mir einige Stimmen mehr. Fazit: Bronzemedaille für beide und ein Riesengaudi fürs heftig applaudierende Publikum. Nochmals am 11.08.
Ursula Wiegand