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BERLIN/ Philharmonie/Kammermusiksaal: MATT HAIMOVITZ spielt GLASS, VIVALDI, SCHUBERT und SCHOENBERG

07.06.2017 | Konzert/Liederabende

BERLIN / Philharmonie – Kammermusiksaal: MATT HAIMOVITZ spielt GLASS, VIVALDI, SCHUBERT und SCHOENBERG – Saisonabschlusskonzert des Deutschen Kammerorchesters Berlin, 6.6.2017

„#6 Preziosen“ – Matt Haimovitz zu Gast beim DKO Berlin: Mit einem gut gewählten und programmatisch klug konzipierten Abend als Saisonfinale präsentierte sich das Deutsche Kammerorchester Berlin mit Matt Haimovitz, der nicht nur Cello spielte, sondern auch mit der musikalischen Leitung betraut war.

Der dank Tonträger auch in unseren Breiten zunehmend bekannte Cellist mit rumänischen Wurzeln hat sich in seiner Karriere immer wieder neu erfunden. Immer spektakulär, und doch tiefenentspannt, in keiner musikalischen Ecke lange verharrend, hat dieses Wunderkind, (Studium bei Leonard Rose an der Juillard School; jüngster Exklusivkünstler bei der Deutschen Grammophon) schon früh eigene Wege beschritten. Wer denkt nicht an S. Richter, wenn man weiß, dass Haimovitz Bachs Cellosuiten in Bars und Restaurants gespielt hat. Der Vielbegabte ist außerdem noch avantgardistischer Komponist, Hochschullehrer und entscheidet als Produzent dank des Eigenlabel Oxingale selber über Aufnahmephilosophie und Programme. 

Haimovitz beherrscht alle Stile, wie dies in dem Konzert anhand der aus drei Jahrhunderten stammenden Stücke faszinierend nachvollzogen werden konnte. Bescheiden im Auftritt, rückt er einmal Cello und Pult zurecht, auf einem Schemel liegen zwei verschiedene Bögen. Die Ouvertüre von Philipp Glass, ein sechs Minuten langes Solostück für Cello, die ursprünglich als Vorspiel für Bachs Cellosuite I in G-Dur geschrieben wurde, machte den Anfang. Ob der Hörer, wie Glass beabsichtige, in die richtige Stimmung diesmal für Vivaldi versetzt wird, ist weniger der Punkt, als mit welcher Klarheit Haimovitz die barocken Themen in der modernen Partitur aufspürte und dennoch ganz im Strom dieser herrlichen Musik aufging. Haimovitz entlockte seiner Matteo Goffriler aus dem Jahr 1710 samtene und üppige Töne. Ganz anders als bei den beiden Vivaldi-Konzerten  in G-Dur für Violincello und Streicher und nach der Pause in F-Dur für Violine, Violoncello und Streicher „Il Proteo o sia il Mondo al rovescio“, wo der Cellist ganz auf einen schlanken, edeln, hellen und beweglichen Ton setzte. Spielerisch gelangen alle Verzierungen und raschen Läufe – besonders im kühnen dritten Satz (Allegro) – ;das Tänzerische der Musik übertrug sich sichtlich auf das Publikum. Nur in wenigen Momenten konnte sich hier das Cello nicht in idealer Balance gegen das Kammerorchester durchsetzen.

Mit träumerischer Leichtigkeit, salonhafter Eleganz und ganz zurückgenommen interpretierte Haimovitz Schuberts „Arpeggione Sonate“ in a-moll, D 821, in einer Bearbeitung für Violincello und Streichorchester durch die amerikanische Komponistin (und Ehefrau des Cellisten) Luna Pearl Woolf. Diese Welterstaufführung gefiel auch dank der „Eigenregie“ des Orchesters, der Solist hatte nicht allzu viel Zeit, um sich durch Zeichengebung um eine ausgeprägte Interpretation kümmern zu können. Im Falle einer zwar einfach anmutenden, aber dennoch musikalisch komplexen Partitur hätte ein eigenständiger Dirigent wahrscheinlich mehr Akzente setzen und eine differenziertere Wiedergabe ermöglichen können. Jedenfalls ist die Fassung für Streichorchester atmosphärisch dicht und eine lohnende Bereicherung in der Aufführungsgeschichte dieser eigentlich für Arpeggio („Bogen-Gitarre“, „Gitarre-Violoncell“) und Klavier geschriebenen Sonate.

Nach der Pause beginnt Haimovitz wieder mit einem zeitgenössischen Stück, nämlich Vilay Iyers „Run“ für Cello solo. Das Stück entstand als Auftragswerk für die CD „Overtures to Bach“. Wieder sind es Passagen aus Bachs Schaffen, die neu gedacht und geordnet werden. Haimovitz, spürbar in seinem Element, entledigt sich der schwierigen Aufgabe mit höchster Präzision, einem inneren Verstehen und angesichts der Komplexität der Musik mit hoher Durchhörbarkeit. Dann wieder Vivaldi und als vielleicht krönender Abschluss Arnold Schoenbergs „Verklärte Nacht“ Op. 4 in der Fassung für Streichorchester. Ganz gefangen von der Macht der Vorbilder Mahler und Strauss schuf der junge Schoenberg diese fünfsätzige auf einem Gedicht von Richard Dehmel basierende, durchkomponierte symphonische Dichtung. Es wäre aber nicht Schoenberg, hätte er dabei nicht nur Leitmotive verwendet, sondern die Regeln der Harmonik ausgereizt und total entgrenzt. Das Deutsche Kammerochester Berlin mit hohem Frauenanteil hat spätestens hier vorweisen können, welch exzellenten Rang es innerhalb der deutschen Musikszene einnimmt. Das ist nicht zuletzt auch dem künstlerischen Leiter und ersten Konzertmeister Gabriel Adorján zu verdanken. Der Abschied hat gefallen, mit Leichtigkeit und zufrieden  entlässt die Musik das Publikum in die „hohe, helle Nacht“. Und einige werden denken, wie berührend doch die Botschaft im Gedicht Dehmels ist, dass der neue Geliebte dem schwangeren Mädchen versichert, er werde das Kind wie sein eigenes annehmen.

CD-Tipp aktuell: AKOKA Reframing Messiaen‘s Quartet for the End of Time“ – David Krakauer, Matt Haimovitz & Friends, Pentatone, Oxingale Series.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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