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BERLIN/ Philharmonie: KONZERT MIT BARENBOIM UND POLLINI

Berlin/ Philharmonie: Konzert mit Barenboim und Pollini, 6. 5. 2014

Kaum betritt Maurizio Pollini zusammen mit Daniel Barenboim den Saal, brandet in der ausverkauften Philharmonie der Beifall auf. Eine kurze Verbeugung, schon sitzt er am Flügel. Show und Extrovertiertheit sind Pollini fremd, ihm geht es nur um die Musik, in diesem Fall um das „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll“ op. 15 von Johannes Brahms.

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Maurizio Pollini. Foto: Bothor/DGG

Das von Brahms im Alter von 23 Jahren begonnene Werk, zunächst als Konzert für 2 Klaviere geplant, wurde für den Komponisten eine „schwere Geburt“. Auch sein Verhältnis zu Robert Schumann und dessen Frau Clara, für die er wohl besondere Gefühle hegte, hat den Entstehungsprozess und den musikalischen Inhalt vermutlich beeinflusst. Bei den beiden Uraufführungen im Jahr 1859 gab es in Hannover zunächst Zustimmung, danach in Leipzig jedoch einen Verriss.

Den 1. Satz, Maestoso im seltenen 6/4-Takt, bringt Barenboim mit der Staatskapelle Berlin in der Tat majestätisch und anfangs sehr aufrührerisch. Währenddessen muss der Pianist erstmal 90 Takte auf seinen Einsatz warten, wird dann auch mal von Klangwogen überrollt. Dieses Brahmskonzert ist aber trotz seiner spieltechnischen Schwierigkeiten kein Bravourstück für Tastenlöwen. Da Pollini ohnehin mehr auf Klarheit als auf Kraftmeierei setzt, kommt ihm dieses Werk wahrscheinlich sehr entgegen. Vor allem beim choralartigen Seitenthema dieses ersten Satzes beweist er seine Meisterschaft.

Doch ganz gleich, ob schnelle oder langsame Passagen – an Kondition fehlt es dem zarten 72-Jährigen keineswegs, und dass er auswendig spielt, ist selbstverständlich. Mühelos eilen seine Finger über die Tasten, die Triller blitzen auf, und auch die Akkorde kommen sicher und mit der nötigen Power. Manchmal erhebt sich Pollini ein bisschen, um mehr Kraft in gewisse Töne zu legen. Mein Fünfzehnjähriger neben mir, der sich gerade um Chopins Revolutionsetüde bemüht, erlebt Pollini zum ersten Mal. Fasziniert greift immer wieder zum Fernglas, um dessen Hände genau zu verfolgen.

Andererseits habe ich die Staatskapelle unter Barenboim selten solch delikate Pianissimi spielen hören wie an diesem Abend. An diesen Stellen und insbesondere im Andante kann Pollini seinen Part mit ungestörter Intensität gestalten, kann die Töne tänzeln lassen und aus ihnen Girlanden flechten. Das Rondo des 3. Satzes schließt er gleich an den zweiten an und überzeugt mit kraftvollem Spiel und schönen Soli bis zum Fortissimo-Ausklang. Die Zuhörer jubeln und jubeln, immer wieder muss sich Pollini zeigen und wirkt fast überrascht.

Nach der Pause “Don Quixote“ Symphonische Dichtung op. 35 von Richard Strauss. Bei diesem „Tongemälde“ von 1897, das sich um den verrückten „Ritter von der traurigen Gestalt“ rankt, hat der 33-jährige Strauss seiner Fantasie absichtlich die Zügel schießen lassen und vorgeführt, was er kompositionstechnisch so alles auf Lager hat. Manche deutlichen Dissonanzen dürften die damaligen Hörer einigermaßen erschreckt haben.

Barenboim und die Staatskapelle Berlin werfen sich mit „Schmackes“ in diese ironische Glitzer-Partitur. Auch die beiden großartigen Solisten – Claudius Popp, Violoncello, und Felix Schwartz, Viola, die Don Quixote und seinen Begleiter Sancho Pansa darstellen, sind langjährige Ensemblemitglieder dieses erstklassigen Klangkörpers und darüber hinaus international tätig. Konzertmeister Wolfram Brandl hat oft ebenfalls ein Wörtchen mitzureden.

Was sich hinter den 10 Variationen dieser Tondichtung versteckt, hat Strauss in seinen Erläuterungen bekanntlich mitgeteilt und lässt sich mit Vergnügen heraushören. So Don Quixotes Kämpfe gegen Windmühlen und eine Hammelherde, sein Schmachten nach der angeblichen Dulcinea, der Luftritt auf einem Zauberross, Sancho Pansas vergebliches Zureden, des Ritters Kampf gegen zwei Zauberer (= 2 Fagotte) und schließlich sein Tod, um einiges zu nennen. Mein Fünfzehnjähriger ist ganz Auge und Ohr und ebenso begeistert wie alle anderen Zuhörer. Der starke, lang anhaltende Beifall spricht Bände.

Ursula Wiegand

 

 

 

 

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