Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BERLIN/ Philharmonie/ Festtage der Staatsoper mit der STAATSKAPELLE BERLIN UND AIDA GARIFULLINA

21.04.2019 | Konzert/Liederabende

Berlin/ Philharmonie: FESTTAGE der Staatsoper mit der Staatskapelle Berlin und Aida Garifullina, 20.04.2019

Für die Fans von Anna Netrebko war die Enttäuschung groß, als die Mega-Diva wegen einer Kehrkopfentzündung ihre Mitwirkung beim Konzert im Rahmen der Staatsopern FESTTAGE plötzlich absagen musste. Doch mit der 32jährigen Russin (Tatarin) Aida Garifullina, die in Berlin gerade die Luisa in der „Verlobung im Kloster“ sehr überzeugend singt – eine Rolle, die vor Jahren die junge Anna Netrebko gesungen hatte – war schnell ein guter Ersatz gefunden.

Denjenigen, die diese Oper, die bei den Festtagen der Staatsoper Berlin Premiere hatte, bisher nicht miterlebt haben, ist der Name dieser Sopranisten vermutlich kaum bekannt. In Wien kennt man sie besser, ist sie doch Ensemblemitglied der dortigen Staatsoper. Auch hat sie schon an international bedeutenden Häusern gastiert und ist Exklusivkünstlerin bei DECCA Records. Das will schon was heißen.

Die Staatsoper Berlin hatte jedoch für Aida statt Anna vorsichtshalber ein Trostpflaster parat. Der üppige Festtagspreis fürs „Netrebko-Ticket“ wird nachträglich um 30 % ermäßigt. Nicht wenige füllten sogleich die bereitliegenden Anträge aus.

Höchstwahrscheinlich waren auch die Rabatt-Besucher/innen im dann doch gut gefüllten Saal angenehm überrascht, obwohl Aida Garifullina eine andere Wahl als Anna Netrebko getroffen hat. Statt Arien aus „Nabucco“ und „Aida“, die der Weltstar singen wollte, überzeugt diese junge Aida im schulterfreien Frühlingsabendkleid mit dem eigenen Repertoire. Sie singt zwei Arien der Gilda aus „Rigoletto“ und eine der Violetta aus „La Traviata“.

Daniel Barenboim sorgt dabei für seinen Schützling und dirigiert die Staatskapelle Berlin ausgesprochen langsam und einfühlsam.

Die Rolle der schwärmerisch veranlagten Gilda, die sogleich den Verführungskünsten des Herzogs erliegt, passt bestens zu dieser jungen Sängerin. In der Arie „Gualtier Maldé … Caro nome che il mio cor“ steigt ihr klarer Sopran mühelos in die höchsten Höhen, besitzt aber auch schon eine tiefere Grundierung, die sich bei Anna Netrebko nach der Geburt ihres Sohnes so auffallend entwickelt hat.

Selbst die finale Verzweiflung der todgeweihten Violetta in „Teneste la promessa … Addio del passato“ kann Aida Garifullina in dieser zweiten Aufführung überzeugend und ohne Premieren-Nervosität darbieten, angereichert mit den entsprechenden Gesten und zuletzt mit kleinen Schluchzern. War der Beifall schon vorher kräftig, so gibt es nach der Traviata-Arie viele Bravi und anhaltenden kräftigen Beifall für die glücklich Strahlende, der auch Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin applaudieren. Das alles ist mehr als ein Tapferkeitsorden. Ihre Interpretationen dieser bekannten Arien hat dem Publikum offenbar sehr gefallen.

Ansonsten herrschte in der ersten Halbzeit eher Routine. Der beliebte Gefangenenchor aus „Nabucco“, klangschön vom Rundfunkchor Berlin gesungen, ist eh ein Selbstläufer. Bekannt sind sicherlich auch die Ouvertüre zu „I vespri siciliani“ und das Preludio zu „La forza del destino“. Die melancholischen Phasen gehen zwar nicht verloren, doch insgesamt geht Barenboim mit den Seinen bei beiden Stücken gerne in die Vollen. Aber: ist solches genug als Beitrag für die Staatsopern FESTTAGE, selbst wenn Anna Netrebko gesungen hätte? Kaum. Da muss schon etwas Neues oder zumindest wenig Bekanntes her.

Und das ist wirklich der Fall. Denn nach der Pause sind Verdis „QUATTRO PEZZI SACRI“ zu hören, bestehend  aus den Teilen: Ave Maria, Stabat Mater, Laudi alle Vergine Maria und dem Te Deum. Eine Großtat des über 80jährigen Verdi und die letzten Stücke überhaupt, die er komponierte und die nochmals seine Meisterschaft auch im hohen Alter beweisen.

Die vier Teile entstanden zwischen 1889 und 1897. Erst später fügte sie Verdi zusammen, und dennoch wirken sie wie aus einem Guss. Neuland sind sie übrigens auch für Daniel Barenboim, der intensiv in die Noten schaut, manchmal geschwind blättert, aber stets im richtigen Moment die erforderlichen Akzente setzt.

Das erste und dritte Stück sind a cappella Werke, die der Rundfunkchor, einstudiert von Gijs Leenaars, überzeugend erklingen lässt. Im „Ave Maria“ schwingen sich die Soprane in lichte Höhen empor, im „Laudi alle Vergine Maria“ vereinen sich die Sängerinnen und Sänger beim Madonnenlob.

Noch eindrucksvoller wirken die beiden übrigen, von der Staatskapelle begleiteten Teile: das „Stabat Mater“ und das „Te Deum“. Die sind – ähnlich wie Verdis Requiem, wieder „große Oper. Verdi selbst bezeichnete das Te Deum als den Höhepunkt seiner Quattro Pezzi, hat zuletzt auch noch ein Sopransolo – „In te, Domine, speravi“ – eingefügt, das Serena Sáenz glockenklar singt. Angeblich wollte er diese Partitur mit in sein Grab nehmen.

Gut, dass es nicht geschehen ist, hat doch das Publikum diesem unbekannten Verdi-Werk spürbar konzentriert gelauscht und bedankt sich nun mit Bravi und jubelndem Applaus.  

Ursula Wiegand

 

Diese Seite drucken