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BERLIN/ Philharmonie: DANIEL BARENBOIM DIRIGIERT BRAHMS MIT BRAVOUR

12.12.2018 | Konzert/Liederabende


Daniel Barenboim beim Dirigieren. Bildrechte: Monika Rittershaus

Berlin / Philharmonie: Daniel Barenboim dirigiert Brahms mit Bravour, 11.12.2018

„Lieben Sie Brahms“? Ja sicher. Das beweist die vollbesetzte Philharmonie bei diesem zweiten Abend des Abonnementkonzerts Nr. III der Staatsoper Unter den Linden. Doch nicht nur die Berliner und ihre Gäste aus aller Welt lieben Brahms.

Generalmusikdirektor Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin haben eine ebenso positive Resonanz auf ihrer kürzlich beendeten Auslandstournee erfahren. Die Konzerte mit den vier Brahms-Symphonien waren in Buenos Aires, Peking und Sydney ausverkauft, auch wurden Barenboim und die Staatskapelle stets heftig gefeiert.

In Berlin wird dieses Programm in Etappen wiederholt. Zunächst geht es um die Symphonien 1 und 2, am Vortag in der Staatsoper, nun, wie erwähnt, in der größeren Philharmonie. Beim Abonnementkonzert IV am 21. und 22. Januar 2019 wird der Brahms-Zyklus mit den Sinfonien Nr. 3 und 4 komplettiert.

Die „Symphonie Nr. 1 c-Moll” op. 68 war eine schwierige Geburt, die rd. 15 Jahre dauerte. Brahms litt nach eigenen Worten unter dem „Riesen im Rücken“, nämlich Ludwig van Beethoven, der noch nach seinem Tod (1827) das Maß aller Dinge war. Tatsächlich richtete sich Brahms vor allem an Beethovens Fünfter aus, der Schicksalssymphonie. Wie diese ist seine „Erste“ in c-Moll komponiert und ihr im Aufbau und Ernst ähnlich. Dass sie aber gleichsam „Beethovens Zehnte“ sei, wie Hans von Bülow äußerte, war ein unzutreffende Bonmot.
Wie eigenständig Brahms Erstling ist, erweist sich an diesem Abend. Der besonders krasse Paukenschlag zu Beginn, damals ein Novum, schreckt alle Zuhörerinnen und Zuhörer auf, die sich gerade zurückgelehnt hatten, um Spätromantik entspannt zu genießen. Barenboim dirigiert auch im Verlauf flott und zupackend. Bloß keine falschen Süßlichkeiten.

Dennoch pflegt er mit Bedacht das schöne „Mitsing-Thema“, das Brahms in diversen Instrumentengruppen immer wieder aufscheinen lässt. So präzise wie an diesem Abend ist das nicht immer zu bemerken. Der warme Klang der Staatskapelle sorgt an solchen Stellen für viel Genuss.
Generell gut ausdifferenziert ist der Wechsel zwischen den schwebenden Piani und den daraus kräftig anschwellenden Forte-Passagen. Der Choral kommt dank der Blechbläser tonschön zu seinem Recht. Doch der frische Zugriff und die Betonung des Dramatischen bleiben bei Barenboim erhalten. Wer vielleicht zwischendurch doch in der Wohllaut-Nische Platz genommen hat, wird zuletzt von dem erneuten, knalligen Trommelwirbel fast vom Sitz katapultiert. Ebenso heftig bricht sich sofortiger Beifall Bahn.

Für die „Symphonie Nr. 2 D-Dur” op. 73 brauchte Brahms, von den europaweiten Erfolgen der Ersten beflügelt, nur wenige Monate. Darin gibt sich Brahms gelassen, mit der Nr. 2 wollte er dem Publikum gefallen. Dem tragen auch Barenboim und die Staatskapelle Rechnung und lassen die lieblich wiegenden Anfangstakte genüsslich swingen. Dennoch ergreift der Maestro jede Gelegenheit, um an der Tempo- und Rhythmusschraube zu drehen. Auch hier – bloß keine Zuckerwatte. Der Schluss des ersten Satzes gerät dank Tuba, Posaunen und Trompeten fast zu einer Lärmorgie.
Danach wird es beinahe feierlich, und das warme Legato der Streicher beruhigt die Ohren. Die Musik blüht auf, doch die Beschleunigung folgt auf dem Fuße. Diese Unterschiede arbeitete Barenboim deutlich heraus.

Das Allegretto grazioso wird beim Pizzicato fein hingetupft, hüpfende Noten kommen aber auch zackig. Dann mehr Tempo, und wieder ist Schreckeinjagen beim Fortissimo angesagt. Wer das daheim so hören würde, dem/der könnte beim letzten Allegro con spirito der Adventskeks aus der Hand fallen. Denn Barenboim und die Seinen haben diese Satzbezeichnung wörtlich genommen. Barenboim hüpft auf dem Podium und feuert die Staatskapelle an. Gemeinsam haben sie aus Brahms auch in seiner insgesamt lockeren 2. Symphonie keinen Softie gemacht.
Danach sofortiger, heftiger und lang anhaltender Jubel. Soviel Zustimmung erhalten Barenboim und die Staatskapelle in Berlin nicht alle Tage!

Ursula Wiegand

 

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